Kritische Edition des Librettos (Libretto)   Deutsche Übersetzung des Librettos (Deutsch)  
PROLOGUS
PROLOGUS
Oebalus rex fulmine aram Apollini sacrificantis destruente territus, a suis erigitur et Apollinem exsulem hospitio excipit.
König Oebalus erschreckt über einen Blitz, der den Altar zerstört, an dem er dem Apollo opfert, wird von den Seinen getröstet und nimmt Apollo, der verbannt ist, gastfreundlich auf.
Oebalus, Melia, Hyacinthus, Apollo, Sacrificuli Apollinis.
Oebalus, Melia, Hyacinthus, Apollo, Oberpriester Apollos.
Hyacinthus
Hyacinthus
Amice! iam parata sunt omnia. Aderit,
Mein Freund, bereit ist alles schon. Ich hoffe, bald
ut spero, cum sorore dilecta meus
stellt zu dem Opfer, das er angeordnet hat,
ad sacra, quae constituit, actutum pater.
der Vater sich mit der geliebten Schwester ein.
Zephyrus
Zephyrus
Ni fallor, est Apollo, quem colitis.
Täusch ich mich nicht, so ist’s Apollo, den ihr ehrt.
Hyacinthus
Hyacinthus
Hic est.
Er ist’s.
Zephyrus
Zephyrus
Apollini ergo tanta sacrificia parat
So große Opfer widmet Oebalus
Oebalus? an alios nescit in coelis deos?
Apollo! Kennt er also andre Götter nicht?
An Semelis ergo natus, an Iuno, Venus,
Und ist der Spross der Semele, ist Juno nicht,
Diana, Mars, Vulcanus, an superum potens
Vulcan, Diana, Venus, Mars und erst ihr Herr,
pater atque princeps ture nil vestro indigent?
der Göttervater - sind sie keines Weihrauchs wert?
Hyacinthus
Hyacinthus
Quibusque consecramus, o Zephyre! diis,
Wir opfern allen Göttern gern, mein Zephyrus,
nullusque nostris vacuus a templis abit:
ein jeder wird in unsern Tempeln wohl bedacht.
at solus istud Apollo sibi templum suo
Doch diesen Tempel sichert sich Apoll allein
vindicat honori. Genitor hunc magnum deum
zu seiner Ehre. Diesen großen Gott verehrt
veneratur, et ego veneror exemplo patris.
mein Vater, und dem Vater folgend tu’s auch ich.
Zephyrus
Zephyrus
O care! quam libenter offerrem ilia
Geliebter! Wie so gerne brächte ich mein Herz
pectusque, si tu Apollo mihi meus fores!
und Eingeweide dar, wärst du nur mein Apoll!
Hyacinthus
Hyacinthus
Dilecte quid me, Zephyre! permisces diis?
Mein lieber Zephyr, misch mich unter Götter nicht!
Honore non me dignor, at novi bene:
Ich bin nicht solcher Ehre wert - doch weiß ich wohl:
extorsit ista nimius in Hyacinthum amor.
Es sprach aus dir die große Liebe nur zu mir.
(Venit Oebalus et Melia.)
(Oebalus und Melia kommen.)
Sed en! sorore comite nunc genitor venit.
Doch sieh, mit meiner Schwester kommt der Vater schon.
Oebalus
Oebalus
Dic nate! num parata sacrificio hostia
Sprich, Sohn, ist schon das Opfertier gerüstet und
et ignes?
das Feuer?
Hyacinthus
Hyacinthus
Ecce genitor! ad nutum omnia
Vater, sieh, nach deinem Wink ist längst
parata praestolantur adventum tuum.
das Opfer fertig, wartet auf dein Kommen nur.
Oebalus
Oebalus
Bene: ergo succendatur a flamine focus,
Wohlan! Entzünde denn der Priester auf dem Herd
et ture plurimo ara praegravis gemat,
die Flamme, schwer vom Weihrauch seufze der Altar
fumusque sacrificantis in nubes eat.
und hoch in Wolken steige frommer Opferdampf!
Melia
Melia
Heu genitor! atra nube tempestas minax
Weh, Vater! Schwarze Wolken drohen schweren Sturm.
ingruit, et omnis glomerat huc noctem polus.
Der ganze Himmel wirbelt dunkle Nacht auf uns.
Oebalus
Oebalus
Adeste! longioris impatiens morae
Herbei! Apollo wünscht nicht längeren Verzug,
Apollo tus et hostiam a nobis petit.
verlangt nach Weihrauch und nach frischem Opferfleisch.
Fugiet ad istas saeva tempestas preces,
Wenn fromm ihr betet, weicht gewiss der wilde Sturm
et blanda facies solis his iterum plagis
und zeigt die Sonne diesem Lande wiederum
redibit. Agite! fundite et mecum preces.
ihr Antlitz. Auf und stimmet ein in mein Gebet.
Chorus
Chor
Numen o Latonium!
Großer Gott, Latonas Sohn,
audi vota subplicum
höre unsern Bittgesang!
qui ter digno
und so fromm wie
te honore
wir dich ehren
certant sancte colere:
und dich rühmen immerdar,
hos benigno
mögst du Huld und
tu favore
Schutz uns schenken,
subditos prosequere.
deiner dir ergebnen Schar.
Solus Oebalus
Oebalus (allein)
O Apollo creditam
O Apollo, dieses Reich
tibi semper protege
hat sich ewig dir vertraut.
et dignare lumine
Schütze du mit deinem Licht
Oebali Laconiam.
Oebalus’ Spartanerreich!
Chorus
Chor
Numen o Latonium!
Großer Gott, Latonas Sohn,
audi vota subplicum
höre unsern Bittgesang!
qui ter digno
und so fromm wie
te honore
wir dich ehren
certant sancte colere:
und dich rühmen immerdar,
hos benigno
mögst du Huld und
tu favore
Schutz uns schenken,
subditos prosequere.
deiner dir ergebnen Schar.
(Fulmen ignem et aram destruit.)
(Ein Blitz zerstört Feuer und Altar.)
Melia
Melia
Heu me! periimus! numen heu nostras preces
Weh mir! Wir sind verloren. Weh! Der Gott verschmäht
respuit!
die Bitten.
Oebalus
Oebalus
An aliquis forsan ex vobis deum
Hat denn einer unter euch etwa
violavit?
den Gott gekränkt?
Melia
Melia
Haud me genitor ullius ream
Mein Vater, keine Schuld find ich
invenio culpae.
an mir.
