Achter Auftritt
 
 
Pedrillo, Osmin.
 
 
Osmin
 
 
Ha! Geht's hier so lustig zu? Es muss dir verteufelt wohl gehen.
 
 
Pedrillo
 
 
Ei, wer wird so ein Kopfhänger sein; es kommt beim Henker da nichts bei heraus! Das haben die Pedrillos von jeher in ihrer Familie gehabt. Fröhlichkeit und Wein versüßt die härteste Sklaverei. Freilich könnt ihr armen Schlucker das nicht begreifen, dass es so ein herrlich Ding um ein Gläschen guten, alten Lustigmacher ist. Wahrhaftig, da hat euer Vater Mahomet einen verzweifelten Bock geschossen, dass er euch den Wein verboten hat. Wenn das verwünschte Gesetz nicht wäre, du müsstest ein Gläschen mit mir trinken, du möchtest wollen oder nicht. (für sich) Vielleicht beißt er an: Er trinkt ihn gar zu gerne.
 
 
Osmin
 
 
Wein mit dir? Ja Gift –
 
 
Pedrillo
 
 
Immer Gift und Dolch und Dolch und Gift! Lass doch den alten Groll einmal fahren und sei vernünftig. Sieh einmal, ein Paar Flaschen Zyperwein! – Ah – (Er zeigt ihm zwo Flaschen, wovon die eine größer als die andere ist.) die sollen mir trefflich schmecken!
 
 
Osmin
 
 
(für sich)
 
 
Wenn ich trauen dürfte?
 
 
Pedrillo
 
 
Das ist ein Wein! das ist ein Wein!
 
 
(Er setzt sich nach türkischer Art auf die Erde und trinkt aus der kleinen Flasche.)
 
 
Osmin
 
 
Kost einmal die große Flasche auch.
 
 
Pedrillo
 
 
Denkst wohl gar, ich habe Gift hineingetan? Ha! lass dir keine grauen Haare wachsen. Es verlohnte sich der Mühe, dass ich deinetwegen zum Teufel führe. Da sieh, ob ich trinke. (Er trinkt aus der großen Flasche ein wenig.) Nun, hast du noch Bedenken? Traust mir noch nicht? Pfui, Osmin! sollt'st dich schämen – Da nimm! (Er gibt ihm die große Flasche.) Oder willst du die kleine?
 
 
Osmin
 
 
Nein, lass nur, lass nur! Aber wenn du mich verrätst –
 
 
(sieht sich sorgfältig um)
 
 
Pedrillo
 
 
Als wenn wir einander nicht weiter brauchten. Immer frisch! Mahomet liegt längst auf'm Ohr und hat nötiger zu tun, als sich um deine Flasche Wein zu bekümmern.
 
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N° 14 Duetto
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Vivat Bacchus!
 
 
Bacchus lebe!
 
 
Bacchus war ein braver Mann!
 
 
Osmin
 
     
 
    Ob ich's wage? –
 
 
Ob ich's trinke?
 
 
Ob's wohl Allah sehen kann?
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Was hilft das Zaudern?
 
 
Hinunter, hinunter!
 
 
Nicht lange, nicht lange gefragt!
 
 
Osmin
 
 
(Er trinkt.)
 
     
 
    Nun war's geschehen,
 
 
nun war's hinunter;
 
 
das heiß ich, das heiß ich gewagt!
 
 
Beide
 
     
 
    Es leben die Mädchen,
 
 
die Blonden, die Braunen,
 
 
sie leben hoch!
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Das schmeckt trefflich!
 
 
Osmin
 
 
Das schmeckt herrlich!
 
 
Beide
 
 
Ah! das heiß ich Göttertrank!
 
     
 
    Vivat Bacchus!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat Bacchus,
 
 
Bacchus lebe!
 
 
Bacchus, der den Wein erfand!Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Vivat, der den Wein erfand.
 
 
Pedrillo
 
 
Wahrhaftig, das muss ich gestehen, es geht doch nichts über den Wein. Wein ist mir lieber als Geld und Mädchen. Bin ich verdrüßlich, mürrisch, launisch: Hurtig nehm ich meine Zuflucht zur Flasche; und kaum seh ich den ersten Boden, weg ist all mein Verdruss! – Meine Flasche macht mir kein schiefes Gesicht wie mein Mädchen, wenn ihr der Kopf nicht auf dem rechten Flecke steht. Und schwatzt mir von Süßigkeit der Liebe und des Ehestands, was ihr wollt: Wein auf der Zunge geht über alles!
 
