Erster Auftritt
 
 
Silla, Aufid, Wache.
 
 
Aufid
 
 
Herr! Befehle, dass der Senat sich versammle. In seinem Angesicht müsse dir Junia ihre Hand reichen. Ein verstellter Eifer, die alte Feindschaft zu vergessen, wird dieser Handlung allen Schein der Gewalt und des Zwangs benehmen. Sollten sich aber dennoch Gegner finden, so werden zahlreiche Haufen auserlesener Kriegsvölker zu deiner Hilfe bereit sein.
 
 
Silla
 
 
Alles gut, Freund! Allein ich kann dir meine Schwachheit nicht verbergen. Mich foltert ein unruhiges Gewissen.
 
 
Aufid
 
 
Unterdrucke solches und folge getrost meinem Rat. Junia kann dir auf solche Weise nicht entgehen.
 
     
 
    Ein Kriegsmann, ob ihn gleich
 
 
der Waffenblitz erschrickt,
 
 
bezeig sich nur nicht feig,
 
 
wann er den Feind erblickt.
 
     
 
    Dannsinket da sein Mut,
 
 
lässt da die Hoffnung nach,
 
 
so opfert er sein Blut:
 
 
Er gibt sich selbst den Schlag.
 
 
(geht ab)
 
 
Zweiter Auftritt
 
 
Silla, hernach Celia.
 
 
Silla
 
 
So seie dann das Äußerste beschlossen. Widersetzet sich Rom, so findet es hier einen starken Arm.
 
 
Celia
 
 
Alles, Bruder! hab ich versuchet. Junia lässt sich weder durch Bitten noch Drohungen bewegen.
 
 
Silla
 
 
Und dennoch wird sie heut die Meine.
 
 
Celia
 
 
Die Deine? Und wie?
 
 
Silla
 
 
Das wirst du erfahren. Auch Celia soll mit dem Cinna heut sich verbinden.
 
 
Celia
 
 
O, möchten deine Wünsche erfüllet werden; allein ich zweifle…
 
 
Silla
 
 
Du befürchtest vielleicht auch eine abschlägliche Antwort? Ich weiß, wie sehr das einen beunruhiget.
 
     
 
    Auch wegen einer Undankbaren
 
 
geschieht's, dass mir die Ruh gebricht:
 
 
Ich lasse nichts an Bitten sparen,
 
 
und doch erhöret sie mich nicht.
 
     
 
    Die Treue wird zuletzt ermüd't,
 
 
und die Beständigkeit verschwind't,
 
 
wann man sie nicht belohnet sieht,
 
 
und niemals Gegenliebe find't.
 
 
(geht ab)
 
 
Dritter Auftritt
 
 
Celia und Cinna.
 
 
Wollte der Himmel… Ha, Cinna kommt… Wie verdoppelt mein Herz seine Schläge. Cinna! suchest du meinen Bruder? Er wünschet, dich zu sprechen.
 
 
Celia
 
 
Cinna
 
 
Was verlangt er?
 
 
Celia
 
 
Vernimm… (Ach! ich besorge, dass der Grausame mich nicht liebe.)
 
 
Cinna
 
 
Erkläre dich.
 
 
Celia
 
 
(O Himmel! ich kann nicht eine Silbe vorbringen, so gern ich wollte.)
 
 
Cinna
 
 
Ich verstehe deine unterbrochene Reden nicht.
 
 
Celia
 
 
(Welch eine Verstellung!) Spricht nicht dein Herz selbst für mich? Was kann ich sagen? Mein Stillschweigen zeiget dir genug an.
 
     
 
    Nur dieser blöde Mund
 
 
getraut sich nicht,
 
 
dir frei zu machen kund,
 
 
was mich anficht.
 
 
Allein die Augen hier,
 
 
die prüfe nur:
 
 
Dann diese zeigen dir
 
 
die wahre Spur.
 
 
(geht ab)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Cinna.
 
 
Cinna
 
 
Nun verstehe ich das Geheimnis. Der Tyrann wird durch ein Ehebündnis zwischen seiner Schwester und mir meiner Treue sich versichern wollen. So schwach ist Cinna nicht. Auch hat er beschlossen, in dem offentlichen Senat mit der Junia heute sich trauen zu lassen; allein er denkt wohl nicht daran, dass eben dieses der Augenblick seines Sturzes und der allgemeinen Rache sein könne.
 