Hyacinthus
Hyacinthus
Semper hunc colui deum.
Ich habe immer diesen Gott verehrt.
(O Zephyre! quantum timeo ne verbis tuis
(O Zephyrus, die Rede, fürchte ich, die du
haec ira sit succensa quae dixti prius.)
zuvor gesagt hast, hat uns diesen Zorn entfacht.)
Zephyrus
Zephyrus
(Hyacinthe! si me diligis, cela patrem,
(Wenn du mich lieb hast, Hyacinth, lass dies geheim
et verba prolata prius a nobis tace!)
sein vor dem Vater und verschweig, was wir gesagt.)
Oebalus
Oebalus
Extinctus ignis, ara subversa, hostia
Erloschen und gestürzt ist der Altar, verschmäht
contemta nobis grande praesagit malum.
das Opfer. All dies sagt uns böses Leid voraus.
Heu totus hoc concussus a fulmine tremo!
Weh mir, von diesem Blitz erschüttert bebe ich.
Hyacinthus
Hyacinthus
Erigere mentem genitor! insontem geris
Ermuntre dich. mein Vater! Ohne Schuld ist doch
animum; quid ergo numine a bono mali
dein Herz. Was fürchtest du von einem guten Gott
metuas? Ab isto fulmine es laesus nihil,
dann Böses? Dieser Blitz tat dir ja doch kein Leid,
nostrumque nemo, quotquot adsumus, ruit.
und keinen von uns allen hat er hingestreckt.
Vivimus, et omnes pristinus vigor beat:
Wir leben, und es lebt in uns die alte Kraft.
hinc terruisse voluit hoc fulmine deus
So wollte denn mit diesem Blitz der Gott die Welt
terras, potestas pateat ut mundo magis,
nur schrecken zum Beweis der eignen Gottesmacht,
maneatque cum fiducia in nobis timor.
damit nicht ohne Furcht bei uns der Glaube sei.
Hyacinthus
Saepe terrent numina,
Götter schrecken oft die Welt,
surgunt et minantur:
drohen uns mit Ängsten,
fingunt bella,
Senden Kriege,
quae nos angunt,
die uns äffen,
mittunt tela,
schießen Pfeile,
quae non tangunt;
die nicht treffen.
at post ficta nubila
Doch nach finsterem Gewölk
rident et iocantur.
lachen sie und scherzen.
Et amore
Bald uns liebend,
et tremore
bald uns schreckend
gentes stringunt subditas:
unterwerfen sie die Welt.
nunc amando,
Erst mit Liebe,
nunc minando
dann mit Staunen
salva stat auctoritas.
schafft sich Achtung ihre Macht.
Oebalus
Oebalus
Ah nate! vera loqueris; at metuo tamen,
Mein Sohn, du sagst die Wahrheit, und ich fürchte doch,
Apollo ne fors perdat hoc igne Oebalum.
dass dieser Blitz Apollos Oebalus zerstört.
(Accedit Apollo.)
(Apollo tritt hinzu.)
Apollo
Apollo
Apollo vestras audit, o credite! preces
Apollo hört auf eure Bitten, glaubt mir dies!,
suamque pollicetur his terris opem,
und er verspricht dem ganzen Lande seinen Schutz,
recipere si velitis hunc modo exsulem
wenn ihr nur Zuflucht mir gewährt; denn mich verbannt
iramque fulminantis exosum Iovis.
von sich der Blitz und Zorn des grimmen Jupiter.
Oebalus
Oebalus
Quid? – numen hac sub veste pastoris latens
Wie? Hat ein Gott sich in dies Hirtenkleid versteckt
in nostra praesens regna suscipi cupit?
und bittet uns um Zutritt in dies Königreich?
Hyacinthus
Hyacinthus
En genitor! ut lusisse nos superi solent!
Siehst du, mein Vater, wie die Gottheit gern uns foppt?
Iam tibi medelam saeva post vulnera deus
Nach schweren Wunden bringt Apoll dir Balsam nun,
adfert, tuamque regiam praesens beat.
beglückt mit seiner Gegenwart dein Königshaus.
Melia
Melia
O quam beato sidere haec nubila dies
O welch ein Glückstag, der nach düsterem Gewölk
nos recreat, ipse Apollo dum nostros Lares
uns nun erquickt! Apollo, ein ersehnter Gast,
optatus hospes visitat! – O quantus decor!
tritt selber ein in unser Haus! – O wie so schön,
quae forma! – quanta dignitas! – quanta omnibus
o wie so lieblich – wie so herrlich – ist der Glanz
gloriaque membris atque maiestas sedet!
auf allen Gliedern und des Gottes Majestät!
Apollo
Apollo
Melia! quid in pastore tam dignum vides
Du siehst doch einen schlichten Hirten, Melia:
suspensa quod mirere?
Und was entzückt dich so?
Melia
Melia
Video – – –
Ich sehe …
Apollo
Apollo
Et quid vides?
Was denn nur?
Eloquere pulcra!
Sag’s, Schöne.
Melia
Melia
Video pulcrum Apollinem,
Gott Apoll, den Schönen, sehe ich,
cui cum parente corda iam dudum obtuli.
dem ich mitsamt dem Vater längst mein Herz geschenkt.
Apollo
Apollo
Quod obtulisti pectus, haud revoca amplius;
Nimm dies Geschenk des Herzens nie zurück: Es gibt
hoc inter orbis dona praeprimis placet.
auf Erden keine Gabe, die mich mehr erfreut.
Zephyrus
Zephyrus
(Hyacinthe! quantum timeo praesentem deum!)
(Mich ängstigt, Hyacinth, des Gottes Gegenwart!)
Hyacinthus
Hyacinthus
(Me quoque tremenda dignitas timidum facit.)
(Auch mich erfüllt mit Schrecken seine Herrlichkeit.)
Apollo
Apollo
Hyacinthe! amicum semper addictum tibi
Ich will dir, Hyacinth, ein treu ergebner Freund
habebis in me, amare si deum potes.
stets bleiben, wenn du mich, den Gott, nur lieben kannst.
Hyacinthus
Hyacinthus
O quanta res, diligere si Hyacinthum potes!
Das wäre groß, wenn Hyacinth du lieben kannst!
Zephyrus
Zephyrus
(Heu! nunc amatum Apollo mihi puerum rapit!)
(O weh! Jetzt nimmt Apollo mir den Liebsten fort!)
