Zweiter Auftritt
 
 
Sais. Thamos.
 
 
Thamos
 
 
(auf sie zueilend)
 
 
Sais! Sais! was hast du getan?
 
 
Sais
 
 
(über die Erscheinung des Thamos und dass er ein Zeuge ihres Gelübdes war ebenfalls äußerst betroffen; steht auf)
 
 
Herr! –
 
 
Thamos
 
 
(lässt sie nicht vollenden)
 
 
Das große, das unwiderrufliche Gelübde! Eher, als dem Thamos deine Hand!
 
 
Sais
 
 
(erstaunend)
 
 
Dir meine Hand!
 
 
Thamos
 
 
(unterbricht sie wieder)
 
 
Fürchtetest du von ihm Gewalt? – Zog schon dein Herz einen andern vor, verdiente er darum so wenig Zutrauen?
 
 
Sais
 
 
Ich erstaune –
 
 
Thamos
 
 
Er, der eine verworfene Neigung aufzuopfern schon bereit war?
 
 
(Diese vier Reden des Thamos folgen schnell aufeinander, mit dem Ausdruck einer starken Empfindung.)
 
 
 
 
 
Sais
 
 
Ihr Götter!
 
 
Thamos
 
 
Hat nicht Mirza mit dir gesprochen?
 
 
Sais
 
 
Ja! Sie sagte mir – Herr! lass mich schweigen.
 
 
Thamos
 
 
Nein! rede!
 
 
Sais
 
 
Dass du die Myris gewählt hättest, dass du mich dem Pheron geben würdest.
 
 
Thamos
 
 
Entsetzlich! – Das Mirza! der ich meine Absicht offenbart, ihr aufgetragen hatte, deine Gesinnungen zu erforschen! Ach, Sais! unbedachtsame Sais! und du glaubtest dem Betrug?
 
 
Sais
 
 
(seufzend)
 
 
Hätten wir ihn nie entdeckt!
 
 
Thamos
 
 
Gaben dir nicht vom ersten Tage an meine Blicke, mein ganzes Betragen den Eindruck zu erkennen, den du auf meine Seele gemacht hattest? Glaubte ich nicht in den deinigen Gegenneigung zu lesen?
 
 
Sais
 
 
Ach, Thamos! bedaure die unglückliche Sais!
 
 
Thamos
 
 
O ihr Götter! Zur einzigen Versüßung der Sorgen, die den Thron umgeben, zum Lohn der Bemühungen für das Wohl meiner Völker erbat ich mir von euch eine Gattin wie Sais: und ihr versagt sie mir!
 
 
Sais
 
 
Sie werden dir eine andere geben, die deiner auch würdig ist.
 
 
Thamos
 
 
Wo ist sie? Und ist sie Sais?
 
 
Sais
 
 
Thamos! es ist geschehen, es war der Wille der Götter. Kann Sais nicht die Deinige sein, so widmet sie ihre Gelübde für dein Wohl. (schnell gegen das Sonnenbildnis niederknieend, mit größter Empfindung) Mächtige Gottheit, der ich jetzt angehöre! O schütze ihn, schütze den besten der Fürsten! Zernichte die Anschläge der Boshaften. Heischt dein Zorn von Ägypten ein Opfer, Sais sei es!
 
 
Thamos
 
 
(richtet sie auf; äußerst gerührt)
 
 
O Sais! du durchbohrst mein Herz! Du! ein Opfer für den Thamos! – Götter! grausame Götter! warum stelltet ihr meinen Augen die Vollkommenste der Sterblichen dar, wenn ihr mir sie entreißen wolltet! – Doch was macht dich so unruhig, Sais? Warum flehest du Ägyptens Gottheit mit solcher Inbrunst für meine Erhaltung an? – Schreckt dich die Kühnheit der Aufrührer? – Fürchte nichts. Man hat ihr Dämme entgegengesetzt, woran sie scheitern wird.
 
 
Sais
 
 
Ach, Thamos! die Gefahr ist größer, als du glaubst. – Traue keinem! oh, keinem!
 
 
Thamos
 
 
Wie, Sais, weißt du noch mehr?
 
