Zwölfter Auftritt
 
 
Nardo, hernach Ramiro und der Amtshauptmann, zuletzt Serpetta.
 
 
Nardo
 
 
O ich armer Tropf! was soll ich anfangen? Ich kann meine Gebieterin nirgends finden. Mir wird angst und bange – – Wer weiß! – Doch vielleicht hat sie sich dem Grafen entdeckt – Aber nein! das kann auch nicht sein! Weil sie mir ausdrücklich verboten hat, mich ihm zu erkennen zu geben. Still! ich sehe Leute kommen – Ich will sie behorchen, vielleicht bekomme ich leicht –
 
 
(Er verbirgt sich im Grund.)
 
 
Ramiro
 
 
Sie muss authentisch beweisen, dass sie Violante sei –
 
 
Amtshauptmann
 
 
 
 
Das versteht sich! aber sie sprach so zuverlässig, dass ich fast wetten wollte –
 
 
Ramiro
 
 
Nur die Beweise! und ich bin zufrieden.
 
 
Serpetta
 
 
(mit verstellter Angst)
 
 
O Himmel, welch ein Unglück! Sandrina hat die Flucht genommen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Proh dolor! weh mir! was sagst du?
 
 
Nardo
 
 
(versteckt)
 
 
Die Flucht?
 
 
Ramiro
 
 
Das begreife ich nicht.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Haud mora! ihr nachgeeilt!
 
 
Serpetta
 
 
Aber es fängt schon an, Nacht zu werden.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Quid ad rem! Nacht hin, Nacht her! nehmt Licht, nehmt Facklen. Man muss ihr auf allen Straßen nachschicken. Kommen Sie, Ritter! wir wollen selbst mit. Sequere me!
 
 
(Beide gehen ab.)
 
 
Dreizehnter Auftritt
 
 
Serpetta, Nardo versteckt.
 
 
Serpetta
 
 
Lauft nur, lauft nur! diesmal seid ihr gefoppt! – Das dumme Gartnermensch! sich für eine Gräfin auszugeben! Arminda hat sie aber für diese Verwegenheit, für ihren Stolz schon gezüchtigt. Sie hat sie mit Gewalt in den nächsten Wald stecken lassen – Dort kann sie unter den Wölfen die Dame spielen.
 
 
Nardo
 
 
(Himmel! was hab ich gehört! Geschwind zum Grafen.)
 
 
(Er läuft geschwind ab.)
 
 
Serpetta
 
 
Ich möchte den Amtshauptmann zerreißen, dass er mir das alberne Frazeng'sicht vorzieht, und vor Galle bersten; und doch darf ich mich nichts merken lassen, ich muss meinen Zorn in mich beißen, sonst würde man mich nur auslachen und mit meiner Liebe gegen ihn aufziehen. Geduld! Ein Mädchen muss zurückhaltend, fein und schlau sein, und wenn sie auch Cupido bis auf das Blut getroffen hat, so muss sie es doch nicht gestehn.
 
     
 
    Wer will die Welt genießen,
 
 
der schweig zu allem still.
 
 
Er lass sich nichts vedrießen,
 
 
es komme, wie es will.
 
     
 
    Die Mädchen sollten redlich
 
 
und gute Herzen haben,
 
 
aufrichtig sein und ehrlich.
 
 
Doch nützen diese Gaben
 
 
bei Männern nun nicht mehr.
 
     
 
    Itzt muss man sein verschlagen,
 
 
gleichgültig alles tragen,
 
 
sich dumm und sittsam stellen,
 
 
die Narren wacker prellen,
 
 
sie foppen hin und her.
 
     
 
    Von allen diesen Pflichten
 
 
muss man sich unterrichten
 
 
und nützen jede Lehr.
 
 
(geht ab)
 
 


Es ist Nacht. Ein finsterer Wald mit Felsen und Höhlen.
 
 
Vierzehnter Auftritt
 
 
Sandrina. Man sieht etliche Baurenkerl von ihr laufen.
 
 
Wo führt ihr mich hin? Wollt ihr mich töten? O Himmel, sie entfliehen! Gott! muss ich denn so äußerst unglücklich sein? Ach! sie sind fort! und ich hier in der finstern Nacht, in dieser schrecklichen Wildnis allein. Vielleicht ein Raub der wilden Tieren – Weh mir! wer wird mir helfen und mich retten?
 
     
 
    Ach vor Tränen, Schluchzen, Seufzen,
 
 
kann ich kaum mehr Atem faßen.
 
 
Sprach und Stimme mich verlassen!
 
 
und es schwindet alle Kraft.
 
 
Doch es hört mich hier keine Seele.
 
 
Ich bebe, es wird mir bange.
 
 
Die Kräften schwinden. O Himmel,
 
 
welch ein Geräusch!
 
