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Mon tres cher Fils!                                                                      Salzbς: dς 5 Januarii
                                                               
31.
                                                      1778

Den 30 ist also der Chfst aus Bayern in die Ewigkeit gegangς. mein Schreibς, so aus
Münchς untern 31 erhielt heist so: der 30 Decembς: ist der traurigste unter allς Tägς, die
Bayern zählt. um halbe 2 uhr nachmittag starb unser Churfς:, der gütigste Fürst, den
die Welt aufzeigς konnte, durch den Eigensin eines altς fast abgelebtς irrigen
Mediciner in der nun ganz Baÿern verhasstς Figur des Dr: Sanftel. Er führte
die ganze Cur, wie schon in meinem vorigς gemeldet, ganz alleine: allς andς Medicis
begegnete er mit der äusersten Grobheit, und da die Blattern schon fast abgedorrt,
sprach er, am Samstage dς 27, nun ist vor aller Welt augς keine Gefahr mehr.
am nämlichς tage abends sagte der Churfürst: Sanftl ich muß sterben, ich erkene
es an der äuserstς Schwachheit und unbeschreiblichstς Mattigkeit; Sanftl erklärte es
als eine Melancholÿ.
 NB ein andςes schreibς vom Frst Zlfe berichtet daß ihm danDr:
ein gläsl Mosler zu drinckς erlaubt habe. – Am Sontage wurde es ärger, der
Sanftl ließ aber noch keinς andς Medicum zu; und gab auch dem Churfς keine
Medicin. Am Montage wurde er imer schwächer und zeigte sich am Armb eine
grosse Röthe, die Sanftl für ein Rothlauf hielt, und die weise Kugl dς englischς
Freulen brauchte. Abends verzog sich die Röthe in etwas. In der Nacht vom 29
bis 30 wurde der Churfürst wie vom Schlag gerührt – dan sahe der elende alte Dr
daß es der Brand war. der Churfς selbst verlangte, daß man ihn öffentlich versehς
sollte. das geschahe morgens um halbe 6 uhr. dan wurdς die Stattthore gesperrt,
eine Procession angestellt, wo viel 1000 menschς schrÿen und bethetς. Er verlangte um
9 uhr die Mutter Gottes im Herzogsspittal nochmals zu sehς: die auch processionaliter
nach Hofe getragς wurde. So ein Specktacl hat noch kein Land gesehς! alles lief aus
den Häusern, gieng mit, es wurde aber mehr geheult, geschriς und so geweint,
daß man es das viertl der Statt durch hörte. der Churfς: machte seine inbrinstigste
Andacht dabeÿ bis 1 uhr, dan verschied er um halbe 2 uhr ganz sanft, nach einer
23 tägigς schmerzensvollς Kranckheit. Alle Medici, die in dς Statt warς, hieltς um
9 uhr noch ein Consilium, aber zu späth! und der alte eigensinige elende Dr
gieng davon, und sagte:
ich bin verlohrn! hält sich auch bis itzt verschlossen in
seinem Hause auf. Abends um 4 uhr wurde schon S:r Durchl. der Churfürst
von Manheim als unser Herzog durch den Trompetenschall ausgeruffς, und heute
müssen alle dicasterien und das militaire den Eyd der Treue ablegς. am
Samstag abends, nach der Beerdigung, wird der Churfürst selbst hier ein=
treffς. Gott stehe uns beÿ und gebe, daß es dabeÿ bleibe: aber man
fürchtet imer einen Besuch von Ö – –, und dan sind wir verlohrς! wir hoffen das
bessere, Gott gebe es! &c:
dieser Brief ist vom 31 Decembς.
unterdessς habς wir Nachricht, daß der Churfς v Manheim schon den freÿtag 2 Jener
abends in Münchς ganz alleine, nur mit einem Cavalier grafς odς Baron Vieregg
begleitet in der Stille eingetroffς. Ihr könnt euch leicht vorstellς, daß man
auch hier wünschet, daß die Sache so bleibς möchte. Unterdessς muste ich heute doch
von herzen lachen, da schon die Rede in der Statt gieng, daß dich der