 
Sais
 
 
Bände nicht ein Eid meine Zunge!
 
 
Thamos
 
 
(betroffen)
 
 
Ein Eid! Wer forderte ihn von dir? – Ihr Götter! welches schreckliche Licht! welcher schwarze Verdacht! – Pheron! Mirza! – Der Betrug, durch den ihr uns unglücklich machtet! – Doch was konnte euern herrschsüchtigen Absichten unsere Verbindung schaden? Würde Sais mich auf dem Throne geschützet haben? Kann sie einem andern den Weg dahin bahnen?
 
 
Sais
 
 
Ach, Thamos! wie bald würde sich dir alles aufklären! – Nicht ein arglistig entlockter Eid hält mich zurück. Aber die Wunden, die schon jetzt dein Herz zerreißen! – Soll ich dir noch tiefere schlagen? – Nein, Thamos! verlange nichts von mir zu wissen. Der Grund, auf den die Treulosen ihr Gebäude aufgeführt hatten, ist untergraben. Beschämt werden sie es in Trümmern zerfallen sehen. – Nur gegen offenbare Gewalt stehe auf deiner Hut.
 
 
Thamos
 
 
Schweige nicht! Was schonest du meiner? Kann Thamos nach den Worten, die du aussprachst, als er hereintrat, noch schrecklichere aus deinem Munde hören?
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Die Vorigen. Sethos.
 
 
Sethos
 
 
(aus den Wohnungen der Priester kommend; hat die letzte Rede des Thamos gehört)
 
 
Herr! was soll dir Sais noch sagen? Was hat sie dir entdeckt?
 
 
Thamos
 
 
O Sethos! für mich ist keine Sais mehr. Du weißt, dass sie Ägyptens Königin werden sollte. Dir hatte ich meine Absicht vertrauet. Du priesest die Wahl. Und nun – raubt sie mir ein unwiderrufliches Gelübde. – Die Grausame! Ich kam dazu, als sie es ablegte. Zu spät! Es war schon vollendet.
 
 
Sethos
 
 
(der sich den ganzen Auftritt hindurch Gewalt antut, um den Ausbruch seiner Zärtlichkeit gegen die wiedergefundene Tochter zurückzuhalten)
 
 
Sais! liebste Sais! warum übereiltest du dich? Warum zogst du nicht deinen Vater zu Rate? – Du gabst mir ja stets diesen Namen!
 
 
Sais
 
 
Mit welcher Inbrunst tat es mein Herz! Deine Lehren waren für mich Aussprüche der Götter. – Oh! hätte man mir Zeit gelassen! Wäre nicht schon der heutige Abend! – Du kennst mich, Sethos! Du weißt alles. – Ich die Gespielin des schändlichen Verrats! – Was blieb mir übrig?
 
 
Thamos
 
 
(zu dem Sethos)
 
 
Dir ist das Geheimnis bekannt? Bindet auch dich ein Eid?
 
 
Sethos
 
 
(zu der Sais)
 
 
Man nötigte dir Schwüre ab? – Sie haben keine Kraft.
 
 
Thamos
 
 
(zu der Sais)
 
 
Hält dich noch etwas zurück?
 
 
Sethos
 
 
(zu der Sais)
 
 
Er muss dich kennen. Ägyptens Wohl hängt daran. (zu dem Thamos) Sais ist nicht die Tochter eines Kriegsobristen.
 
 
 
 
 
Thamos
 
 
(lebhaft)
 
 
Wer ist sie? Ich brenne vor Ungeduld.
 
 
Sethos
 
 
Tharsis, die tot geglaubte Tochter des Menes.
 
 
Thamos
 
 
(mit größter Empfindung)
 
 
Götter! die, die ich anbete, Tharsis? (wirft sich der Sais zu Füßen) O Tharsis! Ägyptens und meine Königin! Thamos ist der erste, der dir huldiget. Empfange aus seinen Händen das Szepter des Menes zurück. Dein gehört es. Ohne Schuld maßte er sich dessen an, weil er dich für tot hielte. Verzeih ihm und hasse den Sohn des Ramesses nicht!
 