Oebalus
Oebalus
Dies beata! – numen o sanctum! meos,
O Glückstag! O du heilger Gott! Mein ganzes Haus,
manere si dignaris, ingredere Lares,
wenn du in ihm verweilen willst, nimmt gern dich auf.
diuque me rogante, nobiscum mane.
Tritt ein, ich bitte dich, und bleibe lang bei uns.
Apollo
Apollo
Habebis in me, crede, tibi facilem deum.
Glaub mir, ein lieber Gott werd ich dir immer sein.
Iam pastor Apollo
Bald hüt’ ich Apollo
custodio greges,
als Hirte die Herden,
nixus et baculo vigilans sto;
schütze die Tiere gestützt auf den Stab;
iam pascere nolo
Bald lass’ ich die Weiden,
et visito reges,
besuche die Höfe,
iam medicinas mortalibus do.
bald geb’ als Arzt ich den Menschen Arznei.
Moestos levare,
Trauer zu lindern,
aegros iuvare
Krankheit zu mindern,
est sola tangens Apollinem res:
liegt einzig Apollo, dem Gotte, im Sinn.
hinc me manente,
Lass mich hier bleiben,
vobis favente
euch zu begnaden.
rex omni rege beatior es.
Dann war kein König je glücklich wie du.
ACTUS I
I. AKT
Croesus ad instantes redituro filio nuptias omnia parans sinistro inprimis omine, dein infausto Atys ab Adrasto peremti nuntio territus, ex reducti nati vulnere in summum coniicitur dolorem.
Croesus ist mit den Vorbereitungen zur unmittelbar bevorstehenden Hochzeit des zurückkehrenden Sohns Atys beschäftigt, wird aber zuerst durch ein widriges Vorzeichen, sodann durch die Unglücksbotschaft von der Tötung seines Sohnes Atys durch Adrast in Schrecken versetzt, und durch den Anblick der Wunde des zurückgebrachten Sohnes von tiefstem Schmerz efüllt.
ACTUS II
II. AKT
Rege partim dolore peremti filii et procerum stimulis ad vindictam, partim amore erga Adrastum et Mandanae ac Olynti precibus ad clementiam propendente, Pharnaspes omnium maxime Adrasti subplicium urget.
Während der König, durch den Schmerz über den Tod seines Sohnes und von den Vornehmen angestachelt, einerseits zur Bestrafung hinneigt, andererseits durch seine Liebe zu Adrast und durch die Bitten Mandanas und Olynthus zur Milde, fordert Pharnaspes am schärfsten von allen Adrasts Bestrafung.
CHORUS I
CHORUS I
Apollo propter necem Hyacintho illatam Oebali regia discedere iubetur.
Wegen des an Hyacinthus verübten Mords wird Apollo aus dem Königspalast des Oebalus ausgewiesen.
Oebalus, Melia, Apollo, Zephyrus.
Oebalus, Melia, Apollo, Zephyrus.
Oebalus
Oebalus
Amare numquid filia, haud dubito, deum,
Ich zweifle, Tochter, keineswegs, dass du den Gott,
favore qui ter dignus est nostro, potes?
der dreimal unsre Gunst verdient hat, lieben kannst.
Melia
Melia
Quid loquere pater? – Apollo mortalem sibi
Was sagst du, Vater? Hätte sich Apollo mich,
me coniugali cupiat adiungi thoro?
die Sterbliche, zu ehelichem Bett erwählt?
Oebalus
Oebalus
Dubitare noli, Apollo te sponsam petit,
Nein, zweifle nicht: Apollo möchte dich zur Braut.
meumque, libertate sed nata utere
Entscheide, Tochter frei! Ich für mein Teil gab ihm,
tua, roganti placidus adsensum dedi.
da er mich bat, das väterliche Jawort gern.
Melia
Melia
Negare num me genitor! adsensum putes?
Wie könnt’ ich, Vater, mich zum Jawort nicht verstehn!
Quae virgo contemsisse divinum virum
Verwirrt und töricht wäre jedes Mädchen wohl,
tantosque honores, stulta nisi et animi impotens
das einen Gott zum Ehemanne sich verschmäht
fuerit, et obstitisse fortunae velit?
und solchen Ehren, solchem Glück sich schnöd versagt.
Oebalus
Oebalus
Prudenter istud nata! coniugium eligis;
Gar weise, Tochter, wählst du diese Ehe dir.
sic namque per te frater et genitor tuus,
So kommt durch dich ja auch zu göttergleichem Glück
sic et nepotes sorte divina eminent,
dein Bruder und dein Vater und die Enkelschar.
sic nostra diva efficitur his facibus domus.
Von eurer Fackel strahlt in Götterglanz das Haus.
Melia
Melia
Dic, ubi moratur Apollo? – colloquio illius
Doch sag, wo weilt Apollo? Wie so liebend gern
o ut liceret optimo actutum frui!
möcht’ ich alsbald mit ihm mich des Gesprächs erfreun!
Oebalus
Oebalus
Cum fratre disco ludit et Zephyro simul
Er übt mit deinem Bruder sich und Zephyrus
in nemore. At huc redibit, ut spero, citus,
im Diskuswurf. Doch bald, hoff ich, kehrt er zurück
tuumque me praesente consensum petet.
vom Wald und bittet um dein Jawort hier vor mir.
Melia
Melia
O petat! habebit omne, quod pectus cupit.
O ja! Und alles geb ich ihm, was er begehrt.
Laetari,
Scherzen
iocari,
von Herzen
fruique divinis honoribus stat,
und göttlicher Ehren mich dankbar erfreun!
dum Hymen optimus
Hymen im Fackelglanz
taedis et floribus
windet den Blütenkranz,
grata,
glücklich
beata
und selig
connubia iungit et gaudia dat.
das Band, das er knüpft zu erfreulichem Bund.
Iam diva vocabor,
Des Gottes Geliebte
si numen amabo;
heiß selber ich Göttin,
per astra vagabor
ich wandre durch Sterne
et nubes calcabo;
und trete auf Wolken.
et urbes, et regna devoveant se,
Und Städte und Reiche ergeben sich mir;
et fauni adorent, et satyri me.
und Faune und Satyrn, sie huldigen mir.
(Accedit Zephyrus.)
(Zephyrus tritt hinzu.)
Zephyrus
Zephyrus
Rex! de salute filii est actum; iacet
König! Zu Ende ist das Leben deines Sohns,
Hyacinthus!
Hyacinthus.
Oebalus
Oebalus
Heu me! nuntium o tristem nimis!
Weh! welch schlimme Botschaft bringst du mir?
Qua morte cecidit?