 
(Osmin fängt bereits an, die Wirkung des Weins und des Schlaftrunks zu spüren, und wird bis zu Ende des Auftritts immer schläfriger und träger; doch darf's der Schauspieler nicht übertreiben und muss nur immer halb träumend und schlaftrunken bleiben.)
 
 
Osmin
 
 
Das ist wahr – Wein – Wein – ist ein schönes Getränke; und unser großer – Prophet mag mir's nicht übel nehmen – Gift und Dolch! es ist doch eine hübsche Sache um den Wein! – Nicht – – Bruder Pedrillo?
 
 
Pedrillo
 
 
Richtig, Bruder Osmin, richtig!
 
 
Osmin
 
 
Man wird gleich so – munter (Er nickt zuweilen.) so vergnügt – so aufgeräumt – – Hast du nichts mehr, Bruder?
 
 
(Er langt auf eine lächerliche Art nach einer zwoten Flasche, die Pedrillo ihm reicht.)
 
 
Pedrillo
 
 
Hör du, Alter: Trink mir nicht zu viel; es kommt einem in Kopf.
 
 
Osmin
 
 
Trag doch keine – Sorge, ich bin so – so – nüchtern wie möglich – Aber das ist wahr – (Er fängt an, auf die Erde hin und her zu wanken.) es schmeckt – – vortrefflich! –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Es wirkt, Alter; es wirkt!
 
 
Osmin
 
 
Aber verraten musst du mich nicht – Brüderchen – verraten – denn – wenn's Mahomet – – nein, nein – der Bassa wüsste – – denn siehst du – – – liebes Blondchen – – ja oder nein! – –
 
 
Pedrillo
 
 
(für sich)
 
 
Nun wird's Zeit, ihn fortzuschaffen! (laut) Nun komm, Alter, komm, wir wollen schlafen gehn!
 
 
(Er hebt ihn auf.)
 
 
Osmin
 
 
Schlafen? – Schämst du dich nicht? – – Gift und Dolch! Wer wird denn so schläfrig sein – es ist ja kaum Morgen –
 
 
Pedrillo
 
 
Hoho, die Sonne ist schon hinunter! – Komm, komm, dass uns der Bassa nicht überrascht!
 
 
Osmin
 
 
(im Abführen)
 
 
Ja, ja – – eine Flasche – guter – Bassa – geht über – – alles! – Gute Nacht – – Brüderchen – gute Nacht. –
 
 
(Pedrillo führt ihn hinein, kommt aber gleich wieder zurück.)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Pedrillo, hernach Belmonte, Konstanze, Blonde.
 
 
Pedrillo
 
 
(macht's Osmin nach)
 
 
Gute Nacht – Brüderchen – gute Nacht! Hahahaha, alter Eisenfresser! erwischt man dich so? Gift und Dolch! – Du hast deine Ladung! Nur fürcht ich, ist's noch zu zeitig am Tage; bis Mitternacht sind noch drei Stunden, und da könnt er leicht wieder ausgeschlafen haben. – – Ach! kommen Sie, kommen Sie, liebster Herr! Unser Argus ist blind; ich hab ihn tüchtig zugedeckt.
 
 
Belmonte
 
 
O dass wir glücklich wären! – Aber sag: Ist Konstanze noch nicht hier?
 
 
Pedrillo
 
 
Eben kommt sie da den Gang herauf. Reden Sie alles mit ihr ab; aber fassen Sie sich kurz, denn der Verräter schläft nicht immer.
 
 
(Während der Unterredung des Belmonte mit Konstanzen unterhält sich Pedrillo mit Blonden, der er durch Pantomime den ganzen Auftritt mit dem Osmin vormacht und jenen nachahmt; zuletzt unterrichtet er sie ebenfalls, dass er um Mitternacht mit einer Leiter unter ihr Fenster kommen wolle, um sie zu entführen.)
 
 
Konstanze, Belmonte (einander im Arme).
 
 
 
 
Konstanze
 
 
O mein Belmonte!
 
 
Belmonte
 
 
O Konstanze!
 
