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Mein liebes Weib, und mein lieber Sohn!
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Salzb
ς: den 13
Julÿ 1778
Um deinen Nahmenstag, mein liebes Weib, nicht zu verfehlen, schreibe unter heutigem
dato, wo der Brief sicher noch einige Täge vorher eintreffen muß. Ich wünsche dir Million
Glück solchen abermals erlebt zu habς, und bitte den allmächtigen Gott, daß er dich
diesen Tag noch vielle Jahre gesund, und, so viel es auf diesem verändςlichς Welttheater
möglich, auch vergnügt möge erlebς lassς. Ich bin vollko
mς überzeugt, daß dir zu
deinem wahren vergnügen dein Ma
n und deine Tochter mangelt. Gott, wird
nach seinem ohnerforschlichen Rathschluß und heiligister Vorsehung alles zu unserm
Besten wenden. Hättest du wohl vor einem Jahre geglaubt, daß du deinς ko
mendς
NahmensTag in Paris hinbringen würdest? – – So unglaublich es damals manchem
geschienς hätte, |: obwohl uns ebς nicht :| – eben so möglich ist es, daß wir mit der
Hilfe Gottes, eher als wir es vermuthς, wiedς alle beÿsa
m sind: de
n dieses alleine
ist, was mir am Herzen liegt, – von euch getrennt zu seÿn – von euch entfernt,
und so weit entfernt zu leben; sonst sind wir, Gott seÿ gelobt, gesund!
Wir beÿde küssen dich und den Wolfgang million mahl, und bittς euch hauptsächlich für
die Erhaltung euerer Gesundheit besorgt zu seÿn. –
Nun hat endlich die Kriegs=
scene sich eröffnet! Man wird es in Paris schon wissς, daß den 5
tς dieses der König in
Preussen von
Glaz aus
über Nachod gegen
Königsgraz in Böhmς eingedrungen.
gewiß ists, daß der Krieg ausbrechς musste, da beÿde Mächte ohne ihrer Ehre zu nahe zu
trettς ihre Kriegsheere nicht mehr zurückziehς konntς. Man hat schon seit einigς Wochen
von Seitς Östereichs dem König durch
Marche und
Contremarche da und dort Platz
und Gelegenheit lassς wollς einς Einfahl zu unternehmς und den Angrief zu machς:
allein dς König fand nicht vor gut etwas zu unternehmς; nun hat dς Kaÿser
beÿ
Nachod ein sehr starkes
falsches Magazin anlegς lassς; und dieses hat den König
zum Einfall bewogen. das
Magazine war
aber falsch und nichts als nur etwas
anscheinendes dari
n. Ma
n musste dieses wagen, es mag nun ausfallς, wie
es will, indem Östereich der angreiffende Theil nicht seÿn konnte und nicht seÿn
wollte, die
Croaten aber als vorpostς |: zu dem sie eigentlich nur zu gebrauchς sind :|
kaum mehr im zaum zu haltς warς; weil diese Leute i
mer etwas zu erbeutς
hoffς und wünschen, auch desswegς gerne zu felde gehς. die Sächsischς Truppς habς sich
mit Preussen vereiniget, und es ist vermuthlich war, daß sie zum
Corpo des
Prinz Heinrichs gestossen, und wahrscheinlicher weise gegς
Eger und die
Obere
Pfalz etwas unternehmς werdς. die nächste Post wird wohl nähere Nachricht mit=
bringen: dieses ist den 11 mit der östereich
ς: Post eingelauffς. dieser Krieg
wird einer der blutigstς Kriege werdς, der König wird mit Ruhm sterbς, und
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der Kaÿser sein Kriegs=Leben mit Ruhm anfangς wollς.
dieses vorherstehende
schrieb ich gestern dς 12tς. Heute
den 13 vormittag, das ist diesς augenblick vor 10 uhr erhalte
dein betrübtes Schreibς vom 3
Julÿ. du ka
nst dir leicht vorstellς, wie uns beydς um das
Herz ist. Wir weintς eins zusa
m, daß wir kaum den Brief lesen konntς. – und deine
Schwester! – grosser Barherziger Gott! dein allerheiligster Wille geschehe! Mein lieber
Sohn! beÿ aller meiner i
mer möglichen Ergebung in den göttl: willen wirst du es
doch ganz menschlich und natürlich findς, daß ich durch thränς fast gehindert werde zu
schreiben. was ka
n ich endlich für einς Schluß machς –? keinen andς als itzt, da dieses schreibe,
wird sie vermuthlich Tod – odς sonst muß sie besser seÿn, de
n du schreibst den 3
tς,
und heute ist schon der 13
te. du schreibst sie war auf das Adςlassς gut. allein einige
täge hi
nach klagte sie frost und hitzς. Euer letzter brief war vom 12
tς Junÿ,
und da schrieb sie –
gestern hab ich mir Adergelassς: das war also dς 11
tς. – und
warum de
n an einem Samstag – an einem fast=tage? – – Sie wird wohl fleisch gespeist
habς. Sie hat mit dem Aderlassς zu lange gewartet. ich habe es ja eri
nert, weil
ich sie ke
ne, daß sie gerne alles von heut auf morgς verschiebt absondςlich an einem
fremdς Ort, wo sie sich erst um einen
Chyrurgς erkundigς muß. Nun ist einmal
die Sache so – und nicht mehr zu ändern – da ich mein vollko
menes vertrauς in
deine Kindliche Liebe setze, daß du alle menschenmögliche Sorgfalt für deine gewiß
gute Mutter getragς hast, und, we
n Gott uns sie noch schenket, i
mer tragς wirst;
für deine
gute Mutter,
dessen Augapfel du warest, und die dich ganz ausseror=
dentlich geliebt hat, – die völlig stoltz auf dich war, und die |: ich weis mehr
als du :| gänzlich in dir gelebt hat. Sollte nun aber alles unser Hoffς vergebens
seÿn! Solltς wir Sie verlohrς habς! – Grosser Gott!