     
 
    In diesem Augenblick,
 
 
der sich allmählig naht,
 
 
erfüll der Römer Glück
 
 
die Rache mit der Tat.
 
     
 
    Schon hat ein starker Arm,
 
 
durch diesen Streich beglückt,
 
 
in dem getreuen Schwarm
 
 
sein Schwerd auf ihn gezückt.
 
 
(geht ab)
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Hangende Gärten.
 
 
Silla, hernach Junia.
 
 
Silla
 
 
Nun ins Kapitol zu Vollziehung des großen Vorhabens… Himmel! Junia! Welch eine Zusammenkunft!
 
 
Junia
 
 
(Silla! schrecklicher und verhasster Anblick! Geschwinde fort von hier.)
 
 
Silla
 
 
Bleibe! ach, bleibe, Junia! O ich Unglücklicher, wann du vor mir entfliehest.
 
 
Junia
 
 
Was willst du, Verräter? (Ich zittere für meinen Cecil.)
 
 
Silla
 
 
Kein Tyrann. Das Herz des Silla ist der Tugend fähig. Wollte nur Junia sich ergeben.
 
 
Junia
 
 
Silla der Tugend fähig? Ha, Lügner!
 
 
Silla
 
 
So höre…
 
 
Junia
 
 
Nein.
 
 
Silla
 
 
Willst du?
 
 
Junia
 
 
Ja, ich will dich verfluchen und sterben.
 
 
Silla
 
 
Sterben?
 
 
Junia
 
 
Mit wahrem römischem Mut.
 
 
Silla
 
 
Ist das möglich?
 
 
Junia
 
 
Eher, als dich lieben. Fort nur…
 
 
Silla
 
 
So sterbe; aber nicht allein.
 
     
 
    Nun weichen Erbarmen und Gnad,
 
 
meineidig verwegene Seel!
 
 
Verachtest du so meinen Rat,
 
 
so schlag alle Hoffnung dir fehl.
 
     
 
    (Ach, aber so ist sie verloren,
 
 
wie wird mir's ums Herze so bang!
 
 
Sie, die ich zur Braut mir erkoren:
 
 
O allzu erschrecklicher Zwang.)
 
     
 
    Was sag ich? Wie nieder! Wie schwach!
 
 
Wie jetzo so schimpflich gelassen!
 
 
Nein, grausam und tödliche Rach
 
 
treff alle, so treulos mich hassen.
 
 
(geht ab)
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Junia und Cecil.
 
 
Junia
 
 
Was hörte ich? Ewiger Himmel! Welch ein schreckensvolles Geheimnis in seinen Reden? Sterbe; aber nicht allein… Was willst du damit sagen, Barbar? Ach, wen sehe ich? Meinen Geliebten? Was hat sich zugetragen? Woher? Warum wagest du dich so weit herein? Eben ging der Tyrann von hinnen. Fort, hier bist du nicht sicher.
 
 
Cecil
 
 
Junia
 
 
Nicht so furchtsam, Junia!
 
 
Ach, wann du mich liebest, so kehre in deine finstere Freistätte zurück.
 
 
Cecil
 
 
Wer wird, Geliebte! alsdenn zu deiner Beschützung vorhanden sein?
 
 
Junia
 
 
Der Himmel.
 
 
Cecil
 
 
Ach, dass doch nur einmal die Götter…
 
 
Junia
 
 
Was für eine blinde Wut führte dich hierher? Du bist wie angeheftet trotz meinen Ängsten. Kehre zurück. Dein Leben ist in Gefahr, Undankbarer!
 
 
Cecil
 
 
Bleibe, Junia! Ach! so verlässest du mich.
 
 
Junia
 
 
Folge mir nicht nach.
 
 
Cecil
 
 
Eher sterben, als von dir weichen.
 
 
Junia
 
 
(O, ich verliere ihn. Was ist zu tun?)
 
 
Cecil
 
 
Du weinest, mein Kind! Ach, dass diese Tränen…
 
 
Junia
 
 
Ja, um dieser Tränen willen kehre zurück. Erhalt dein Leben.
 
 
Cecil
 
 
Wie du mich nötigest!
 
 
Junia
 
 
Um deine Zärtlichkeit, deine Treue zu prüfen – Was denkest du, mein Schatz?
 