Sag, welchen Todes?
Zephyrus
Zephyrus
Ictus a disco ruit.
Tödlich traf ein Diskus ihn.
Oebalus
Oebalus
Quis filium occidisse non timuit meum?
Und wer vergriff so keck sich an des Königs Sohn?
Zephyrus
Zephyrus
Apollo.
Apollo.
Oebalus
Oebalus
Contremisco!
Ich erzittre.
Melia
Melia
Superi! quid? Deus,
Götter, wie? Der Gott,
qui me beare voluit, hic fratri necem
Der mich beglücken wollte, hätte listig selbst
sit machinatus? Ista quis credat tibi?
des Bruders Mord geplant? Wer glaubt dir diese Mär?
Zephyrus
Zephyrus
Vera loquor, et testis ego pereuntis fui.
Wahr ist’s! Ich selber war der Zeuge seines Tods.
Vix lapsus est Hyacinthus, aufugi, malum
Kaum stürzte Hyacinthus, floh ich rasch, damit
ne simile feriat forsan et nostrum caput.
nicht gleiches Unglück träfe auch mein eignes Haupt.
Oebalus
Oebalus
Sic ergo plectis numen innocuos? – Favor,
O Gott, so also strafst du schuldlos uns und lohnst
quo te recepi, morte num nati unici
des Gastfreunds Liebe mit dem Tod des einzgen Sohns?
dignus erat? – Ergo Meliam et natam quoque
Verdient’ ich dies? Da plantest du wohl, falscher Gott,
surripere patri numen o falsum paras?
auch noch den Raub der Tochter, meiner Melia?
Melia
Melia
O absit a me genitor! ut sponsum eligam,
Mein Vater, das sei fern, dass ich zum Bräutigam
deoque, qui cruore germani madet,
den Gott erwähle, den des Bruders Blut befleckt!
nuptura porrexisse praesumam manus.
Nie reich’ ich ihm zum Hochzeitsbunde meine Hand.
Zephyrus
Zephyrus
(Quid audio? an coniugia meditatur deus?
(Was hör’ ich? Selbst an Ehe gar denkt dieser Gott,
An Meliam et rapuisse mihi amatam cupit? –
dass auch die liebste Melia er mir entreißt!
Qui rapuit Hyacinthi, anne et istius mihi
Einst stahl er mir die Liebe Hyazinths, jetzt stiehlt
rapiet amorem?)
er mir auch deren Liebe.)
Oebalus
Oebalus
Zephyre! quae causa improbum
Sag mir, welcher Grund
adegit hoc ad facinus?
trieb diesen Bösewicht zur Tat?
Zephyrus
Zephyrus
Haud ullam scio.
Ich weiß ihn nicht.
Natus ad amoenum litus Eurotae stetit,
Am schönen Ufer des Eurotas stand dein Sohn,
discumque metae proximum adspiciens, meus
sah, dass sein Diskus nächst der Marke war und rief:
clamabat, ecce discus est vestro prior,
„Mein Diskus tat’s zuvor dem Euren, denn er traf
metamque tetigit. Apollo tum discum iacit,
direkt ins Ziel.“ Da wirft den Diskus Gott Apoll
loquentis et propellit in pueri caput,
und trifft den Kopf des Knaben, der noch eben spricht,
quo laesus iste pronus in terram ruit.
dass der verwundet vorwärts auf die Erde stürzt.
Non dubito, quin extinctus hoc disci impetu
Und ohne Zweifel hat die Wucht des Diskus ihn
perierit.
getötet.
Oebalus
Oebalus
An sic furere non dubitat deus,
So denn wütet ohne Scheu der Gott,
ut sibi benignum privet et prole Oebalum?
nimmt seinem Gastfreund Oebalus auch noch das Kind.
Exesse regno numen invisum mihi
Mir und den Meinen ist verhasst er. Aus dem Reich
meisque iubeo. Zephyre! fac pellas reum,
verbann ich ihn. Du, Zephyrus, vertreib den Schuft,
maiora ne, vel plura mihi damna inferat.
damit er nicht noch ärgern Schadens Ursach’ wird.
Zephyrus
Zephyrus
Rex! regna tua sunt: ipse tu pelle impium.
Dein, König, ist das Königreich. Vertreib ihn du!
Tu morte nati laesus es. Timeo deum,
Dich traf des Sohnes Tod. Mich ängstigt dieser Gott.
qui fulmen hoc torqueret in nostrum caput.
Wie leicht träf’ er auch mich mit solcher Blitzgewalt.
(Expellat utinam! noster ut possit dolus
(Ja, soll er ihn vertreiben! So bleibt meine List
latere; nam caedis ego sum factae reus!)
verborgen. Denn ich selber ja beging den Mord.)
Oebalus
Oebalus
Abibo. Vos manete! Si veniat deus
Ich gehe. Ihr bleibt hier! Und kommt der Gott zu euch,
ad vos, abire nata! crudelem iube.
so jage, Tochter, du den Grausamen davon.
Ad litus Eurotae ibo, num vivat, meum
Ich geh zum Ufer des Eurotas, meinen Sohn
videre natum. Forsan occurret mihi
zu sehn, ob er noch lebt. Mag sein, dass mir Apoll,
Apollo, regnis numen exosum meis.
der Gott, begegnet, der verhasst ist meinem Reich.
(Abit.)
(Geht ab.)
Zephyrus
Zephyrus
(Succedit ad mea vota, succedit dolus,
(Wie gut geht alles mir nach Wunsch, die List gelingt,
meliaque me dilecta nunc coniux manet.)
Und Melia, die Liebste, wird nun bald mein Weib.)
Melia
Melia
Non capio, cur Apollo ne laesus quidem
Ich fass’ es nicht: Apollo wurde doch durch nichts
necarit unice ante dilectum sibi
gekränkt - und dennoch mordete er Hyacinth,
Hyacinthum. Amare qui sororem me queat,
den er zuvor so liebte. Und wie kann er mich,
si fratris ante polluat fato manus?
die Schwester lieben, blutig von des Bruders Mord?
Zephyrus
Zephyrus
Dilecta! ne mirare, quod tantum scelus
Geliebte! Staune nicht, dass solche Freveltat
Apollo perpetrarit; haud nosti impium:
Apoll verübt. Du kennst ihn nicht, den Bösewicht:
astutus est, crudelis, inconstans, levis;
Gerissen ist er, grausam, leicht und launenhaft.
hinc exulare iussus est coelis, suo
Drum wurde er verbannt vom Himmel, dass er nicht
furore ne turbaret unanimes deos.
der Götter Eintracht störe durch sein Ungestüm.
