Dritter Auftritt
 
 
Cecil und Cinna.
 
 
Cecil
 
 
Glaubst du, mein Freund! Celia werde das rachgierige Herz des Tyrannen, der aus ungerechtem Hass den Tiberstrom mit Bürgerblut gefärbet, so leicht zur Tugend zurückbringen können?
 
 
Cinna
 
 
Celia vermag sehr viel über dessen unbeständige Seele; und außer dem sind vielleicht auch die Tränen der Junia im Stand…
 
 
Cecil
 
 
O, Junia setzet sich dadurch den empfindlichsten Beleidigungen aus. So geschwind verlässt kein Tyrann die gewohnte Lasterbahn. Ach nein: Das ist nicht zu hoffen. Junia, meine höchst betrübte Junia sei dir, Freund! empfohlen. Verhindere, damit sie meinem größten Feind nicht zur Beute werde. Räche meinen Tod mit seinem Blut, so wird meine aufgebrachte Seele in jenem Reich in Ruhe wandeln.
 
 
Cinna
 
 
Nur keine Todesgedanken. Verachtet Silla den Wink der Tugend, so ist sein Fall gewiss.
 
     
 
    Der freche Sünder zagt,
 
 
wann hohler Donner brüllt;
 
 
der fromme Hirt, den kein Gewissen plagt,
 
 
steht ruhig da, von Laub und Zweig umhüllt.
 
     
 
    Tyrannen fehlet Ruh,
 
 
weil alles sie erschreckt;
 
 
die Unschuld sieht dem Tod gelassen zu,
 
 
wann er die scharfe Sense auf sie reckt.
 
 
(geht ab)
 
 
Vierter Auftritt
 
 
Cecil, hernach Junia.
 
 
Cecil
 
 
Auch ich erwarte mein äußerstes Schicksal ohne Schrecken. Mein banges Seufzen, meine Tränen sind nur für Junien.
 
 
Junia
 
 
O liebster Gemahl…
 
 
Cecil
 
 
O Himmel! Junia hier?
 
 
Junia
 
 
Treue, Tränen, unsere Liebe eröffneten mir den Weg.
 
 
Cecil
 
 
Aber Silla… Ach, rede: Hat Silla…
 
 
Junia
 
 
Der Grausame lässt mich, o Gott! lässt mich hierher, um dir – das letzte Lebewohl zu sagen.
 
 
Cecil
 
 
Also keine Hoffnung, kein Erbarmen?
 
 
Junia
 
 
Aber ich will mit dir sterben… Weder Tränen noch Bitten konnten ihn bewegen. Er verlanget deinen Tod oder meine Hand.
 
 
Cecil
 
 
Wozu wird Junia sich entschließen?
 
 
Junia
 
 
Dich, wie gesagt, nicht zu überleben.
 
 
Cecil
 
 
Wegen mir so schöne Tage abkürzen wollen?
 
 
Junia
 
 
Hiezu verbinden mich Liebe und kindliche Pflicht.
 
 
Fünfter Auftritt
 
 
Aufid mit Wache, die Vorigen.
 
 
Aufid
 
 
Cecil! Folge mir.
 
 
Junia
 
 
Zum Tod… rede… zum Tod?
 
 
Aufid
 
 
Ich weiß nicht.
 
 
Cecil
 
 
So empfang, Liebste! den Abschiedskuss.
 
 
Junia
 
 
(zu Aufid)
 
 
Antworte… O Gott!
 
 
Aufid
 
 
Ich muss schweigen und gehorchen.
 
 
Cecil
 
 
Ach! dass wir diesen flüchtigen Augenblick nicht versäumen. Komm, mein Leben! komm zur letzten, zur zärtlichsten Umarmung.
 
 
Junia
 
 
O Liebster… O Gott! Warum erblasse ich nicht hier in deinen Armen?
 
 
Cecil
 
 
Ach, Junia! Genug, genug! Deine Tränen sind mir empfindlicher als der Tod.
 
     
 
    Geliebtes Licht!
 
 
Ach, weine nicht:
 
 
Mein Herze bricht,
 
 
eh ich abscheid.
 
     
 
    Mein Geist, im Leben
 
 
dir so ergeben,
 
 
wird nie sich heben
 
 
von deiner Seit.
 
 
(geht ab)
 
 
Sechster Auftritt
 
 
Junia.
 
 
Junia
 
 
Geliebter… Ach… wohin, wohin? Ich folge dir nicht? Wer hält mich? Wer entdeckt mir?… Schrecken und Stille herrschen dort innen. Der Himmel selbst hört mich nicht an und verlässt mich. Vielleicht, vielleicht liegt Cecil schon im Blute. Ach! ich will, ehe er stirbt, auf seinem blutigen Körper den letzten Atemzug tun. Höre ich ihn nicht mit sterbender Stimme mich zu sich rufen? Ach, Liebster! sind das deine letzten Worte: so eile, so fliehe ich, zu fallen, wo du fielst.
 