 
Cecil
 
 
Dass man dir nicht widerstehen könne.
 
 
Junia
 
 
Sei indessen um mich nicht besorgt. Der Himmel beschützet die Unschuld. Nimm hier die Hand deiner getreuen Junia, welche den Tyrannen bis in den Tod verabscheuet, nimm solche zum Pfand ewiger Liebe.
 
 
Cecil
 
 
Vielleicht zum letzten Mal diese vielgeliebte Hand.
 
 
Junia
 
 
Nein, nicht zum letzten Mal. Bleibe getreu, fliehe und hoffe.
 
 
Cecil
 
     
 
    Wann mich das Schicksal heißt,
 
 
von dieser Erde scheiden;
 
 
so seie stets mein Geist
 
 
dir, wo du bist, zur Seiten.
 
     
 
    Beim letzten Lebewohl,
 
 
wollt ich mich standhaft zeigen;
 
 
allein, des Schmerzes voll,
 
 
fühl ich den Mut entweichen.
 
 
(geht ab)
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Junia.
 
 
Junia
 
 
Worüber nun wieder in so entsetzlichen Ängsten? Worüber auf einmal wieder so viele Tränen? In einem Augenblick, ach! wie vermehret sich meine Furcht! Gewiss, gewiss sind das traurige Ahndungen eines nahen Unglücks. Ja, der unvorsichtige Cecil ist dem Tyrannen vielleicht schon entdeckt… Ach, wohin bei dieser äußersten Gefahr? Gehen? Bleiben? Was machen? Elende! du vergehest.
 
     
 
    O Himmel! Die Gefahr,
 
 
in der mein Liebster schwebet,
 
 
stellt mir sich lebhaft dar,
 
 
macht, dass mein Herze bebet.
 
     
 
    Die Augen schwellen auf,
 
 
bei diesem Tränenbach:
 
 
Hemmt, Götter! ihren Lauf,
 
 
erhört für ihn mein Ach!
 
 
(geht ab)
 
 

Altes Kapitol.
 
 
Achter Auftritt
 
 
Silla, Aufid, der Senat, Volk, Haufen Sänger.
 
 
Chor
 
     
 
    Silla, dem so manche Schlacht
 
 
Ehre, Ruhm und Sieg gebracht,
 
 
diesen Helden, unsre Freud,
 
 
lohne, kröne Amor heut.
 
 
Ein Teil des Chors
 
     
 
    Deiner Braut, die du gewählet,
 
 
reich die unbesiegte Hand.
 
 
Das ganze Chor
 
     
 
    Wann man späte Jahre zählet,
 
 
sei dein Ruhm noch stets bekannt.
 
 
Neunter Auftritt
 
 
Junia und die Vorigen.
 
 
Silla
 
 
Väter des Vaterlands! Ich, der für Rom gestritten, gesieget, das Feuer der innern Zwietracht gedämpfet und euch den goldenen Frieden wieder gebracht, ich verlange nun dafür meine Belohnung.
 
 
Junia
 
 
(Hilfe, ewige Götter!)
 
 
Silla
 
 
Euch ist der alte tödliche Hass zwischen Marius und Silla bekannt. Heute endige sich solcher auf immer. Ein unauflösliches Band verknüpfe mich mit der Tochter und versöhne den Schatten des Vaters. Silla begehret keinen andern Lohn für seine Bemühungen.
 
 
Junia
 
 
(Der Senat schweiget und bestätiget dadurch den Willen des Tyrannen.)
 
 
Silla
 
 
Väter! Aus euerm Stillschweigen erkenne ich euere Einwilligung. Jenes innere festliche Geschrei verkündiget den Beifall des Volkes. Hin nun zum Altar.
 
 
Junia
 
 
Weg von mir, Unwürdiger! So nieder denket Rom, der Senat? Aus knechtischer Furcht begünstiget er die schimpflichste Gewalttat eines Grausamen? Ach! hat dann nicht einer von euch ein römisches Herz?
 
 
Silla
 
 
Junia! ergib dich.
 
 
Aufid
 
 
Ganz Rom wünschet es.
 
 
Silla
 
 
Folge mir.
 
 
Junia
 
 
Nicht näher, oder ich durchbohre mich.
 
 
Silla
 
 
Man entwaffne sie!
 