Melia
Melia
Meliora credidisse de tanto deo
Vernunft gebietet, dass von einem solchen Gott
mens dictat. (Ast incertus est animus tamen,
ich nicht so Schlimmes glaube. (Doch ich bin verwirrt,
timorque spesque pectore alternant vices.)
und Furcht und Hoffnung wechseln ab in meiner Brust.)
Zephyrus
Zephyrus
Melia! quid animo volvis? ah sponsum abiice,
Was grübelst du noch, Melia? Dein Bräutigam
cuius cruore dextra fraterno calet,
hat heiße Hände noch vom Blut des Bruders - drum
Zephyrumque, cuius ipsa sat nosti fidem,
verstoß ihn und beglücke Zephyrus – du weißt,
amore, quo beatus efficiar, bea.
wie treulich er dir dient - mit deiner Liebe Huld.
Melia
Melia
Nunc fata fratris cogito, haud Zephyri faces.
Jetzt denk ich an des Bruders Tod, nicht Zephyrs Glut.
Zephyrus
Zephyrus
O dura! num sprevisse sic Zephyrum potes?
Wie kannst du nur so grausam Zephyrus verschmähn?
En! duos conspicis:
Zwei Männer siehst du hier,
amantem et nocentem,
den liebenden, den bösen,
iuvantem et furentem;
den rasenden, den guten.
cui manum porrigis?
Wem reichst du deine Hand?
Apollo te necabit:
Apollo wird dich töten,
at Zephyrus amabit.
doch Zephyr wird dich lieben.
Fraterno qui dexteram tinxit cruore,
Der Mörder des Bruders mit blutigen Händen
tentabit in tenera plura sorore:
wie wird er die zartere Schwester erst quälen!
quem prudens eligis?
Mit Klugheit triff die Wahl!
Heu! numen! ecce! numen huc gressum movet;
Weh mir! Dort, sieh, mit raschem Schritte naht der Gott.
Melia quid agimus? indica effugii locum!
Was tun wir, sags mir, Melia! Wo flieh ich hin?
Timeo ferocem.
Ich fürchte den Verwegnen?
Melia
Melia
An ergo me solam obiicis?
Mich setzt du ihm aus?
Subsiste! num iactata sic perstat fides?
Bleib stehn! Sieht so die Treue aus, der du dich rühmst?
Zephyrus
Zephyrus
Ne patere, quaeso, ut noceat insonti deus!
Ach, lass nicht zu, dass schuldlos mich der Gott betraft!
(Accedit Apollo.)
(Apollo tritt hinzu.)
Apollo
Apollo
Adesne latro! fraudis infandae artifex!
Da bist du, Räuber, du verruchter Ränkeschmied!
Hyacinthum amicum rapere non fuerat satis?
Wars nicht genug, dass Hyacinth du mir geraubt?
rapuisse sponsam numquid et nostram simul
Nun willst mit ihm zusammen du mir auch die Braut
sceleste! tentas? Crimen et mendax novis
noch stehlen? Willst du immer neue Frevel auf
criminibus auges? Impie! iratum tibi
den alten häufen. Bösewicht! Erfahre denn,
quid possit, experire, iam numen modo!
was gegen dich der Gott in seinem Zorn vermag!
Amantis et nocentis, et iuste quidem
Er liebt, und er ist böse, und mit vollem Recht
nocentis experire vindictam dei!
ist er dir böse: Seine Rache spüre nun!
Irruite venti! claude sceleratum specu
Stürmt her ihr Winde! Den Verbrecher, Aeolus,
Aeole!
sperr ein in deiner Höhle!
Zephyrus
Zephyrus
Quid? heu me!
Weh mir!
(Zephyrus in ventum mutatus abripitur.)
(Zephyrus in einen Wind verwandelt wird fortgerissen.)
Melia
Melia
Quid agis o numen grave!
Schlimmer Gott!
Funeribus an replere vis regnum patris?
Füllst du mit Leichen meines Vaters Königreich!
Iam fratre caeso occidis et Zephyrum simul?
Du tötetest den Bruder, tötest Zephyrus:
Tyranne! nunc et Meliam et regem obprimes?
Tyrann, nun planst du Melias und des Königs Tod?
Apollo
Apollo
O cara!
O Liebe!
Melia
Melia
Quid? vocasse me caram audes?
„Liebe“ mich zu nennen wagst du noch!
Cruente!
Grausamer!
Apollo
Apollo
Me percipere si non sit grave – – –
Hör mich bitte an, wenn’s dir beliebt …
Melia
Melia
Est grave, tace! atque nostra, sic genitor iubet,
Schweig, nichts beliebt! Und, wie der Vater es befiehlt,
illico relinque regna, ne noceas magis!
dass du nicht weitern Schaden tust, verlass dies Reich!
Apollo
Apollo
(Ah! pone tandem fulmen o superum pater!
(O Göttervater, endlich lass die Hand vom Blitz!
Quousque persequetur hic miserum furor?)
Wie lange setzt mir Armem deine Wut noch zu?)
Melia
Melia
Discede
Entweiche
crudelis!
du Böser!
Gaudebo, tyrannus si deserit me!
Geht erst der Tyrann, o wie freue ich mich!
Vah! insolentem,
Er tritt mit Füßen
qui violat iura!
Gesetze und Rechte!
Discede! discede! nam metuo te.
Entweiche, entweiche! Wie fürchte ich dich!
Apollo
Apollo
Est, crede!
O glaub mir,
fidelis,
voll Treue,
est mitis Apollo, qui deperit te.
voll Güte der Gott ist. Wie liebt dich Apoll!
Quid? innocentem
Verstößt du grausam
sic abicis dura!
den schuldlosen Ärmsten?
Sic perdis amicum, si reicis me.
Du tötest den Freund: Verschmähe mich nicht!
(Abit Melia.)
(Melia geht.)
Apollo solus
Apollo (allein).
Quem coeli premunt inopem,
So soll ich, den der Himmel jagt,
an terris agat exsulem?
auf Erden auch Verbannter sein?
Manebo!
Ich bleibe -
Quousque resederit dira
bis dass sich das schreckliche Wüten
quae pectora sauciat ira,
im zornigen Herzen gelegt hat -
latebo.
verborgen!
