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                                                                                          Prag den 15:t Jener 1787.
                     liebster freund! –

Endlich finde ich einen Augenblick an sie schreiben zu könen; – ich nam mir vor
gleich beÿ meiner Ankunft vier briefe nach Wienn zu schreiben, aber umsonst! –
Nur einen einzigen |: an meine SchwiegerMutter :| konte ich zusamenbringen; und
diesen nur zur hälfte. – Meine frau und Hofer mussten ihn vollenden.
Gleich beÿ unserer Ankunft |: Donerstag den 11:tn um 12 uhr zu Mittag :| hatten
wir über hals und kopf zu thun, um bis 1 uhr zur tafel fertig zu werden.
Nach tisch regalirte uns der alte hς: graf thun mit einer Musick, welche von
seinen eigenen leuten aufgeführt wurde, und gegen anderthalb Stunden
dauerte. – diese wahre unterhaltung kan ich täglich genüssen. – um 6 uhr
fuhr ich mit grafen Canal auf den sogenanten breitfeldischen ball, wo sich
der kern der Prager schönheiten zu versameln pflegt. – das wäre so was
für sie gewesen mein freund! – ich Meÿne ich sehe sie all den Schönen Mädchens,
und Weibern nach – – laufen glauben sie? – Nein, nachhinken! – Ich tanzte
nicht und löffelte nicht. – das erste, weil ich zu müde war, und das leztere
aus meiner angebohrnen blöde; – ich sah aber mit ganzem vergnügen zu,
wie alle diese leute auf die Musick meines figaro, in lauter Contretänze und teutsche
verwandelt, so inig vergnügt herumsprangen; – den hier wird von
nichts gesprochen als vom – figaro; nichts gespielt, geblasen, gesungen und
gepfiffen als – figaro: keine Opera besucht als – figaro und Ewig
figaro; gewis grosse Ehre für mich. – Nun wieder auf meine tagordnung zu
komen. da ich Spät vom ball nach hause gekomen, und ohnehin von der Reise
Müde und schläfrig war, so ist nichts natürlicher auf der Welt als daß ich sehr
lange werde geschlafen haben, und gerade so war es. – folglich war der andere
ganze Morgen wieder Sine Linea; – Nach tisch darf die Hochgräfliche Musick
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nie vergessen werden, und da ich eben an diesem tage ein ganz gutes Pianoforte
in mein zimer bekomen habe, so könen sie sich leicht vorstellen daß ich es
den abend nicht so unbenüzt und ungespielt werde gelassen haben; es giebt
sich Ja von selbst daß wir ein kleines Quatuor in Caritatis camera |: und
das schöne bandel Hamera :| unter uns werden gemacht haben, und auf diese
art der ganze abend abermal sine Linea wird verloren gegangen seÿn;
und gerade so war es. – Nun zanken sie sich meinetwegen mit Morpheus;
dieser Larpf ist uns beÿden in Prag sehr günstig; – was die ursache davon
seÿn mag, das weis ich nicht; genug, wir verschliefen uns sehr artig. –
doch waren wir im stande schon um 11 uhr uns beÿm Pater Unger einzufinden,
um die k: k: bibliotheck, und das allgemeine geistliche Seminarium
im hohen niedern Augenschein zu nehmen; – nachdem wir uns die augen
fast aus dem kopf geschauet hatten, glaubten wir im unsern inersten eine
kleine MagenArie zu hören; wir fanden also für gut zum graf Canal
zur tafel zu fahren; – der abend überaschte uns geschwinder als sie
vieleicht glauben; – genug, es war zeit zur opera. – wir hörten also
Le gare generose. – was die aufführung dieser oper betrift, so kan ich
nichts entscheidendes sagen, weil ich viel geschwäzt habe; warum ich aber wieder