 
Es ist, als
 
 
säh ich im Gebüsche
 
 
die abscheulichste Schlange,
 
 
die mit ihrem Gezische – O Gott! wo verberg ich mich?
 
 
Wohin fliehe ich? Was soll ich tun? Hier! nein, dort!
 
 
Ach ich betrüg mich nicht! – eine Höhle:
 
 
Dies sei der Schutzort
 
 
meiner elenden Tage;
 
 
dahinein will ich mich begeben.
 
 
Und du, gütiger Himmel, schütze mein armes Leben.
 
 
(geht in die Höhle)
 
 
Fünfzehnter Auftritt
 
 
Belfior, Nardo, nach und nach kommen Sandrina, Arminda, der Amtshauptmann, Serpetta und letztlich Ramiro mit Leuten, welche Facklen tragen.
 
 
Belfiore
 
     
 
    Hier in diesen Finsternissen,
 
 
in den Felsen, ach, ich bitte,
 
 
Nardo, leite meine Schritte,
 
 
ich weiß nicht wo aus, wo an.
 
 
Nardo
 
     
 
    O wie schrecklich ist die Wildnis!
 
 
Nun so lasst uns sachte gehen:
 
 
Hier ist wohl der Ort zu sehen,
 
 
wo man sie noch finden kann.
 
 
Sandrina
 
     
 
    In der Näh dünkt mich, zu hören
 
 
ein Geräusch, das mich erschrecket,
 
 
das mir Angst und Furcht erwecket.
 
 
Himmel, ach, erhör mein Flehen!
 
 
Arminda
 
     
 
    Hier in diesen finstern Walde
 
 
ist gewiss mein Graf gekommen,
 
 
von Verzweiflung eingenommen,
 
 
seiner Göttin nachzugehen.
 
 
 
 
Belfiore
 
     
 
    Welch Geräusch will mich betören?
 
 
Sandrina
 
 
Nein, ich will von hier nicht weichen.
 
 
Arminda
 
 
Mich gedünkt, hier Leut zu hören.
 
 
Nardo
 
 
Ich will näher hin mich schleichen.
 
 
Alle vier
 
 
Lasst uns sehen, was hier geschieht.
 
 
Amtshauptmann
 
     
 
    Hier in diesen Finsternissen
 
 
muss ich Schritt vor Schritte gehen
 
 
und die Straße nicht versehen,
 
 
sonst brech ich mir Hals und Bein.
 
 
Serpetta
 
     
 
    Heimlich hab ich mich beflissen,
 
 
in der Stille herzuschleichen,
 
 
meine Absicht zu erreichen
 
 
und auf meiner Hut zu sein.
 
 
Belfiore
 
     
 
    Wer ist da?
 
 
Sandrina
 
 
O welch ein Unglück!
 
 
Amtshauptmann
 
 
Geht hier jemand?
 
 
Serpetta
 
 
Verdammter Zufall!
 
 
Nardo
 
 
Geht nicht weiter!
 
 
Arminda
 
 
O welcher Schrecken!
 
 
 
 
Welch Getöse, welcher Lärmen,
 
 
wär ich doch nur weit von hier.
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Arminda)
 
     
 
    Bist es du, mein liebes Sandrinchen?
 
 
Arminda
 
 
(zum Amtshauptmann)
 
 
Ja, die bin ich. (Das ist der Graf.)
 
 
Belfiore
 
 
(zu Serpetta)
 
 
Mein englische Sandrina?
 
 
Serpetta
 
 
(zu Belfiore)
 
 
Ja, die bin ich. (Das ist der Amtmann.)
 
 
Nardo
 
 
(zu Sandrina)
 
     
 
    Sind Sie nicht meine gnädige Gräfin?
 
 
Sandrina
 
 
 
 
(Dies ist Nardo, ich bin ruhig.)
 
 
 
 
Welche Freude, welch Entzücken!
 
 
Was ich suchte, ist nun mein.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ramiro
 
 
(zu allen)
 
     
 
    Holla, Freunde, lasst euch sehen,
 
 
kommt geschwind und hurtig her.
 
 
Ich erfreu mich des Vergnügens,
 
 
so das Glücke euch hat beschert.
 
 
 
 
Belfiore
 
     
 
    Du, Serpetta?
 
 
Serpetta
 
 
Sie, der Graf?
 
 
Amtshauptmann
 
 
Meine Nichte?
 
 
Arminda
 
 
Sie sind der Amtmann?
 
 
Alle
 
 
O verwünschtes Überraschen!
 
 
Alle stehen wir hier beschämt.
 
 
Arminda
 
 
(zum Amtshauptmann)
 
     
 
    Hier ist ein Irrtum, dort ist die Schöne.
 
 
Sandrina
 
 
(zu Nardo)
 
 
Ach wie Sie scherzen, ich bin nicht jene.
 
