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Paris den 14
tς Maÿ
Mein lieber Mann. 1778
Gott lob und danck wür seind beÿde gesund, und hoffen ihr werdet euch in
gleichen gesund befinden, welches unser einziges Vergniegen ist, solches
zu vernehmς, was unsere umstände betrifft könnς wür beÿ diser Jahrs
zeit zu friden sein, der wolfganng hat ein guttes haus beko
mς.
er mues den
duc de , seiner
Mademoiselle dochter das
Componieren
lehrnen alle dag 2 stund, er bezalt brav, und ist der Könnigin ihr
favorit, der
Duc liebt den wolfgang über alles, dermahlen hat
er 3
Scolaren, er könnte mehrer haben er kan sie nicht nehmen,
weill alles so weith entlegen ist, und er nicht zeit hat, bis wür
besser in der ordnung sein, bis gegen den winter wird er
genueg zu thuen beko
men, das er nicht wird wissen wo ihm der
Kopf stehet, so sagt ihm iederman, wir haben auch in Sinn
|: und es Rathens es uns alle gutte freinde :| das wür soltς zu ende
des So
mers ein eigenes quadier nehmς, die
Meubel selbst schaffen
so man hier leicht beko
mς kan, und selbst kochς, so kan man
umb das halbe gelt leben, wür werden es auch thuen, so
bald wür werden zu mehrer gelt ko
men. iezt mächte ich
vor allen wissen wie es mit den Krieg stehet, dahier ist die red.
das es friden seÿ zwischen den Kaiser, und Preusen, der hiesige
Krieg mit engeland ist noch nicht publi
ciert, aber anstalten
werden starcke gemacht. die Königin ist der mahlen schwanger
es ist aber auch noch nicht publick, aber doch gewis, es ist
eine grosse freid under den franzosen. den herrn
Ceccarelli bitte
unsere empfehlung abzulegς |: wan er noch zu Salzburg ist :|, es ist uns
leid das wür nicht die ehre haben ihm zu kennς. wie gehet es dann
der adlgasserin, ist die
victorl noch beÿ ihr, und was macht
die Eberlin waberl und der baranzki, ko
mς sie noch zu Zeitς
zu uns. gehet die nannerl noch alle wochen zum andretter
ist der Junge andretter noch zu Neuen Etting, weill in bairen alles
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verändert ist, die freyle von schidenhoffen und die kranach nanerl
ko
men sie noch zum Pölzel schiessen, der herr von schidenhofen
würd wohl stolz sein weill er ein so Reiche frau hat, und sich
nicht mehr würdigen zu uns zu ko
mς, es ist zwahr nichts daran
gelegen, sonsten hoffe ich Salzburg stehet noch am alten orth.
hier in
Paris hat sich seith der zeit villes verändert, es ist vill
grösser gebauet, und so erweithert das es nicht zu beschreiben,
die
chausse d Antin wo
Monsieur grim ist vollig eine Neue forstatt
und ville der gleichen schöne breithe strassen, ich habe zwar darvon
noch nicht vill gesehen, ich habe aber die Neue statt kartten, und
dise ist vill anderst als unsere alte. etwas für die nanerl. die
Mode ist hier das man weder ohren geheng noch umm den hals
was tragt auch keine gestainlete nadl in haar, nicht das mineste
glänzete stainel weder gueth noch falsch, die
frisur aber erstaun=
lich hoch, keinς herz
doupee, sondern überall gleich hoch welches mehr
als ein drittel elln aus trägt, her nach erst die haubς darauf
die noch höcher ist als der
duppe und Ruckwerths den zopf
oder
chenion weith ins genick hinunter, und auf der seÿthς mit
villen
boclen garniert, der
doupee aber ist lautter Krep
keine glate harr, sie haben sie noch höcher getragen, das
man hat müessen die gutschen erhöchen, weill kein frauenzi
mer
hät auffrecht sizen können, es ist aber widerum abko
men.
die
bolonese seind starck
Mode und unvergleichlich gemacht.
die schlender für ledige frauenzi
mer vorn glath in leib und keine
falthen. iezt weis die nanerl indessen genueg von der
Mode
und mues den Wolfgang einς Plaz lassen lebts also beÿde
gesund ich Küsse euch vill 100000 mahl, meine Empfehlung
an alle guette freinde
Musieur bullinger
Sallerl deibel Jungfer
Mizerl und alle andere verbleibe dein getreues Weib
die thresel las ich griessen und dem bimbel Marianna Mozart
schick ich ein busserl, lebt die grasmucken noch? – –
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Nun habe ich schon so viell zu thun, wie wird es erst auf den winter gehen? –
ich glaube ich habe ihnen schon im lezten brief geschrieben, das der
Duc de guines,
dessen Tochter meine
scolarin in der
Composition ist, unvergleichlich die flöte spiellt,
und sie
magnifique die Harpfe; sie hat sehr viell
Talent, und
genie, besonders
ein unvergleichliches gedächtnüß, inde
m sie alle ihre stücke, deren sie wircklich
200 ka
n, auswendig spiellt. sie zweifelt aber starck ob sie auch
genie zur
Composition hat – besonders wegen gedancken –
idéen; – ihr vatter
aber, der | unter uns gesagt, ein bischen zu sehr in sie verliebt ist | sagt, sie
habe ganz gewis
idéen; es seÿe nur blödigkeit – sie habe nur zu wenig
vertrauen auf sich selbst. Nun müssen wir sehen. we
n sie keine
idéen oder
gedancken bekö
mt | de
n izt hat sie würcklich gar – keine | so ist es umsonst,
de
n – ich ka
n ihr weis gott keine geben. die
intention vom vatter ist,
keine grosse
Componistin aus ihr zu machen, sie soll,
sagte er, keine
opern,
keine
arien, keine
Concerten, keine
Sinfonien, sondern nur, grosse
Sonaten
für ihr
instrument und für meines, schreiben. heüte habe ich ihr die 4:
te
Lection gegeben, und was die
Regln der
Composition, und das sezen an=
belangt, so bin ich so ziemlich mit ihr zufrieden – sie hat mir zu den
Ersten Menuett den ich ihr aufgesezt, ganz gut den
Bass dazu gemacht.