 
Sais
 
 
(richtet ihn auf)
 
 
O Thamos! du weißt, ob ich dich hasse! Würde ich sonst getan haben, was ich tat? – Ägyptens Szepter bleibe in deinen Händen. Du allein bist würdig, es zu führen. (seufzend) Zwar hätte Thamos an meiner Hand den Thron besteigen können. – Nichts mehr davon! Der Rat der Götter hat es anders beschlossen. Auch die Tochter des Menes sollte unglücklich sein.
 
 
Thamos
 
 
(schnell)
 
 
Nein, Tharsis! Du bist und bleibst Königin. Dein Gelübde ist kraftlos: das Reich hat auf dich ältere Rechte.
 
 
Sethos
 
 
Du irrest, Thamos! Nur dem letzten Zweige des königlichen Stamms, wenn auch kein Seitensprosse mehr übrig ist, verwehren die Gesetze, sich durch Gelübde zu binden.
 
 
Thamos
 
 
(mit großer Empfindung)
 
 
Ha! so verschwindet die letzte Hoffnung! – Gut! konnte Tharsis dem Throne entsagen, so kann es auch Thamos. Ohne sie hat das Diadem für ihn keinen Glanz. Es schmücke die Stirne des darnach strebenden Pherons.
 
 
Sethos
 
 
Wie, Thamos! weil die Götter dir deinen Wunsch nicht gewähren, soll das Vaterland dafür büßen? – Tharsis tritt ihre Rechte einem würdigen Nachfolger ab; du – dem unwürdigsten, einem Herrschsüchtigen, einem Tyrannen, dessen Opfer wir alle, Tharsis selbst, vielleicht noch heute sein würden.
 
 
Thamos
 
 
Auch Tharsis? Auch Du? – Wäre es Thamos allein! Nun, so bleibt er darum noch auf dem Throne, um euch zu schützen. Die Götter werden ihn bald von seiner Qual befreien. Keine andere Belohnung erbittet er jetzt von ihnen. – Aber Tharsis! Grausame Tharsis! du kanntest deine Geburt; Sethos kannte sie auch, und beide entdecktet ihr mir sie nicht früher!
 
 
Sais
 
 
Konnte ich entdecken, was mir selbst vor wenig Stunden noch ein Geheimnis war?
 
 
Sethos
 
 
Auch dem Sethos. – Hätten Mirza und Pheron meines Beistandes entbehren zu können geglaubt, noch jetzt würden sie mir ihre Absichten verborgen halten. – Sie wollen dem Volke die Beweise der Geburt der Tharsis vorlegen. Mein Zeugnis soll alles bekräftigen. Ich versprach es und ich werde es tun! Denn ich bekräftige die Wahrheit. Doch wie sehr wird der Erfolg ihre Hoffnung täuschen! – Dein Gelübde, Tharsis! bleibe für sie noch ein Geheimnis.
 
 
Thamos
 
 
(zu der Tharsis)
 
 
Wenn man dich wahrgenommen hätte, als du in den Tempel gingest!
 
 
Sais
 
 
Es hat mich niemand gesehen.
 
 
Sethos
 
 
Du wagtest viel.
 
 
Sais
 
 
Nichts erschreckte mich bei der Gefahr, die dem Thamos drohte. In der Mirza Gegenwart, vor allem Volke, hätte ich, wenn es nicht anders sein konnte, den feierlichen Schwur getan.
 
 
Thamos
 
 
Ach, Tharsis! und das zu jener Zeit, als du verschmäht zu sein glaubtest? Du, des Menes Tochter, meine Königin? – (zu dem Sethos) O Sethos! kann denn nichts das schröckliche Gelübde entkräften? Ist Tharsis für den Thamos auf ewig verloren? – Rührt dich nicht der Schmerz, der unsere Herzen zerreißt?
 
 
Sethos
 
 
(sehr gerührt)
 
 
Mehr, als ihr glaubt. Du schweigst, Tharsis! aber Sethos liest in deiner Seele. Sein Herz fühlt deine Pein, es leidet mit dir. – Fasset Mut! Vielleicht schicken die Götter eine Hülfe, die ihr nicht erwartet.
 