 
Serpetta
 
 
(zu Belfiore)
 
 
Ha, wie Sie irren! dort ist die Närrin.
 
 
Belfiore, Amtshauptmann, Nardo
 
 
Da sind wir alle schön angeloffen!
 
 
Was ist zu machen? 's ist einmal so!
 
 
Arminda
 
 
(zu Belfiore
 
     
 
    Falscher Verräter! mich zu betrügen!
 
 
Giftige Rache sollst du fühlen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Sandrina)
 
 
Warte, Nichtswürdige! ich will dich kriegen:
 
 
Ja, du sollst meinen Zorn empfinden.
 
 
Sandrina
 
 
O weh, ich wanke, der Kopf mir schwindelt,
 
 
unter den Füßen die Erde weicht.
 
 
Nardo
 
 
(zu Serpetta)
 
     
 
    Alles dein Schmeichlen ist nun vergebens.
 
 
Serpetta
 
 
(zu Nardo)
 
 
Das soll dich Esel wenig besorgen.
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Ach deine Strenge kann ich nicht fassen.
 
 
Arminda
 
 
(zu Ramiro)
 
 
Dich werd ich fliehen und ewig hassen.
 
 
Sandrina, Belfiore
 
     
 
    Wie stürmt der Himmel, welch schwarze Wolken,
 
 
mich schaudert, ich zittere erstarre und bebe.
 
 
Jetzt schon ergreift mich ein toller Wahn.
 
 
Arminda, Ramiro, Amtshauptmann, Nardo, Serpetta
 
 
Ach der Verdruss macht mich fast rasend,
 
 
mein Herz fängt zu schwellen an.
 
 
Sandrina
 
     
 
    Hörst du nicht, mein Thirsis, von ferne ertönen
 
 
die Zaubergesänge der holden Sirenen?
 
 
Sie laden uns ein zu erquickender Ruh.
 
 
Belfiore
 
     
 
    Hör, Chloris! die Leier des Orpheus erklingen,
 
 
die Felsen beweget und Bestien bezwinget.
 
 
Der Schiffer im Weltmeer hält still und hört zu.
 
 
Beide
 
 
O sanftes Entzücken! O himmlische Lust!
 
 
Amtshauptmann
 
 
(zu Belfiore)
 
     
 
    Herr, mit Ihnen hab ich zu sprechen:
 
 
Ich muss diese Unbild rächen,
 
 
auf Pistolen lad ich Sie.
 
 
Ramiro
 
 
(zu Belfiore)
 
     
 
    Nur geschwind, mein Herr, wir gehen,
 
 
warum bleiben Sie noch stehen?
 
 
Unsre Klingen messen wir.
 
 
Arminda
 
     
 
    Wo wollt ihr hin? Verbleibt doch hier!
 
 
 
 
Nardo, Serpetta
 
 
Was soll denn dieser Lärmen noch?
 
 
Ramiro, Amtshauptmann
 
 
Kaum kann ich mich enthalten
 
 
vor Wut und Raserei.
 
 
Sandrina
 
 
 
     
 
    Ich bin Medusa, kennt ihr mich?
 
 
Belfiore
 
 
 
 
Ich bin Alzides, packe dich!
 
 
Beide
 
 
Herzige Nymphen, kommet doch
 
 
und flieht die Tyrannei.
 
 
Arminda
 
     
 
    Ich glaube gar, sie schwärmen.
 
 
Amtshauptmann
 
 
Ja, ja, mich dünkt, sie schwärmen.
 
 
Ramiro, Nardo
 
 
Sagt doch, was dies bedeute.
 
 
Sandrina
 
 
Nur nicht so nah, ihr Leute!
 
 
Belfiore
 
 
Holla, kein solches Lärmen,
 
 
Beide
 
 
wollt ihr uns sehen weinen?
 
 
Seid doch so grausam nicht!
 
 
Arminda, Ramiro, Amtshauptmann, Nardo, Serpetta
 
     
 
    Für wahr, sie sind von Sinnen,
 
 
wahnsüchtig und ganz toll.
 
 
Ramiro
 
 
(zu Arminda)
 
 
Zu so großem Unglücke
 
 
hast du den Grund gelegt.
 
 
Sandrina, Belfiore
 
 
Ach ist denn niemand, den meine Pein bewegt?
 
 
O Gott! ist niemand?
 
 
 
 
Arminda, Ramiro, Amtshauptmann, Serpetta
 
     
 
    Welch seltner Zufall!
 
 
Welch trauriges Schicksal!
 
 
Der Wahnwitz, die Tollheit,
 
 
ergreifen sie ganz.
 
 
Sandrina, Belfiore
 
 
 
     
 
    O lachende Freuden!
 
 
man wird uns beneiden,
 
 
die lustigste Musik
 
 
uns locket zum Tanz.
 
 
 
 
Ende des zweiten Aufzugs.