 
 
 
Konstanze
 
 
Ist's möglich? – Nach so viel Tagen der Angst, nach so viel ausgestandnen Leiden dich wieder in meinen Armen –
 
 
Belmonte
 
 
Oh, dieser Augenblick versüßt allen Kummer, macht mich all meinen Schmerz vergessen –
 
 
Konstanze
 
 
Hier will ich an deinem Busen liegen und weinen! – Ach, jetzt fühl ich's – die Freude hat auch ihre Tränen!
 
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N° 15 Aria
 
 
 
 
Belmonte
 
     
 
    Wenn der Freude Tränen fließen,
 
 
lächelt Liebe dem Geliebten hold!
 
 
Von den Wangen sie zu küssen,
 
 
ist der Liebe schönster, größter Sold.
 
 
Ach Konstanze! dich zu sehen,
 
 
dich voll Wonne, voll Entzücken
 
 
an mein treues Herz zu drücken,
 
 
lohnt fürwahr nicht Krösus' Pracht!
 
 
Dass wir uns niemals wiederfinden!
 
 
So dürfen wir nicht erst empfinden,
 
 
welchen Schmerz die Trennung macht.
 
 
Belmonte
 
 
Ich hab hier ein Schiff in Bereitschaft; um Mitternacht, wenn alles schläft, komm ich an dein Fenster; und dann sei die Liebe unser Schutzengel!
 
 
Konstanze
 
 
Mit tausend Freuden! Was wollt ich nicht mit dir wagen? Ich erwarte dich –
 
 
Pedrillo
 
 
Also, liebes Blondchen, pass ja hübsch auf, hörst du's?
 
 
Blonde
 
 
Sorge für mich nicht. Das wär das erste Abenteuer, das ein Mädchen verschlafen hätte.
 
 
Pedrillo
 
 
Du wirst's schon merken, wenn du so was Gesungenes hörst, wie's so meine Art des Abends immer ist; dann pass auf, und dann mit einem Sprung ins Schiff! – Nur hübsch Mut gefasst und nicht verzagt: Wer alles zu verlieren hat, muss alles wagen!
 
 
Konstanze
 
 
Wenn es aber nur glücklich abläuft!
 
 
Belmonte
 
 
Wir wollen's hoffen; die Liebe wird unsre Geleiterin sein.
 
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N° 16 Quartetto
 
 
Konstanze
 
     
 
    Ach Belmonte! ach mein Leben!
 
 
Belmonte
 
 
Ach Konstanze! ach mein Leben!
 
 
Konstanze
 
 
Ist es möglich? Welch Entzücken!
 
 
dich an meine Brust zu drücken
 
 
nach so vieler Tage Leid.
 
 
Belmonte
 
 
Welche Wonne, dich zu finden!
 
 
Nun muss aller Kummer schwinden!
 
 
O wie ist mein Herz erfreut!
 
 
Konstanze
 
 
Sieh die Freudenträne fließen.
 
 
Belmonte
 
 
Holde! lass hinweg sie küssen!
 
 
Konstanze
 
 
Dass es doch die letzte sei!
 
 
Belmonte
 
 
Ja, noch heute wirst du frei.
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Also, Blondchen, hast's verstanden?
 
 
Alles ist zur Flucht vorhanden,
 
 
um Schlag zwölfe sind wir da.
 
 
Blonde
 
 
Unbesorgt! es wird nichts fehlen,
 
 
die Minuten werd ich zählen,
 
 
wär der Augenblick schon da!
 
 
 
 
Alle Vier
 
     
 
    Endlich scheint die Hoffnungssonne
 
 
hell durchs trübe Firmament.
 
 
Voll Entzücken, Freud und Wonne
 
 
sehn wir unsrer Leiden End.
 
 
 
 
Belmonte
 
     
 
    Doch ach! bei aller Lust
 
 
empfindet meine Brust
 
 
noch manch geheime Sorgen!
 
 
Konstanze
 
 
Was ist es, Liebster, sprich,
 
 
geschwind, erkläre dich,
 
 
o halt mir nichts verborgen!
 
 
Belmonte
 
     
 
    Man sagt – du seist – –
 
 
(sieht Konstanze stillschweigend furchtsam an)
 
 
Konstanze
 
 
Nun weiter?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Nun weiter –
 
 
(sieht den Belmonte stillschweigend furchtsam an)
 
 
Pedrillo
 
 
(zeigt, dass er wage, gehenkt zu werden)
 
 
Doch Blondchen, ach! die Leiter!
 
 
bist du wohl so viel wert?
 