 
Sais
 
 
(kniet vor dem Sethos nieder und ergreift seine Hand)
 
 
O mein Vater! erbitte du sie uns.
 
 
Thamos
 
 
(eben dasselbe)
 
 
Ja, Sethos! tue es! Tue es, wenn Thamos, wenn Ägypten dir wert sind!
 
 
Sethos
 
 
Beide zu meinen Füßen! – O meine Kinder, wie rührt ihr mich! – Wüsstet ihr – (Er hebt sie auf.) Steht auf! Hofft alles von den Göttern! Für die Tugend wirken sie Wunder. – Du, Thamos! versäume zu den Gegenanstalten keine Zeit. Schon neigt sich der Tag. Die große Stunde rückt heran. – Und du, Tharsis! kehre in deine Wohnungen zurück. Man könnte dich suchen.
 
 
Sais
 
 
Ach, Sethos! wie zittert das Herz! – Wenn Pheron seine Anschläge zerstört sieht, wohin wird ihn die Wut, die Verzweiflung bringen. Schon stellt sich mir der grässliche Anblick dar. Schon sehe ich den Boshaften und seine Anhänger die Spitzen ihrer Schwerter gegen euch kehren; schon höre ich wildes Geschrei; schon fließen Ströme Bluts!
 
 
 
 
 
Thamos
 
 
Fürchte nichts, Tharsis! Macht die Aufrührer ihre Wut schreckbar, uns für sie tausendmal mehr das Recht und der Beistand der Götter. Wird alles den Thamos, die Priester, die Tochter des Menes verlassen? Nein, Tharsis! Getreue Ägyptier in größerer Anzahl als die Rebellen, ich an ihrer Spitze, werden dich, werden unsern Vater hier umgeben. Durch diese Mauern dringt keiner.
 
 
Sais
 
 
(mit größter Empfindung)
 
 
Nur sie, nur sie beide erhaltet, ihr Götter! Oder Tharsis sterbe mit ihnen!
 
 
(geht in das Haus der Sonnenjungfrauen zurück)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Thamos. Sethos.
 
 
Thamos
 
 
O Sethos! wenn ihre Ahndung einträfe! Wenn der Tag, der der glücklichste meines Lebens sein sollte, ein Tag des Mordens und der Verheerung würde!
 
 
Sethos
 
 
Ich habe bessere Hoffnungen. Sie werden mich nicht trügen. Doch Vorsicht fordern die Götter von uns.
 
 
Thamos
 
 
Treuloser Pheron! deinem Freunde den Dolch in die Brust zu stoßen! selbst der Götter zu spotten! – Hier, Sethos! hier an der heiligen Stätte beschwur der Boshafte Ägyptens Gottheit, ihre Blitze auf sein Haupt zu schleudern, wenn er an mir zum Verräter würde.
 
 
Sethos
 
 
Sie werden ihn treffen. Fehltritte, Verbrechen der Sterblichen, verzeihen die Götter: Aber des Rasenden, der seine Hand gegen den Himmel aufhebt, schonet ihr Grimm nicht.
 
 
Thamos
 
 
Weiß Phanes, der Feldherr, dass Tharsis lebt?
 
 
Sethos
 
 
Hammon hat ihm von allem Nachricht gegeben. Bald wird er hier sein.
 
 
Thamos
 
 
Pheron darf die Gewalt, die ich ihm über die Stadt, über die Besatzung einräumte, keinen Augenblick länger behalten.
 
 
Sethos
 
 
Lass sie ihm, Thamos! Ändere nichts! Er glaube, sicher zu sein, die Tochter des Menes und Ägyptens Diadem schon in Händen zu haben. Nur ein Wink, eine Vermutung, dass er entdeckt ist, so ergreift er die äußersten Mittel. Eher begräbt er sich mit uns allen unter blutenden Leichenhaufen und unter rauchenden Ruinen, als dass er seinen herrschsüchtigen Absichten entsagte.
 
