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Mozarts Gedächtnissfeier,
Gedicht von A. F. E. Langbein.

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In Salzburg war ein Wunderknabe,
   Dem seine Muse früh erschien.
Beschenkt mit ihrer Himmelsgabe,
   Schwand jedes Spielwerks Reitz für ihn.
Mit kühner Dichtung süßer Töne
   Beflügelt er sich seine Zeit;
Vorahnend, daß dereinst ihn kröne
   Der Lorbeer der Unsterblichkeit.

Fünf Lenze blüthen erst dem Kleinen,
   Da war er am Klavier ein Held.
Jetzt sollt’ er als ein Stern erscheinen;
   Sein Vater führt’ ihn durch die Welt.
Umstaunt beherrscht’ er, wie ein Meister,
   Von Land zu Land das Saitenspiel
Doch war der Jubel kleiner Geister
   Kein Ehrenlohn, der ihm gefiel.
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Er sagte kühl: „Was kann mir frommen
   Der Layen wüstes Lobgeschrei?
Den größten Meister laßt mir kommen,
   Und was ich gelte, sag’ er frei!”
Kam nun ein Fürst der Kunst, und lauschte,
   Und sprach ein Wörtchen mild und hold,
Das hob sein Herz, und er vertauschte
   Des Kenners Beifall nicht um Gold. –

In Wälschland hört’ er einst, daß leise
   Bey seinem Spiel die Rede ging:
„Der Deutsche zwingts geheimer Weise,
   Durch seinen mächt’gen Zauberring.”
So raunten kunstbefliß’ne Jünger
   Von Neid befangen sich ins Ohr;
Er aber zog den Reif vom Finger,
   Und spielte schöner als zuvor.
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Die Jahre stärkten ihm die Schwingen,
   Und leicht und kräftig flog der Aar,
Der Bühne manchen Schatz zu bringen
   Voll Urgeist, aber sonnenklar.
Wie glänzt die goldne Liederkette,
   Die er dem span’schen Wüstling schuf!
Dies Wunderwerk der Tonkunst hätte
   Allein verewigt seinen Ruf.

Der Kummer floh von jeder Wange,
   Und das Gemüth war frei von Schmerz,
Betrat er nur mit einem Klange
   Die Brücke zwischen Ohr und Herz.
Der König ward durch ihn erheitert,
   Das Hirtenmädchen sang sein Lied.
So hatte Keiner noch erweitert
   Der edlen Tonkunst Machtgebiet.
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Doch schwankend neigte sich zur Erde
   Des großen Geistes enges Haus,
Und daß es bald zerfallen werde,
   Sprach ahnendes Gefühl ihm aus.
Es flog ihn an, als in sein Zimmer
   Einstmals ein Unbekannter trat,
Und dringend, mit des Goldes Schimmer
   Um eine Seelenmeße bat.

Der Künstler, lenksam zum Gewähren
   Gelobte sie, der Fremde schied
Und jener sprach mit leisen Zähren:
   „Ich dichte mir mein Todtenlied!” –
Und noch vom alten Geist durchdrungen,
   Der Ruhm und Herzen ihm erwarb,
War schier das Schwanenlied gesungen, –
   Da neigt’ er sanft sein Haupt, und starb. –
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Zu früh entrücket sank er nieder
   Auf seiner halben Erdenbahn,
Und Schaaren seelenvoller Lieder,
   Sie flogen mit ihm himmelan!
Wer seiner Töne Zauber hörte,
   Beklagt, daß sein Geschick ihn rief,
Und eine heit’re Welt zerstörte,
   Die noch in seinem Busen schlief.

Wenn ihm kein Denkmal auch bewundert,
   Kein Standbild prangte hoch und hehr;
Doch von Jahrhundert zu Jahrhundert
   Lebt’ er unsterblich, wie Homer.
Wenn Tausend gleichen Flug auch wagen,
   Sie holen seinen Flug nicht ein.
Er wird, so lange Herzen schlagen,
   Der Liebling jedes Herzens sein! –
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