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Churfürst zum Capellmeister in Münchς machς werde, da der alte Be=
rnasconi
ohnehin nicht mehr dienς kan. Von Vöckelbruck will man hier Nach=
                                                                                  kaiserlichen
richt habς, daß die alda und um Wels herumliegendς kmyolrefcul
Soldaten                                 sich   marschirfertig
osedmtln ordre erhaltς hättς, ofcu amrocuilrtfg zu haltς: und eben der=
gleichς soll des Trompeter Schwarzς Sohn aus Böhmς geschriebς habς. Gott
bewahre uns, daß würde einς schönς Auftritt geben. – Es wird sich bald zeigen.
heute antworte nach Münchς, und hoffe imerzu etwas neues zu
hören, das ich dir dan auch gleich berichtς werde: doch werdet ihr auch schon
natürlicher weise vieles erfahrς, – – doch, wer weis es, vielleicht weniger als
ich. Wegen der Zurückreise der Mama habe schon lange gedacht, daß es
nicht bequemer geschehς könnte, als mit den leerς wägς, die nach Salzbς:
reisen um die Kaufleute abzuhohlen. es komt nur darauf an, wie
sie von Manheim nach Augspurg komt?
hätte sie dazu eine bequeme
Gelegenheit, so konnte unser chaise in Manheim verkauft werdς:
wo nicht, so müste sie mit der chaise nach Augspς: gehς, solche im kloster
beym heil: Kreuz stehς lassς, bis mein Bruder solche zu verkauffς Gelegen=
heit findet. dan, da ihr 4 Personς seyd, so könnt ihr sie nach Paris nicht
brauchς; und in Manheim würde man sie auch etwa besser anbringς, weil
alles theuer ist. Von Augspς, kan die Mama in 3 tägς in Salzbς: seÿn,
die Rosslehner gehς theils den 9, teils dς 10 Merz von Augspς: weg um die
Kaufleute wieder abzuhohlen. da kan man ganz bequem in einem geschlossς
viersitzigen gläser wagς um wenig fuhrlohn fortkomς. ich bin einmahl um
ein Max d'or hereingereiset. – Wollte sie aber mit den Kaufleutς beym
hereinreisen mitkomς, so würde es vielleicht einigen Anstand habς, weil
sie meistens schon in vier Personς ihre Compagnie habς. eins odς das andςe
kan zum voraus durch meinς Bruder machς. die Hauptsache komt nur an,
wie sie von Manheim gut nach Augspς: komt? für das andςe werde schon
sorgen. Man muß aber beÿ zeitς darauf denken; dan die Zeit geht bald
herum,
und mir wäre es lieber wen sie mit 3 hereinreisendς die 4te Person
seÿn könnte: dan würde ich auch schon berichtς, wen sie in Augspς: seÿn muß.
was die chaise anbelangt, hab selbe um etlich und 80 f gekauft; ihr werdet
wohl freunde findς, die solche schätzς, und, wen NB die Mama solche nicht brauchς
könnte, so gut es möglich verkauffς könntet. Man wird in Manheim
nicht viel um 8 Louisd'or von wägen kauffen. Sollte die Mama
aber keine bequeme Gelegenheit nach Augspς haben; so würde vielleicht
ein ehrlicher reisender frohe seÿn in einer bequemς chaise für sein
Postgeld mit zu komς; man muß aber der Person versichert seÿn, das
verstehet sich. Sollte nun übrigens, wie wünsche und hoffe, der Churfürst im ruhigen Besitz
seines neuς Herzogthums bleibς; so wird von Zeit zu Zeit imer iemand nach
Münchς reisen, wo sie mitkomς könnte. ist sie in Münchς, so mag sie dan
einς Lehnrössler alda nehmς, und nach Hauß fahrς. überhaupts komt es auf den
Bericht an, wie ihr glaubt, daß sie nach Augspurg komen kan, das übrige muß nach

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diesem eingerichtet werden; auch muß ich euch erinern, daß ihr nichts auf die letzte spahrt,
daß die Mama beÿ zeiten ein verzeichniß macht von deiner Wäsche, strimpfe &c:
und allen deinς Kleidungsstückς, damit du weist, was du beÿ dir hast pp: und wie
wird es mit dem Coffre gehen? Man muß beÿ zeitς eine Probe machς, ob eins aus
euch beyden solche gebrauchς kan. Sie wird für beyde zu groß seÿn. auf alles
dieses muß beÿ zeitς gedacht werdς. Wen die Mama solche zurückführς will, kan
sie freylich solche mit strohe obς ausfüllς: allein ihre Kleider gehς enge zusamς;
der Wolfgς: wird sie noch eher brauchen könς. Basta. Nur beÿ zeitς vorgesorgt!
Gestern war Pölzlschüssς, der Wolfgang war bestgeber, die Scheibe war ein Brandlspiel
von 4 Personς, darunter die sich die Näglbeissende Catherl in ihrer wahrς Kleidung
die Hauptperson war. auf dem Tisch lag ein stich vom Herzbrand, das Herz ass
oben auf, auf dem Herz das Centrum. oben die, trotz wieland! geschwind hinge=
schriebne vortreffliche Poesie.
     Am Herzbrand leid ich stark! Herz bleibt mein liebste Farbe:
     Und, wan ich viele Jahr noch als ein Jungfer darbe;
     So gehts auf d'finger los: weil ich stets Nägl beisse.
     Bekom ich keinς Man! – – dan auf die Welt ich sch – – e.