 
Thamos
 
 
Geheime Gegenanstalten – –
 
 
(Thamos sieht den Phanes von hinten hervorkommen.)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Thamos. Sethos. Phanes.
 
 
Thamos
 
 
Bringst du Nachrichten, Phanes?
 
 
Phanes
 
 
Ja, Herr! die dich in Erstaunen setzen werden. Nicht allein nach dem Throne, auch nach deinem Leben strebt der Verräter.
 
 
Sethos
 
 
Sagte ich es nicht? Was ist der Herrschsucht heilig?
 
 
Phanes
 
 
Arpas, einer der Freunde des Pheron, wie sie die Verräter haben, entdeckte es mir. Pheron traut den Gesinnungen der Sais nicht. Wenn sie, als Tharsis erkannt, nicht auf der Stelle ihm die Hand reicht, so wird sein Anhang diese Wahl mit Ungestüm fordern. Man wird zu den Waffen greifen und in dem Getümmel werden erkaufte Bösewichter dich niedermachen. Läuft aber auch im Tempel alles ruhig ab, so werden doch du und ich die Nacht nicht überleben. In unsern Wohnungen wird man uns überfallen. Dem Sethos ist Gift bestimmt.
 
 
Thamos
 
 
Ungeheuer! und Thamos verkannte dich so sehr? wählte dich zu seinem Freunde?
 
 
Sethos
 
 
Verwundere dich nicht darüber. Des Rechtschaffenen Auge erblickt keine andern als Rechtschaffene. Nur der Götter ist das Vorrecht eigen, nicht betrogen werden zu können.
 
 
Phanes
 
 
Herr! wirst du dem Boshaften nicht zuvorkommen? Ein Wort von dir und es finden sich tausend deiner Getreuen, die ihn aus dem Wege räumen. Verlieren die Aufrührer ihr Haupt, so ist die Ruhe befestigt.
 
 
Thamos
 
 
Aber des Thamos Name in den Tagebüchern Ägyptens geschändet. Ein Fürst des Reichs, ein Sprosse des Königsstamms, ungehört dem Tode überliefert!
 
 
Phanes
 
 
Braucht es einer Untersuchung? Hast du nicht Beweise genug? Man wird sie hernach kundmachen; sie werden die Tat rechtfertigen.
 
 
Thamos
 
 
Phanes! wolltest du auf Beweise verurteilt sein, deren Gültigkeit man nach deinem Tode prüfet? – Entschuldigten auch die Umstände deinen Rat, wird jedermann diese Umstände ebenso genau, so in ihrem ganzen Umfange einsehen als wir? Der Fürsten Handlungen sind die Richtschnur ihrer Völker! Kein Schein der Ungerechtigkeit darf sie beflecken.
 
 
Sethos
 
 
Ich bewundere dich. Glücklicher Staat! dessen Fürst durch solche Grundsätze geleitet wird!
 
 
Thamos
 
 
Sie sind die Frucht deiner Lehren! (zu dem Phanes) Erwäge auch, Phanes! dass Mirza die Beweise der Geburt der Sais in Händen hat. Aus Rache würden sie von ihr vertilget.
 
 
Phanes
 
 
Ja, zu allem ist sie fähig. – Jetzt, da ich weiß, dass Ramesses ihr das Geheimnis wegen der Tochter des Menes anvertrauet hatte – Ohne Zweifel war sein plötzlicher Tod ihr Werk. – Er kömmt aus dem Sonnenhause krank zurück. In wenig Stunden ist er tot! – Du erinnerst dich, Sethos! dass unser Verdacht alsbald auf beigebrachtes Gift fiel; dass die Ärzte, die den Leichnam einbalsamierten, es bestätigten.
 
 
Sethos
 
 
Doch nie hätten wir geglaubt, dass Ramesses da seinen Tod holen sollte, wo die Gottheit für das Heil der Könige angerufen wird. Heimlichen Missvergnügten gab man die Schuld. Denn leider, Thamos! ward dein Vater gehasset.
 