     
 
    Schon seh ich ihn in seinem Blute liegen,
 
 
wie er mit kalter Todeshand mir winkt,
 
 
wie röchelnd, matt von Kämpfen, Streiten, Siegen,
 
 
er klagt, dass Junia nicht zu seiner Seite sinkt.
 
     
 
    Sie sinkt, Gemahl! Sie kämpft wie du, sie stirbt.
 
 
Willkommen Geist! in jenem frohen Leben:
 
 
Nun, da uns niemand mehr das Spiel verdirbt,
 
 
kann ich dir Proben reinrer Liebe geben.
 
 
(geht ab)
 
 
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Tempel der Vesta. Im Grund der unzudringliche Ort mit prächtigem Altar, allwo die vestalischen Jungfrauen das geheiligte Feuer bewahren, auf welches innere Zierraten des durchscheinenden weitläuftigen Gebäudes ans
 
 
Siebenter Auftritt
 
 
Silla, Cinna, Celia, Senatoren, Volk, Wache.
 
 
Silla
 
 
Celia! Cinna! genug. Rom und der Senat sollen über mein Betragen und über das Verbrechen des Cecils das Urteil fällen.
 
 
Cinna
 
 
Das Leben des Cecils kann dir nötiger sein, als du vielleicht nicht glaubest.
 
 
Celia
 
 
Deine Sicherheit… Die in Verzweiflung gebrachte Junia… Ihr für tod gehaltener Bräutigam.
 
 
Silla
 
 
Ich weiß, dass ich Feinde habe. Allein ein beleidigter Diktator verlangt Rache und wird sie auch erfüllt sehen. Ich will nicht immer in Furcht und Ängsten leben: Das wäre unerträglicher als der Tod selbst.
 
 
Celia
 
 
Ach, vergebliche Hoffnung, wann du dir einbildest, Ruhe und Sicherheit mit Blut zu erkaufen.
 
 
Cinna
 
 
Die rasende Junia wird alle Straßen mit Mord- und Klaggeschrei anfüllen. Das kann großen Eindruck auf die Gemüter deiner Gegner machen.
 
 
Silla
 
 
Ich sehe meine Gefahr besser, als du dir einbildest. Liebe, Ruhm, Rache, Zorn, Furcht streiten in mir. Die Liebe schmeichelt. Der Ruhm eifert. Der Zorn setzet mich in Glut, die Furcht in Schauer. Die Rache belebet mich und drohet mir. Bei so heftigen Anfällen muss Silla überwinden oder überwunden werden. Eine erhabene Handlung soll entscheiden, ob ich den glorreichen Lorbeerkranz, der meine Schläfe umwindet, verdiene. Rom, die ganze Welt seie hierüber mein Richter.
 
     
 
    Ich werde etwas wagen,
 
 
und stimmt der Himmel ein,
 
 
so soll von meinen Tagen
 
 
der heut der schönste sein.
 
     
 
    Dann wird ein neuer Glanz
 
 
aus meinen Taten strahlen,
 
 
ich werde solche ganz
 
 
mit Tugendlicht bemalen.
 
 
Achter Auftritt
 
 
Junia, unter Wache, und die Vorigen.
 
 
Junia
 
 
Niedere Seele, was verlangst du von mir? Rom, der Senat sind solche zu entschuldigen, dass sie einen so unwürdigen Bürger unter sich dulten? Ihr Väter, ihr Räte des Vaterlandes! erbarmet euch über eine unglückliche Braut und rächet den unschuldigen Tod meines Gemahls, dessen Blut noch rauchet.
 
 
Silla
 
 
Besänftige deinen Zorn, hemme den Lauf deiner Tränen, welche du umsonst vergießest. Seie in dem Angesichte Roms eine Zuschauerin meiner Verbrechen und Grausamkeit. Hier wirst du das Herz des Silla in Kurzem erkennen.
 
 
Letzter Auftritt
 
 
Cecil, Aufid, Wache, die Vorigen.
 
 
Junia
 
 
(Mein Liebster!)
 
 
Cinna
 
 
(Wen sehe ich?)
 
 
Celia
 
 
(Was für ein Geheimnis!)
 
 
Cecil
 
 
(Wie nun?)
 
 
Silla
 
 
Rom, der Senat, das Volk höre mich an. Hier erscheinet ein verwiesener Bürger, welcher die Gesetze übertreten und mit gewaffneter Hand in das Kapitol eingedrungen, um die grausamste Tat an mir auszuüben. Er verlangt keine Gnade. Er fürchtet sich nicht vor mir. Er lästert und verfluchet mich. Gegenwärtig ist der Augenblick, welcher sein Schicksal bestimmt. Silla bediene sich nun der Gewalt, welche Rom ihn anvertrauet. Junia schände und schmähe. Dieser unmenschliche Silla, dieser übermütige und so sehr verhasste Tyrann will, dass Cecil lebe und sich auf ewig mit dir vereinige.
 