 
Blonde
 
 
Hansnarr! schnappt's bei dir über?
 
 
Ei! hättest du mir lieber
 
 
die Frage umgekehrt.
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Doch Herr Osmin – –
 
 
Blonde
 
 
Lass hören –
 
 
Konstanze
 
 
Willst du dich nicht erklären? –
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Belmonte
 
 
Ich will. Doch zörne nicht,
 
 
wenn ich nach dem Gericht,
 
 
so ich gehört, es wage,
 
 
dich zitternd, bebend frage,
 
 
ob du den Bassa liebst? –
 
 
Konstanze
 
 
(Sie weint.)
 
 
O! wie du mich betrübst!
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Hat nicht Osmin etwan,
 
 
wie man fast glauben kann,
 
 
sein Recht als Herr probieret
 
 
und bei dir exerzieret?Schreibvariante in den Textwiederholungen:
bei dir probieret und exerzieret?
 
 
Dann wär's ein schlechter Kauf!
 
 
Blonde
 
 
(gibt dem Pedrillo eine Ohrfeige)
 
 
Da nimm die Antwort drauf.
 
 
 
 
Pedrillo
 
 
(hält sich das Wang)
 
     
 
    Nun bin ich aufgeklärt!
 
 
Belmonte
 
 
(kniend)
 
 
Konstanze! ach vergib!
 
 
Blonde
 
 
(geht zornig von Pedrillo)
 
 
Du bist mich gar nicht wert.
 
 
Konstanze
 
 
(seufzend sich von Belmonte wegwendend)
 
 
Ob ich dir treu verblieb! –
 
 
(anfangs allein, dann alle viere)
 
 
Blonde
 
 
(zu Konstanze)
 
     
 
    Der Schlingel fragt sich an,
 
 
ob ich ihm treu geblieben?
 
 
Konstanze
 
 
(zu Blonde)
 
 
Dem Belmont sagte man,
 
 
ich soll den Bassa lieben!
 
 
Pedrillo
 
 
(hält sich das Wang)
 
 
Dass Blonde ehrlich sei,
 
 
schwör ich bei allen Teufeln!
 
 
Belmonte
 
 
(zu Pedrillo)
 
 
Konstanze ist mir treu,
 
 
daran ist nicht zu zweifeln.
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Konstanze, Blonde
 
     
 
    Wenn unsrer Ehre wegen
 
 
die Männer Argwohn hegen,
 
 
verdächtig auf uns sehn,
 
 
das ist nicht auszustehn.
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
 
Sobald sich Weiber kränken,
 
 
dass wir sie untreu denken,
 
 
dann sind sie wahrhaft treu,
 
 
von allem Vorwurf frei.
 
 
 
 
(zugleich)
 
 
 
 
Pedrillo
 
     
 
    Liebstes Blondchen! ach! verzeihe,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Liebstes Blondchen! ach verzeihe!
 
 
sieh, ich bau auf deine Treue
 
 
mehr itzt als auf meinen Kopf!
 
 
Blonde
 
 
Nein, das kann ich dir nicht schenken,
 
 
mich mit so was zu verdenken,
 
 
mit dem alten dummen Tropf!
 
 
Belmonte
 
     
 
    Ach Konstanze! ach mein Leben,Schreibvariante in den Textwiederholungen:
Ach Konstanze! ach mein leben!
 
 
könntest du mir doch vergeben,
 
 
dass ich diese Frage tat?
 
 
Konstanze
 
 
Belmont! wie du konntest glauben,
 
 
dass man dir dies Herz könnt rauben?
 
 
das nur dir geschlagen hat.
 
 
 
 
Belmonte, Pedrillo
 
     
 
    Ach verzeihe!
 
 
Ich bereue!
 
 
Konstanze, Blonde
 
 
Ich verzeihe
 
 
deiner Reue!
 
 
Alle Vier
 
 
Wohl, es sei nun abgetan!
 
     
 
    Es lebe die Liebe!
 
 
Nur sie sei uns teuer,
 
 
nichts fache das Feuer
 
 
der Eifersucht an.
 
 
(alle ab)
 
 
Ende des zweiten Akts.