 
Thamos
 
 
Unglücklicher Vater! hätte auch der ganze Erdkreis deinem Szepter gehorchet! – Freunde und die Liebe meines Volkes, ihr Götter! Oder Thamos herrsche nicht.
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Die Vorigen. Hammon, eilig aus den Wohnungen der Priester.
 
 
Hammon
 
 
(zu dem Sethos)
 
 
Pheron sucht dich in unsern Wohnungen. Wenn er dich nicht findet, kömmt er hieher.
 
 
Sethos
 
 
Er darf euch nicht antreffen. (zu dem Thamos) Deine Offenherzigkeit, Herr! (zu dem Phanes) und deine Hitze, Phanes! würden ihm alles verraten.
 
 
Thamos
 
 
Folge mir, Phanes! Des Arpas Anzeige diene uns zu Gegenanstalten. Du, Sethos! rufe die Götter für die Tharsis und mit ihr – mit ihr – für mich an.
 
 
(Thamos und Phanes gehen in die königliche Burg ab.)
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Sethos. Hammon.
 
 
Sethos
 
 
Du, Hammon! bringe zu dem Opfer das alte Diadem der Könige Ägyptens mit. Verbirg es in deinem Busen, bis ich es von dir fordere.
 
 
Hammon
 
 
Ich gehorche. Die Zettel von deinem Leben sind auch schon ausgestreuet worden. – Hast du dich der Tharsis und dem Thamos entdeckt?
 
 
Sethos
 
 
Nein! Ich durfte es nicht wagen. Sie hätten ihre Freude nicht verbergen können. Was für Gewalt musste mein Herz sich antun!
 
 
(Pheron kömmt aus den Wohnungen der Priester, wohin Hammon abgeht.)
 
 
Achter Auftritt
 
 
Sethos. Pheron.
 
 
Pheron
 
 
Sethos! soll ich dir noch trauen oder bist du ein Verräter?
 
 
Sethos
 
 
Ich!
 
 
Pheron
 
 
Lies hier diese Zettel!
 
 
(Er überreicht einige dem Sethos.)
 
 
Sethos
 
 
(liest)
 
 
„Nicht allein Tharsis, sondern auch Menes selbst lebt noch. Ägyptier! erwartet seinen Befehl!“
 
 
Pheron
 
 
Man hat sie auf den Plätzen und unter dem Kriegsvolke ausgestreuet, um meinen Absichten zu schaden, um die Wahl der Tharsis aufzuschieben.
 
 
Sethos
 
 
Woher fällt dein Verdacht auf mich?
 
 
Pheron
 
 
Einer der Verwegenen, den man angehalten hat, sagt, die Nachricht komme aus dem Hause der Sonnenpriester.
 
 
Sethos
 
 
Vielleicht, um den wahren Urheber zu verbergen.
 
 
Pheron
 
 
Wer weiß besser als du, dass es eine Erdichtung ist? Kann dich aber nicht die Freundschaft für den Thamos blenden?
 
 
Sethos
 
 
Weder Freundschaft noch Furcht verleiten den Sethos zur Unterstützung eines Betrugs. Lebt aber Menes, so musst du, so muss Thamos, so muss ganz Ägypten ihm gehorchen.
 
 
Pheron
 
 
Ich will dir glauben. Ich muss es jetzt tun. Doch warne ich dich, Sethos! Und du! warne deine Priester. Pheron hat seinen Fuß zu den Staffeln des Thrones erhoben. Die Tochter des Menes soll ihn darauf führen. Wer ihn zurückhält, wer ihm in den Weg tritt, es sei Thamos, es sei du, es sei Menes selbst, wenn er wieder erwachte, dessen schont er nicht: und fällt Pheron, so sollen mit ihm Tausende fallen.
 
 
(geht wütend gegen die königliche Burg ab)
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Sethos allein.
 
 
Welche Wut! – In eurem Tempel, vor euren Augen, ihr Götter! – Doch ohnmächtig gegen euren Schutz!
 
 
(geht in die Wohnungen der Priester zurück)
 
 
Ende des vierten Aufzugs
 
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Nr. 5Eintrag Leopold Mozarts in der autographen Partitur:
Der vierte Akt schließst mit der allgemeinen Verwirrung.