ACTUS III
III. AKT
Pharnaspes dolo Adrastum perditurus, dum Mandana cum Olynto fratrem servare conatur, Croesum, sceleris patrati causa et culpa in sororem quoque et filium Adrasti subdole coniecta, ad vindictam exagitat; suam interea operam miseris addicente Clitandro.
Pharnaspes, der durch Hinterlist Adrast verderben will, während Mandana mit Olynthus den Bruder zu retten versucht, stachelt Croesus zur Rache auf, indem er heimtückisch Ursache und Schuld an dem vollbrachten Verbrechen auch auf die Schwester und den Sohn des Adrasts schiebt; inzwischen sagt aber Clitander den Verzweifelten seine Hilfe zu.
ACTUS IV
IV. AKT
Pharnaspe de successu doli laeto, Mandana cum Clitandro agens fratrem neci subtrahere fatagit, sed conatu irrito.
Während Pharnaspes über den Erfolg seiner Hinterlist frohlockt, betreibt es Mandana mit Clitander bis zur Erschöpfung, den Bruder dem Tode zu entreißen; sie hat aber mit ihren Versuchen keinen Erfolg.
CHORUS II
CHORUS II
Oebalus, cognita Apollinis innocentia, hunc benigne recipit, eique filiam coniugem tradit.
Nachdem Oebalus erfahren hat, dass Apollo unschuldig ist, nimmt er ihn gütig auf und gibt ihm seine Tochter zur Frau.
Oebalus, Melia, Apollo, Hyacinthus.
Oebalus, Melia, Apollo, Hyacinthus.
Hyacinthus
Hyacinthus
Non est. –
Nicht er …
Oebalus
Oebalus
Quis ergo nate! dic, si patrem amas,
Wer also, sag’s, wenn du den Vater liebst:
quis te peremit?
Wer schlug dich?
Hyacinthus
Hyacinthus
Zephyrus; – heu me! – si – deus –
Zephyrus … weh mir! … Wär nur … der Gott …
adesset! –
zur Stelle! …
Oebalus
Oebalus
Heu, iam moritur! –
Weh! schon stirbt er! …
Hyacinthus
Hyacinthus
O Pater! – Pater!
Vater … Vater mein!
mors – est – acerba!
Der Tod … ist … bitter!
Oebalus
Oebalus
Nate!
Sohn!
Hyacinthus
Hyacinthus
Ge-nitor! – Ah! vale! –
Mein Vater! … Ah! … Leb wohl!
(Moritur.)
(Er stirbt.)
Oebalus
Oebalus
Hyacinthe! – nate! – vixit – exanimis iacet! – –
Hyacinthus! … Sohn! … Sein Leben schwand … er liegt entseelt! –
"Apollo", dixit, "innocens est, o pater!"
„Unschuldig ist Apollo, Vater“, sagte er.
"Crede mihi, non est; Zephyrus est auctor necis."
„Glaub mir, dass nicht Apoll, dass Zephyrus den Mord
Sic ergo mecum Zephyre ter mendax! agis?
beging.“ – Du Lügner, Zephyrus, was tust du mir!
Sic numen ipsum sceleris et tanti reum
Die Gottheit selbst bezichtigst du der Schreckenstat
arguere, sic me fallere haud regem times?
und täuschest mich, den König, so mit Lug und Trug!
Cruente! faxim crimen hoc proprio luas
Das grausame Verbrechen büßt du mir, ich schwör’s.
cruore! – Mortem filii an inultus feram?
mit deinem Blut. Nicht ungesühnt bleibt dieser Mord.
Ut navis in aequore luxuriante
Gleich wie in den tobenden Wellen des Meeres
per montes, per valles undarum iactatur,
das Schiff über Berge und Täler gejagt wird,
et iamiam proxima nubibus stat,
und bald zur Nähe der Wolken sich hebt
et iamiam proxima tartaro nat;
und bald zur Tiefe des Tartarus sinkt,
sic bilis a pectore bella minante
so wütet aus brausender Brust mir die Galle
per corpus, per venas, per membra grassatur:
und tobt durch den Leib, durch die Adern und Glieder:
furore sublevor;
Die Wut erhebt mich hoch,
dolore deprimor.
zur Tiefe drückt der Schmerz.
Ira, vindicta conglomerant se,
Rache und Zorn in vereinigter Kraft
atque quassare non desinunt me.
schütteln das Herz mir und lassen nicht ab.
(Accedit Melia.)
(Melia tritt auf.)
Melia
Melia
Quocumque me converto, crudelis dei
Wohin ich mich auch wende, muss ich dieses Gotts
monumenta detestanda conspicio. Prius
furchtbare Spuren sehen. Erst erblickt’ ich, wie
perire Zephyrum videram et fratrem modo
Zephyr zu Tode kam, jetzt muss den Bruder ich
video natare sanguine insontem suo.
schuldlos getötet schwimmen sehn im eignen Blut.
Oebalus
Oebalus
Quid comite nullo filia huc infers pedem?
Was kommst du unbegleitet hier an diesen Ort?
An latro iamiam fugit?
Entfloh er schon, der Räuber?
Melia
Melia
Hunc iussi illico
Ihm befahl ich selbst
vitare nostra regna; nam caedem improbus
aus unserm Reiche stracks zu fliehen, als der Gott
nova gravare caede non timuit deus.
die alte Bluttat krönte mit dem neuen Mord.
Oebalus
Oebalus
Quid loquere? caedem nata! quam narras novam?
Was sagst du, Tochter? Bluttat? Welcher neue Mord?
Melia
Melia
O rex! amicum rapuit, et Zephyrum quidem,
O König, meinen Freund entrafft’ er, Zephyrus:
ventisque me vidente lacerandum dedit.
Ich sah es selber, wie die Winde ihn zerfetzt.
Oebalus
Oebalus
O iustus est Apollo, dum plectit scelus,
O wie gerecht Apollo ist, dass er die Tat
quod imputavit perfidus et atrox deo
bestraft, die Zephyrus, der Frevler, voller Trug
Zephyrus! Hic auctor, filia! est factae necis.
andichtete dem Gott! Denn er beging den Mord
Non est Apollo: Zephyrus in fratrem tuum
und nicht Apollo. Zephyr lenkte ohne Scheu
discum agere non dubitavit.
den Diskus auf den Bruder.
Melia
Melia
Unde autem pater!
Vater, wie? Woher
haec nosse poteras?
kannst du das wissen?
Oebalus
Oebalus
Natus haec retulit mihi,
Selber sagte mir’s der Sohn,
nam vivus est inventus a nobis. Meis
als ich ihn immer noch am Leben fand. Er starb
extinctus est in manibus.
ja erst in meinen Händen.