     Die Catherl hat aber auch selbst das beste gewonς.

So bald hς: Adlgasser gestorbς, sagte ich der Nanerl, ich will wettς, der Erzbisch: läst dem
Bischof von Königsgratz Joseph Arco durch die Gräfin schreibς, um den Organistς,
den schmutzigς Hasse oder Hass, wie er heist, komen zu lassς: du wirst dich erinerς,
daß dir die gräfin einmahl davon gesprochς? es ist der schmuzige alte kerl, dς dir
                     on
beÿm Fürst Pugiatowsky in Wien das thema von der Fuge vom Scarlati hat aufgegebς.
Nun heist es wirkl: der Erzbς: habe schon um ihn geschriebς. unterdessς bin ich schon 2 mahl beÿ
den Lodronischς freulein gewesen: die gräfin ließ mich am Neujahrsabend durch den Camerdr
ersuchen zu ihr zu komς. Sie sagte mir, mit ihrer gewöhnlichen falschς freundlichkeit, sie
hätte mich etwas zu bittς: ich sollte aber, wens mir ungelegς wäre, ihr ansuchς nur freÿ
abschlagen, sie wollte mich gar nichts genierς. NB Das war so viel gesagt = als ich erkene
selbst, daß sie mir gar keine obligation habς. Sie bath mich dan ihre freul zu übernehmς.
sie wüste wohl, daß ich wenig zeit hätte, und mich nicht gerne plagte. Ich machte einige
difficultätς, und sagte endlich, daß ich einς tag um 11 uhr den andς Tag um 4 uhr komς werde.
da war sie in ihrem Vergnügς, sprach vielles von euch beÿdς p: und war dan am freytag schon
im zimer, als ich zu den freul kam. – Nun was andςs. die Camerjungfer beÿ der Frl:
Rosa Firmian, Cathl: Gilowsky, komt weg. der HofRath lässt sie nicht mehr da. Vorgestern ist
der HofRath Caietan Berti begrabς wordς. Euern Brief vom 27 Dmbς: habe erhaltς, am neuς
JahrsTag habe euch nicht geschriebς;
den ich bin den abend vorher und den Tag selbst mit
Glückwünschς beschäftigt gewesen. Mich freuet es ohnendlich, daß es euch nun gut gehet, daß
ihr gesund seyd, und du mein liebes weib eine Warme Stube hast. das Portrait so
                     Wieland
du mir vom Wflemnd machst, hätte ich dir beÿ nahe auch machς könς, ohne ihn gesehς
zu haben. Mr: Grim und die zween gr: Romanzow haben mir ihn völlig beschriebς, als wir
mit einandς über den Münichberg gegangς. alle solche Philosophischς Köpfe habς auch gemeiniglich
                                                                       Beichten
etwas fantastisches. – daß ich mich wegς dem Blfcutln angefragt, darf
dich gar nicht verdrüssς, ich werde dir ein andersmahl darauf antwortς: ja du kanst
dir selbst antworten, wen du dich gänzlich in meine Person, und in die Stelle eines Vatters setzest.

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könnte die Mama keinς Manheimer HofCalendς mitbringen? – – ich möchte auch gern wissen
wie der titul von Voglers Buch heist, und was es kostet? wen sich der Wolfgang meiner
Methoden erinert, wird er beydes um einς wohlfeilς Preiß bekomς. aber er muß nicht
lachen; sondern ein ernsthaftes Gesicht machen. Nun muß gewiß schlüssς, das Papier
wird imer schwärzer. wir sind gesund, Gott lob, ihr werdet es auch seÿn, sorget nur für
eure gesundheit, ich und die Nanerl küssς euch Millionmahl und bin samt ihr der alte
                                                                                                           Mzt mp

Es ist bereits ein anderer Kaÿsς: Abgesandter in Münchς angelangt, welcher den
Graf Hardik ablöset. dieser wird nun Instructiones habς, die man dem andern
erst hätte zuschickς müssς. Gott gebe ruhe und friedς!


À Monsieur 
Frcoaugς

Monsieur Wolfgang Amadé Mozart
Maître de Musique
à
Manheim

N:o 30.

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