 
Zehnter Auftritt
 
 
Cecil mit dem Säbel in der Faust, die Vorigen.
 
 
Cecil
 
 
Mutig, standhaft, Geliebte!
 
 
Silla
 
 
(Wen sehe ich!)
 
 
Junia
 
 
(O Gott!)
 
 
Aufid
 
 
(Cecil!)
 
 
Silla
 
 
So bin ich verraten? Meinem Verbot, den Gesetzen zuwider kehret Cecil nach Rom zurück und erfrechet sich, in Vereinigung mit Junia, dem Diktator nach dem Leben zu trachten? In Ketten den Übeltäter!
 
 
Junia
 
 
(Unvorsichtiger Cecil!) Ach! Gebieter…
 
 
Silla
 
 
Keine Gnade. Morgen, Verräter! wirst du sterben.
 
 
Eilfter Auftritt
 
 
Cinna mit dem Säbel in der Faust, die Vorigen.
 
 
Silla
 
 
Wie? Auch Cinna mit bewaffneter Hand? Verwirrt, erschrocken…
 
 
Cinna
 
 
(Himmel, alles ist verloren. Man muss sich retten.) Mit Erstaunen sahe ich Cecilen mit seinem Säbel einen Weg mitten durch jene Haufen sich eröffnen. Seine Wut, seine funkelnde Augen ließen mich Verräterei befürchten. Zu deiner Beschützung eilte ich demnach bewaffnet herbei.
 
 
Silla
 
 
Kehre nur wieder zurück, Freund! Vielleicht sind noch mehrere Verräter…
 
 
Cinna
 
 
Verlass dich auf meine Treue. (Fast wäre mir's übel ergangen.)
 
 
Silla
 
 
Nun, Aufid! entwaffne jenen Treulosen.
 
 
Junia
 
 
O Gott! haltet ein.
 
 
Cecil
 
 
So lange ich diesen Stahl in Händen habe, kommt mir keiner bei.
 
 
Silla
 
 
So mutig noch?
 
 
Junia
 
 
(O Himmel!)
 
 
Silla
 
 
Her mit dem Säbel, oder ich…
 
 
Cecil
 
 
So gleich nicht.
 
 
Junia
 
 
Gib ihn, Geliebter!
 
 
Cecil
 
 
Wie, zu meiner Schande?…
 
 
Junia
 
 
Ach! widersetze dich nicht.
 
 
Cecil
 
 
Junia selbst verlangt?…
 
 
Junia
 
 
…eine Probe deiner Zärtlichkeit.
 
 
Cecil
 
 
Dein Cecil sollte?…
 
 
Junia
 
 
…sich vielmehr auf die Hilfe des Himmels und seiner Liebsten Treue verlassen, als an beiden so sehr zweifeln.
 
 
Cecil
 
 
(Schrecklich!) Hier nimm ihn, Barbar.
 
 
Silla
 
 
Fort nun, in das tiefste Gefängnis den Schuldigen. Die verbotene Luft soll ihm übel bekommen. Und du, Verräterin! auch du wirst deine Schandtat in schweren Banden bereuen.
 
 
Silla
 
     
 
    Ja, euern Eigensinn
 
 
Werd ich zu beugen wissen.
 
 
Cecil
 
     
 
    Ich bleibe, wie ich bin,
 
 
mich druckt kein bös Gewissen.
 
 
Junia
 
     
 
    Nimm, Liebster! dieses Pfand,
 
 
an deiner Seit zu sterben.
 
 
Silla
 
     
 
    Grausame! diese Hand
 
 
verdienet zu verderben.
 
 
Cecil, Junia
 
     
 
    Liebt mich mein bestes Gut;
 
 
so opfre ich erfreut,|und ich in Fröhligkeit,
 
 
Tyrann! mein junges Blut.
 
 
zu dritt
 
 
Silla
 
     
 
    Solche Unerschrockenheit,
 
 
solcher Mut und solche Treu,
 
 
setzen mich in Zorn und Neid,
 
 
machen Wut und Rasen neu.
 
 
Cecil, Junia
 
     
 
    Liebe und Beständigkeit,
 
 
die wir zu einander tragen,
 
 
bringen uns Zufriedenheit,
 
 
können alle Furcht verjagen.
 
 
 
 
Ende der zwote Abhandlung.