meiner gewohnheit geschwäzt habe, darin möchte es wohl liegen. – basta;
dieser abend war wieder al Solito verschleudert; – heute endlich war ich so
glücklich einen Augenblick zu finden, um mich um das wohlseÿn ihrer lieben
Eltern, und des ganzen Jacquinischen hauses erkundigen zu könen. –
Ich hoffe und wünsche vom Herzen daß sie sich alle so wohl befinden mögen
als wir beÿde uns befinden. – Ich muß ihnen aufrichtig gestehen, daß |:
obwohl ich hier alle mögliche höflichkeiten und Ehren genüsse, und Prag in der
that ein sehr schöner und angenehmer ort ist :| ich mich doch recht sehr
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wieder nach Wien sehne; und glauben sie mir, der hauptgegenstand davon ist
gewis ihr Haus. – wen ich bedenke daß ich nach meiner zurückunft nur eine
kurze zeit noch das vergnügen genüssen kan in ihrer werthen gesellschaft zu
seÿn, und dan auf so lange – und vieleicht auf imer dieses vergnügen werde
entbehren müssen – dan fühle ich erst ganz die freundschaft und Achtung
welche ich gegen ihr ganzes haus hege; – Nun leben sie wohl liebster freund,
liebster HinkitiHonky! – das ist ihr Name, daß sie es wissen. wir
haben uns allen auf unserer Reise Nämen erfunden, hier folgen sie.
Ich. Pùnkitititi. – Meine frau. SchablaPumfa. Hofer: Rozka=
Pumpa
. Stadler. Nàtschibinìtschibi. Joseph mein bedienter.
Sagadaratà. der gauckerl mein hund. Schamanuzky. – die Mad:me
Quallenberg
. Runzifunzi. – Mad:selle Crux. Ps. der Ramlo.
Schurimurider freÿstädtler. Gaulimauli. haben sie die güte
leztern seinen Namen zu comuniciren. – Nun adieu. künftigen
freÿtag den 19:tn wird meine academie im theater seÿn; ich werde vermuthlich
eine zwote geben müssen; das wird meinen aufenthalt hier leider verlängern.
Ich bitte ihren würdigen Eltern meinen Respect zu melden, und ihren
hς: brudern |: welchen man allenfalls blatteririzi nenen könte :| für mich
1000mal zu Embrasiren. – ihrer frl: Schwester |: der Sig:ra Dinimininimi :|
küsse ich 100000mal die hände, mit der bitte, auf ihrem Neuen Piano=forte recht
fleissig zu seÿn – doch diese Ermahnung ist unütz – den ich mus bekenen daß ich
noch nie eine Schüllerin gehabt, welche so fleissig, und so viel Eifer gezeigt hätte,
wie eben sie – und in der that ich freÿe mich recht sehr wieder darauf ihr nach
Meiner geringen fähigkeit weitern untericht zu geben. – apropós; wen sie
Morgen komen will – ich bin um 11 uhr gewis zu hause. –
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Nun aber wäre es doch zeit zu schlüssen? – nicht wahr? – schon längst
werden sie sich denken. – leben sie wohl, mein bester! – erhalten sie
mich in ihrer werthen freundschaft – schreiben sie mir bald – aber bald –
und sollten sie vieleicht zu träge dazu seÿn, so lassen sie den Satmann
komen, und dicktiren sie ihm den brief an; – doch, es geht nie so vom
herzen wen man nicht selbst schreibt; Nun – ich will sehen, ob sie so
mein freund sind wie ich so ganz der ihrige bin, und Ewig seÿn werde.

                                                                                  Mozart mp
P: S: Auf den briefe so sie mir
vieleicht schreiben werden, setzen sie

im graf thunischen Palais.

Meine frau empfehlt sich bestens dem ganzen Jacquinischen Hause, wie
auch hς: Hofer.

NB: Mittwoch werde ich hier den figaro sehen und hören, – wen ich
nicht bis dahin taub und blind werde. – vieleicht werde ich es
erst nach der opera – – –