nun fängt sie schon an 3sti
mig zu schreiben. es geht; aber sie
Ennuirt
sich gleich; aber ich ka
n ihr nicht helfen; ich ka
n ohnmöglich weiter schreiten.
es ist zu fruh, we
n auch wircklich das
genie da wäre, so aber ist leider
keines da – man wird alles mit kunst thun müssen. sie hat gar keine
gedancken. es kö
mt nichts. ich habe es auf alle mögliche art mit ihr
Probirt; unter andern ka
m mir auch i
n si
n, einen ganz
simplen Menuett
aufzuschreiben, und zu versuchen, ob sie nicht eine
variation darüber machen
kö
nte? – ja, das war umsonst – Nun, dachte ich, sie weis halt nicht,
wie und was sie anfangen soll – ich fieng also nur den ersten tact an zu
variren, und sagte ihr, sie solle so fortfahren, und beÿ der
idèe bleiben –
das gieng endlich so zie
mlich. wie das fertig war, so sprach ich ihr zu, sie möchte
doch selbst etwas anfangen – Nur die erste sti
me, eine
Melodie –
ja, sie besa
n sich eine ganze viertl stund – und es ka
m nichts. da schrieb
ich also 4 täcte von einen
Menuett und sagte zu ihr – sehen sie, was
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ich für ein Esel bin; izt fange ich einen
Menuett an, und kann nicht ein=
mahl den Ersten theil zu ende bringen – haben sie doch die Güte und
machen sie ihn aus; da glaubte sie das wäre ohnmöglich; Endlich mit vieller
mühe – kam etwas an tage; ich war doch froh, das einmal etwas ka
m.
da
n muste sie den Menuett ganz ausmachen – das heist, Nur die Erste sti
me.
über haus aber habe ich ihr nicht anders anbefohlen, als meine 4 täcte
zu verändern, und von ihr etwas zu machen – einen andern anfang
zu erfinden – wens schon die nemliche
Harmonie ist, we
n Nur die
Melodie anderst ist. Nun werde ich morgen sehen, was es ist. –
ich werde Nun bald, glaube ich, die
Poesie zu meiner
opera en deux acts, beko
men.
dan muß ich sie erst, dem
Director,
M:r de huime præsentiren, ob er sie a
nimt.
da ist aber kein zweifel nicht; da
n Noverre hat sie angegeben; und dem
Noverre hat
de huime seine stelle zu dancken.
Noverre wird auch bald
ein neües
Ballet machen, und da werde ich die
Musique dazu setzen.
Rudolph | der waldhornist | ist hier in königlichen diensten, und mein
sehr guter freünd. er versteht die
Composition aus dem grund, und schreibt
schön. dieser hat mir die
organisten stelle angetragen zu
versailles, we
n
ich sie a
nehmen will. sie trägt das jahr 2000
liv:res; da muß ich aber 6
Monath zu
versailles leben. die übrigen 6 zu
Paris, oder wo ich will. ich
glaube aber nicht daß ich es a
nehmen werde. ich muß guter freünde rath
darüber hören. 2000
liv:res ist doch kein so grosses geld. in teütscher
Münze freÿlich, aber hier nicht. es macht freÿlich das jahr 83
louisd'or,
und 8
liv:res, das ist, unsriges geld, 915 fl: und 45 kr:, | das wäre
freÿlich viell | aber hier nur, 333 thaller, und 2
liv:res – das ist
nicht viell. es ist erschröcklich, wie geschwind ein thaller weg ist.
ich kan mich gar nicht verwundern, we
n man aus den
louisd'or nicht viell
hier macht, de
n es ist sehr wenig. 4 so thaller, oder ein
Louis, welches
das nemliche, sind gleich weg. Nun
Adieu. leben sie recht wohl. ich küsse
ihnen 1000mahl die hände, und meine schwester umarme ich vom gantzen
herzen und bin dero gehorsamster sohn
an alle gute freünd und freundin meine Empfehlung, wolfgang Amadè Mozart mp
besonders an h
ς: bullinger.
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