Melia
Melia
Heu me! quid? pater!
Weh mir, Vater, wie!
quid ergo regno exisse iussisti deum?
Was jagte dein Befehl dann aus dem Reich den Gott?
Oebalus
Oebalus
Filia! dolore motus et Zephyri dolis
O Tochter, nur der Schmerz war’s und die böse List
delusus id iussisse me memini. Impium
des Zephyrus, die mich betrog, ich weiß. Wer nur
quis tale sibi timuisset a Zephyro scelus?
gewärtigte von Zephyrus sich solcher Tat?
Melia
Melia
O genitor! omnes perditi iamiam sumus!
O Vater, nunmehr sind wir allesamt dahin.
Discessit, heu! discessit a nobis deus!
Der Gott verließ uns - weh, dass uns der Gott verließ!
O crede, non inultus id probrum feret.
Glaub mir, er lässt die Schmach nicht ohne Strafe sein.
Oebalus
Oebalus
Quid? nata! discessisse iam numen putas?
Wie, Tochter? Wäre denn der Gott bereits entflohn?
Melia
Melia
Nil dubito; namque exire de regno tuo
Gewiss. Ich selbst befahl Apollo ja, dass er
Apollinem ipsa, linquere et nostros Lares
dein Königreich verlasse und dies Königshaus.
iussi. O ut hunc revocare nunc possem deum!
O könnt ich doch zurück ihn rufen, diesen Gott!
Oebalus
Oebalus
Heu! fata quam sinistra nos hodie obruunt!
Weh! Welches finstere Geschick verfolgt uns heut!
Natus cadit,
Tod des Sohnes,
atque deus
und des Gottes –
me nolente,
nimmer wollt ich’s,
nesciente
nimmer wusst ich’s –
laesus abit.
bittre Kränkung.
Regnum sine numine
Dieses Reich geht bald zugrund,
iam non diu stabit:
wenn der Gott ihm fern ist.
numen! quaeso, flectere,
Gott, o Gott, ich bitte dich,
et ad nos revertere!
kehre doch zurück zu uns!
Melia
Melia
Frater cadit,
Tod des Bruders,
atque meus
mein Verlobter –
te iubente,
du befahlst es,
me dolente
ich beklag es –
sponsus abit.
ist entflohen.
Sponsa sine complice
Ohne Bräutigam die Braut,
quaeso, quid amabit?
wen nur soll sie lieben?
Noli sponsam plectere!
Strafe nicht die arme Frau,
Numen! ah! regredere!
Gott, ach kehr zurück zu uns!
(Accedit Apollo.)
(Apollo tritt hinzu.)
Apollo
Apollo
Rex! me redire cogit in Hyacinthum amor.
Aus Liebe nur zu Hyacinth kehr ich zurück,
Ignosce, quod numen ego tua regna audeam
mein König. Darum wage ich’s, verzeih, dein Reich
praesens beare! Disce, quid numen queat!
zu segnen durch mein Kommen. Sieh des Gottes Macht:
Hyacinthe surge! funus et flore aemulo
Erheb dich, Hyacinthus! Und den toten Leib
nomenque praeferente defuncti tege.
bedecke mit der Blume, die dein Name schmückt.
(Subsidens cum funere tellus hyacinthos flores germinat.)
(Die Erde mit dem Leichnam sinkt nieder und lässt Blumen sprießen.)
Oebalus
Oebalus
Quid video? – Surrexisse de nato meo
Was seh ich? Blumen seh ich, die aus meinem Sohn
conspicio flores? –
zur Höhe wachsen?
Melia
Melia
Numen o nimium potens!
O du übermächt’ger Gott!
Pudore me suffusa profiteor ream.
Voll Scham bekenne ich dir meine schwere Schuld.
Ad verba Zephyri, patris ad iussa omnia,
Es reut mich, was ich tat, doch tat ich alles nur,
fecisse quae me poenitet, feci.
weil Zephyr trog, der Vater mir’s befahl.
Oebalus
Oebalus
Optime
O Gott,
parce deus! ignarus ego, quis fuerit necis
verschone mich! Ich wusste nicht, wer diesen Mord
auctor patratae, pessimo Zephyro fidem
verübt hat, glaubte diesem Schurken Zephyrus,
habui, meumque credidi natum tua
dass dich ich für des Sohnes Meuchelmörder hielt.
periisse fraude. Zephyrus o quanta improbus
Ach wie so großes Leiden brachte Zephyrus
induxit in regna mea, ni parcas, mala!
in unser Reich – wenn du uns nicht verschonen willst!
Melia
Melia
O numen! haud fuisse contemptum putes;
O Gott, nicht aus Verachtung gegen dich geschah’s.
abire quod te iusserim, imprudens fui
Unwissend war ich, als ich dich des Lands verwies,
credulaque nimium, et ira mihi verba abstulit,
und unbesonnen gläubig; meines Bruders Tod
quae de dolore fratris occisi meant.
riss mich im bittren Zorn zu solcher Schelte hin.
Apollo
Apollo
Confide rex! Apollo non fugiet tua
Sei nur getrost. Apollo wird dein Reich nicht fliehn.
regna. Manet, et manebit heic tecum, fide
Er bleibt und bleibt bei dir, mein König, wenn du nur,
iam stare si promissa demonstres tua.
was einstmals du versprochen, treulich ihm erfüllst.
Oebalus
Oebalus
Intelligo. Ecce nata! te sponsam deus
Ja, ich verstehe. Siehst du, Tochter, er geruht,
dignatur elegisse.
zur Braut dich zu erwählen.
Melia
Melia
Num credam deum
Glaub ich’s? Kann der Gott
amare posse Meliam?
denn Melia auch lieben?
Apollo
Apollo
O crede! ipsemet
Glaube mir, sogar
Iupiter amare saepe mortales solet;
Gott Jupiter freit öfter um ein Menschenweib.
amare namque convenit tantum diis;
Zu lieben ist der Götter Werk, doch eures ist’s,
vobis amari.
die Liebe zu erwidern.
Melia
Melia
Numen! en famulam, suo
Gott, sieh deine Magd,
quae pro parente pectus hoc offert tibi.
die dir ihr Herz an Statt des Vaters willig schenkt.
Oebalus
Oebalus
En! si placere sponsa mortalis potest,
Hier, diese Braut ist sterblich. Wenn sie dir gefällt,
Apollo! nostra filiam adductam manu
Apollo, nimm sie hin. Des Vaters Hand führt sie
accipe, meoque semper in regno mane.
dir zu. Und bleibe immerdar in meinem Reich.