So hast du freunde nötig
;
redliche freunde! sonst ko
mst du um dein Sach. Begrabniß=unköstς! &c:
Mein Gott! manche dir ganz unbekannte Unköstς, wo man einem fremdς
betrügt – überni
mt – hintergehet – in u
nötige Köstς bringt und aussaugt,
we
n man nicht redliche freunde hat: du ka
nst es nicht verstehς. Sollte nun
dieses Unglück vorgefahlς seÿn, so bitte h
ς: Baron v Grim, daß du deiner
Mutter sachς alle zu ihm in verwahr bringς därfst, damit du nicht auf gar
so viel Sachς achtung zu gebς nothwendig hast: oder versperre alles recht gut,
den we
n du ganze täge oft nicht zu Hauß bist, ka
n man ins Zi
mer brechς und
dich ausrauben. Gott gebe, daß alle diese meine Vorsorge unnötig ist: an dieser
ke
nest du aber deinen Vatter. Mein liebes Weib! mein lieber Sohn! – da Sie
einige Täge nach der Aderlaß unbäßlich gewordς, so muß sie sich schon seit dem 16 odς 17
Junÿ krank befindς. ihr habt doch zu lang gewartet – Sie hat halt geglaubt es
wird durch Ruhe im Bette – durch
diäte, – durch aigene Mittl besser werdς, ich weis
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wie es geht, man hoft und schiebt von heut auf morgς: allein, mein lieber Wolfg
ς: das
Laxiern beÿ Hitzς erfordert augenblicklich einς
Medicum um zu wissς, ob man
die Hitzς benehmς odς noch lassς muß, da die abkühlendς Mittel noch mehr Laxiern
machen: und stellt man den durchlauf zur unrechtς Zeit, so geht die
Materia
peccans in einς Brand. – Gott! Dir seÿ alles überlassς.
Ich wünsche dir Glück, daß du mit deiner
Synfonie im
Concert Spirituel so glücklich
durchgeko
mς. ich stelle mir deine Angst vor. – dein Entschluß, we
ns nicht gut
gegangς wäre, ins
Orchester zu lauffς war wohl nur ein erhitzter Gedanke. Behüte
Gott, diese und alle dςleÿ Einfälle must du dir ausschlagς; sie sind ohnüberlegt,
ein solcher Schritt würde dir das Lebς Kostς, und das setzt doch kein vernünftiger
Mensch auf eine
Synfonie. einς dergleichς
affront – und zwar öffentl:
affront
würde und müste nicht nur
ein franzos sondς iedς andςer, dς auf Ehre hält, mit
dem degen in der Faust rechς. Ein
Italiäner würde schweigς, und dich in einem
Winckl vorbassend Todschiessς. – von Münchς habe gewisse sichere Nachricht,
daß Graf
Seeau als
Musique Intendant für Münchς und Manheim
Confirmiert
seÿe; daß der
Musique Status nach Manheim geschickt wordς; daß die beÿdς
Capellen untereinandς gestossς, und die bösten ausgewehlt werdς; daß h
ς: Wo=
schitka mit andς LeibCa
merdienern
pr: 400 f in
Pension gesetzt wordς,
welches mich wundert; daß dς Dr:
Sanftl die Keckheit gehabt 3000 f für die Cur
zu verlangς, und auf dieses von Titl und Gehalt gänzlich
Cassiert wordς;
und endlich daß man sich in Münchς Hofnung macht den Churfürstς und die
Churfürstin seine Gemahlin nebst dς ganzς Hofstatt schon dς 10
Augusti
wiedς in Münchς zu sehς. – Ich schrieb meinς Glückwunsch am Anfange des
Briefs, – und die Na
nerl wollte mit ihrem Glückwunsch denselbς schlüssς.
allein sie ka
n |: wie du dirs leicht vorstellς Ka
nst :| keinς Buchstabς schreibς, die Sache
ko
mt ebς itzt, da sie schreibς sollte, – ieder Buchstabe, den sie hinschreibς soll,
treibt ihr einς Thränς Guß in die Augen. Vertrette du, ihr lieber Brudς,
ihre Stelle – we
n du es, wie wir hoffς und wünschς, noch vertrettς ka
nst.
doch Nein! du ka
nst es nicht mehr – Sie ist dahin! – du bemühest dich zu sehr
mich zu tröstς, das thut man nicht gar so eÿferig, we
n man nicht durch den verluest
aller menschlicher Hofnung odς durch den fall selbst dazu ganz natürlich angetriebς wird.