 
(Er übergibt ihn der Junia.)
 
 
Junia
 
 
Ist das wahr… Mein Leben…
 
 
Cecil
 
 
Junia… Welch eine plötzliche Veränderung!
 
 
Aufid
 
 
(Was geschieht?)
 
 
Celia
 
 
(Dem Himmel sei Dank!)
 
 
Cinna
 
 
(Ich bin außer mir!)
 
 
Silla
 
 
Väter des Vaterlands! unterschreibet dieses Blatt. Es enthält die Namen aller euerer verwiesenen Mitbürger. Es seie ihnen erlaubt, in ihr Vaterland wieder zurückzukehren.
 
 
Cecil
 
 
Wie würdig bist du nun des höchsten Glanzes, unter welchem du sitzest.
 
 
Junia
 
 
Ich bin gezwungen, dich jetzt zu bewundern.
 
 
Aufid
 
 
(Ach! ich sehe meinen Sturz voraus!)
 
 
Silla
 
 
Bei dem offentlichen Vergnügen, bei den Lobeserhebungen, die man mir erteilet, schweiget allein Cinna, hält sich von meiner Seite entfernt und seufzet? (will ihn umarmen) Treuer Freund…
 
 
Cinna
 
 
Ach! nenne mich nicht so. Wisse, dass ich allzeit einen heimlichen Hass auf dich verbarg. Auf mein Geheiß kehrte Cecil nach Rom zurück. Ins Kapitol drang ich ein, um dich zu durchbohren, und außen hatte ich hundert Waghälse zu meiner Hilfe bereit. Ich allein habe das Feuer der Uneinigkeit zu deinem Schaden entzündet…
 
 
Silla
 
 
Du hast genug gesagt.
 
 
Celia
 
 
(Lebe wohl, süße Hoffnung!)
 
 
Silla
 
 
Empfange das Urteil deines Verrats: Celia, meine Schwester, sei deine zukünftige Gemahlin.
 
 
Junia
 
 
(Schöne Tugend!)
 
 
Cecil
 
 
(Wahre Großmut!)
 
 
Cinna
 
 
Himmel, ich erröte… Wie kann ich?…
 
 
Silla
 
 
Deine Reue ist mir genug. Ich vergesse alles.
 
 
Celia
 
 
(Wie erfreuet!) Endlich ist meine beständige Liebe belohnet. Die Tugend dieses Großmütigen…
 
 
Cinna
 
 
Nimm meine Hand.
 
 
Silla
 
 
Was sind alle meine Siege gegen den heutigen? Ewige Götter!
 
 
Aufid
 
 
Erlaube, dass auch ich zu deinen Füßen dich um Gnade anflehe. Auch ich bereue, dich durch niedere Schmeicheleien, durch meine Ratschläge…
 
 
Silla
 
 
Stehe auf. Auch dich begnadige ich. Ihr Römer! ihr Freunde! nehmet von meinem Haupt die glorreiche Krone. Ich bin kein Diktator mehr, euer Gleichen. Nun hat Rom seine Freiheit wieder. Nun werden die Tränen der Bürger gestillet. Hoheit ist nicht allzeit das beste Gut, sondern manchmal die Mutter der Furcht, des Verdrusses und der Verräterei. Aus Liebe zu ihr weichet der blinde Sterbliche oftmals von dem Pfade der Gerechtigkeit und Tugend. Nur diese mit Unschuld verknüpfet ist der Seele angenehmer als der verführerische Glanz hoher Würden. Dieses erfahre ich heut.
 
 
Chor
 
     
 
    Silla, welcher Rom vergnüget,
 
 
das nun lebt und sich erfreut,
 
 
hat zum größten Ruhme heut
 
 
schön sein eigen Herz besieget.
 
 
Cecil, Junia
 
     
 
    Ihm war stets das Glück zuwider,
 
 
mir scheint jetzt ein Gnadenblick.
 
 
Silla, Cinna
 
     
 
    Freud und Wonne kommen wieder
 
 
mit der Freiheit nun zurück.
 
 
Chor
 
     
 
    Silla, welcher Rom vergnüget,
 
 
hat sein eigen Herz besieget.
 
 
zu sechst
 
 
Cecil, Junia, Cinna, Celia, Silla, Aufid
 
     
 
    Niedrer Liebe Leidenschaft
 
 
wird durch Tugend überwunden.
 
 
Wahrlich! so ein Sieg hat Kraft:
 
 
Ihm wird keiner gleich gefunden.
 
 
 
 
Chor
 
     
 
    Silla, welcher Rom vergnüget,
 
 
das nun lebt und sich erfreut,
 
 
hat zum größten Ruhme heut
 
 
schön sein eigen Herz besieget.
 
 
Ende der Oper.