Hyacinthus obiit: alter Hyacinthus mihi
Hyacinthus starb. Ein neuer Hyacinthus wirst
eris, manere filia hac factus gener
du nun mir sein und durch mein Kind mein Schwiegersohn,
regione si digneris in nostra.
wenn dir’s beliebt in unsern Grenzen.
Apollo
Apollo
Oebale!
Oebalus,
accipio laetus Meliae oblatae manum,
mit Freuden nehm ich Melias Hand, die sie mir reicht
rebusque semper placidus adsistam tuis.
stets werd ich dir und deinem Reich gewogen sein.
Melia
Melia
Iustitia sic tua deus elucet magis.
So strahlt aus dir die göttliche Gerechtigkeit.
Oebalus
Oebalus
Sic innocentem debita haud merces fugit.
So wird die Unschuld nicht um ihren Lohn gebracht.
Apollo
Apollo
Sic saecla te futura clementem sonent.
Und deine Güte ist der Nachwelt noch ein Lied.
Apollo
Apollo
Tandem post turbida
Endlich nach wütenden,
fulmina,
wetternden,
nubila
blitzenden
Tonantis murmura
Donnern des Jupiter
pax alma virescit et explicat se.
grünt endlich der Friede und blüht und gedeiht.
Melia
Melia
Post vincla doloris
Nach schmerzlichen Banden …
Oebalus
Oebalus
Post bella furoris
Nach rasendem Toben …
Apollo
Apollo
Post monstra pavoris
Nach grässlichen Schrecken …
Oebalus, Apollo et Melia
Oebalus, Apollo, Melia
vos|nos iungit amabile pignus amoris.
Vereint euch|uns der Liebe entzückendes Pfand.
Omnes
Post fata
Nun kam das …
Apollo
Apollo
sperata
Erhoffte,
Melia
Melia
beata
Ersehnte,
Oebalus
Oebalus
optata
Erflehte.
Oebalus
Oebalus
vos taeda coronat et excitat me.
Nun kränzt euch die Hochzeit und hebt mir den Mut.
Apollo et Melia
Apollo, Melia
nos taeda coronet et erigat te.
Nun kränz’ uns die Hochzeit und mache dich froh.
ACTUS V
V. AKT
Rex ab Hystaspe mitior factus, novis autem per Pharnaspem et Datim facibus ad iram concitatus sorori, filio et ipsi denique Adrasto mortem decernit; a Megabaso tamen Pharnaspis dolum edoctus, Adrastum cum sorore et nato in gratiam denuo recipit.
Der König wird zwar durch Hystaspes milder gestimmt, aber von Pharnaspes und Datis in neu angefachter Glut zum Zorn fortgerissen, und beschließt für die Schwester und den Sohn, endlich selbst für Adrast den Tod; er wird aber von Megabasus über den Betrug des Pharnaspes genau unterrichtet und nimmt Adrast mit Schwester und Sohn von Neuem in Gnaden auf.

AUCTOR OPERIS MUSICI

Nobilis dominus Wolfgangus Mozart, undecennis filius nobilis ac strenui domini Leopoldi Mozart capellae magistri.

AUTOR DES MUSIKALISCHEN WERKES

Der edle Herr Wolfgang Mozart, elfjähriger Sohn des edlen und gestrengen Herrn Kapellmeisters Leopold Mozart.

PERSONAE IN MUSICA

Oebalus, Lacedaemoniae rex Ornatissimus ac doctissimus dominus Mathias Stadler, theologiae moralis et iurium auditor
Melia, Oebali filia Felix Fuchsex capella, in grammatica
Hyacinthus, Oebali filius Christianus Enzingerex capella, in rudimenta
Apollo, ab Oebalo hospitio exceptus Ioannes Ernstex capella
Zephyrus, Hyacinthi intimuus Iosephus Vonterthonex syntaxi
Sacrificulus Apollinis Primus Iosephus Bruendlex Poesi
Sacrificulus Apollinis Secundus Iacobus Moserex syntaxi


PERSONEN IN DER MUSIK

Oebalus, König von Lacedämonien Der ausgezeichnete und hochgelehrte Herr Matthias Stadler, Hörer der Moraltheologie und der Rechte
Melia, Tochter des Oebalus Felix Fuchs, Kapellknabe, aus der Grammatikklasse
Hyacinthus, Sohn des Oebalus Christian Enzinger, Kapellknabe, aus der Rudimentenklasse
Apollo, von Oebalus als Gastfreund aufgenommen Johann Ernst, Kapellknabe
Zephyrus, Vertrauter des Hyacinthus Joseph Vonterthon, aus der Syntaxklasse
Erster Oberpriester Apollos Joseph Bründl, aus der Poesieklasse
Erster Oberpriester Apollos Jakob Moser, aus der Syntaxklasse


PERSONAE IN ACTIONE

Croesus, Lydiae rex Antonius Pabmpichler
Atys, Croesi filius Ioannes Krueger
Adrastus, Midae filius in aula Croesi Nobilis Augustinus Preitenbach
Olynthus, Adrasti Filius Nobilis Mathias Ranftl
Mandana, Adrasti soror et sponsa Atys Franciscus Pichler
Megabasus Iosephus Forschner |
Hystaspes Antonius Hartmair | Proseres
Pharnaspes Bernardus Eder |
Datis Iosephus Mueller | Duces
Clitander Franciscus Prugger |
Philinto, Popa Mathaeus Flatscher
Dimnus, Croesi Ephebus Iudas Thaddaeus Moesl


PERSONEN IN DER HANDLUNG

Croesus, König von Lydien Anton Pampichler
Atys, Sohn des Croesus Johann Krüger
Adrastus, Sohn des Midas, am Hofe des Croesus Edler Augustin Breitenbach
Olynthus, Sohn des Adrastus Edler Matthias Ranftl
Mandana, Schwester des Adrastus und Braut des Atys Franz Pichler
Megabasus Joseph Forschner |
Hystaspes Anton Hartmair | Vornehme
Pharnaspes Bernhard Eder |
Datis Joseph Müller | Heerführer
Clitander Franz Prugger |
Philinto, Opferdiener Matthäus Flatscher
Dimnus, Edelknabe des Croesus Judas Thaddäus Mösl

U. I. O. G. D.Ut in omnibus glorificetur deus
Damit in allem Gott verherrlicht werde