Nun gehe ich zum Mittagessς, ich werde aber
appetit habς.
Dieses schreibe um halbe 4 uhr Nachmittag. Ich weis nun daß meine Liebe Frau im
Hi
mel ist. Ich schreibe es mit weinendς Augen, aber mit gänzlicher Ergebung
in den göttlichen Willen! da gestern die Kirchweyhe beÿ der hl: Dreyfaltigkeit
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war, so wurde unser gewöhnl: Pölzelschüssς auf heute verschobς. ich konnte und wollte
es wegς dem Betrübtς Briefe so späth nicht mehr absagς lassς. wir assen wenig, die
Na
nerl aber muste, da sie vor Tische stark geweint hatte, sich erbrechς, beka
m er=
staunliche Kopfschmerzς, und legte sich hi
nach ins Bette. h
ς: Bullinger fand uns,
wie alle die übrigς uns antraffς in der betrübtestς
Situation. ich gab ihm ohne ein
Wort zu sagen deinς Brief zu lesen, und er verstellte sich trefflich und fragte mich
was ich davon hielte. ich antwortete ihm, daß ich vest glaubte mein liebes Weib
seÿ schon Todt: er sagte, daß er in der That fast ebς dieses vermuthe; und dan
sprach er mir Trost ein und sagte mir als ein wahrer freund alles dasjenige, was
ich
mir bereits
schon selbst gesagt hatte. Ich gab mir Mühe mich aufzuraumς,
mich beÿ der Ergebung in den allerheiligstς Göttl willς zu erhaltς, wir endigtς unser
Schüssς, alles gieng betrübt weg, h
ς: Bullinger blieb beÿ mir, und fragte mich de
n
unvermerkt, was ich den davon hielte, ob beÿ diesen überschriebnς KrankheitsUmständς
noch hofnung ware. ich antwortete ihm, daß ich glaubte sie wäre nicht nur itzt todt,
sondς den Tag, da dein Brief geschriebς wordς, schon gestorbς; daß ich mich in den Willς
Gottes gebe, und denkς müsste,
daß ich 2 Kindς habe, die mich hoffentl: so liebς werdς,
als wie ich einzig für sie lebe: daß ich es so
gewiß glaube, daß ich dir so gar Eri
nerungς, und Besorgnissς wegς der folge
p:
an dich geschriebς habe. Auf dieses, sagte er mir,
ja, sie ist Todt. und in diesem
augenblick fiel mir der Schleÿer vom Gesicht, den mir dieser schnelle zufahl für
die Augen hielt, der meine voraussehung verhinderte, da ich sonst geschwind
auf die Vermuthung verfallς wäre, du werdest dem h
ς: Bullinger unter der hand
das wahre geschriebς habς, so bald ich deinς Brief laß. dein Brief hatte mich aber wirklich
du
m gemacht – ich war im erstς Augenblick zu sehr niedςgeschlagς um etwas
nachdenkς zu könnς. itzt weis ich nichts zu schreibς! wegς meiner kannst du ruhig
seÿn, ich werde als ein Ma
n handeln. denke nach was du für eine dich zärtlich liebende
Mutter
hattest – itzt wirst du ihre Sorgς erst einsehς – so wie du beÿ reifen Jahrς nach meinem
Todt mich i
mer mehr liebς wirst. – liebst du mich –
wie gar nicht zweifle – so trage
Sorg für deine Gesundheit, –
an deinem Lebς hängt mein Lebς und der künftige
Unterhalt deiner ehrlichen dich von Herzen liebς Schwester. daß es unbegreiflich em=
pfindlich ist, we
n der Tod eine gute glückseelige Ehe zerreisst; das muß man er=
fahrς, um es zu wissς. –
Schreib mir alles umständlich; vielleicht hat man ihr
zu wenig bluth gelassς? – – das gewisseste ist, daß sie sich zu viel auf
sich selbst getrauet, und den
Doctor zu späth grufς: unterdessς hat dς Brand
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in intestinis überhand gen
omς.
Sorge für deine Gesundheit! mache uns nicht
alle unglücklich! die Na
nerl weis noch nichts von
Bullingers Brief, ich
habe sie aber schon so zubereitet, daß sie glaubt, daß ihre beste Mutter todt ist.
Schreibe mir bald – und alles – we
n sie begrabς wordς – wohin? – –
Grosser Gott! das Grab meines liebς Weibes muß ich in Paris suchς!
Wir küssς dich beyde von Herzς ich muß schlüssς die Post geht fort.
dein redlicher höchstbetrübter vatter
Mozart
mp
Sorge das nichts von euern Sachς verlohrς
wird.
13 Jul 78
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A Monsieur
Monsieur le chevalier Wolfgang
Amadé Mozart Maître de Musique
à
Rue Gros chenet
vis à vis celle du
Croissant à l'hôtel Paris
des 4 Fils emont
Nro: 51
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