ZWEITER AKT
 
 
Säulengang, geschmückt mit Kriegstrophäen.
 
 
SZENE I
 
 
Silla, Aufidio und Wachen.
 
 
Rezitativ
 
 
Aufidio
 
 
Ich sagte dir voraus, o Herr, dass diese Stolze
 
 
um so starrsinniger sein wird, je mehr du
 
 
Gnade zeigst und Liebe.
 
 
Silla
 
 
Sie wird mich kaum mehr
 
 
kränken können. Ich bin entschlossen:
 
 
Sie muss sterben. Genug hab ich von ihr geduldet.
 
 
Aufidio
 
 
Kann dein treuer Freund
 
 
offen mit dir sprechen?
 
 
Silla
 
 
Sprich!
 
 
Aufidio
 
 
Du weißt,
 
 
dass es auf dieser Welt keine Helden gibt,
 
 
die nicht ihresgleichen haben. Selbst die Ämilier und Scipionen
 
 
hatten sie; trotz seiner Heldentaten,
 
 
hat der ruhmreiche Silla mehr als genug davon.
 
 
Silla
 
 
Ich weiß es nur zu gut.
 
 
Aufidio
 
 
Durch den Tod von Giunia
 
 
reichst du deinen Feinden
 
 
eine Waffe gegen dich. Sie ist die Tochter eines Marius,
 
 
und dieser Marius ist als Gefahr für dich
 
 
in seinen Freunden noch lebendig.
 
 
Silla
 
 
Was soll ich tun?
 
 
Aufidio
 
 
Vor dem Angesicht
 
 
des Volks und des Senats
 
 
sei die Stolze deine Frau. Täusche Eifer vor,
 
 
den alten Hass zu überwinden,
 
 
und so verschleiere die Gewalt. Wer wird sich deinem Willen
 
 
widersetzen? Bewaffnete
 
 
umgeben dich in reicher Zahl. Und jeder fürchtet
 
 
dich als einen Helden, der bisher jeden Bürgerzwist
 
 
bezwungen hat und herrscht.
 
 
Vor deinen Blicken zittern Rom und der Senat.
 
 
Herr, deine Macht sichert dir
 
 
die öffentliche Zustimmung. Stets folgt das Recht
 
 
dem Stärkeren. Wer umgeben ist von tausend Heeren,
 
 
beugt sich, um zu flehen?
 
 
Der fordert und befehlt, selbst wenn er redet und bittet.
 
 
Silla
 
 
Was soll ich tun,
 
 
wenn mich die undankbare Frau
 
 
verächtlich von sich weist,
 
 
vor den Augen Roms und des Senats?
 
 
Aufidio
 
 
Die Stolze
 
 
wird sich nicht länger widersetzen. Du wirst das hochmütige Herz
 
 
dem Spruch des Volks von Rom
 
 
sich fügen sehen.
 
 
Silla
 
 
Ich folge deinem Rate, Freund.
 
 
Ach Himmel!… Du sollst wissen… Meine Schwäche
 
 
will ich dir gestehen. Vor Bluttaten
 
 
und Gewalt
 
 
ist das Herz in Sillas Brust bedrückt,
 
 
von gräßlicher Gewissensqual
 
 
zerrissen. In einem solchen Augenblick
 
 
fühl ich den inneren Widerspruch. Ich schaudere davor
 
 
und will es, ich zittere, verachte oder liebe es und werde kühn.
 
 
Aufidio
 
 
Dieser Wankelmut, lass es dir sagen,
 
 
überschattet deine hohen Werte. Gewissensbisse
 
 
sind der Feigheit Kinder. Kühn und frohgemut
 
 
nimm meinen Rat.
 
 
Das stolze Weib sei, ihr zum Trotz,
 
 
gezwungen, deine Frau zu werden.
 
 
Nr. 8 Arie
 
 
Aufidio
 
     
 
    Ein Krieger, der erbleicht
 
 
vor eines Schwertes Blinken,
 
 
der geh nicht hin, im Feld
 
 
Beweise seiner Feigheit zu erbringen.
 
     
 
    Gibt er sich bald der feigen Furcht
 
 
und bald der Hoffnung hin,
 
 
was ist Wankelmut zu nennen,
 
 
wenn nicht dies?
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE II
 
 
Silla und Wachen, dann Celia.
 
 
Rezitativ
 
 
Silla
 
 
Ach, ich hätte nie geglaubt,
 
 
dass einen Mann von Ruhm und Größe
 
 
Niedertracht so hart ankäme.
 
 
Celia
 
 
Alles habe ich versucht bisher. Es ist vergeblich,
 
 
Giunias Herz durch Bitten und Versprechungen,
 
 
durch Schreck und Drohung zu bestürmen. Ach, mein Bruder,
 
 
du kannst dir nicht denken,
 
 
wie ich für dich…
 
 
Silla
 
 
Ich weiß, was du mir sagen willst.
 
 
Silla ist nicht weniger dankbar dem,
 
 
der sich vergeblich für ihn mühte.
 
 
Da jeglicher Erfolg vom Zufall abhängt, wird wahres Verdienst
 
 
nicht durch Widrigkeiten
 
 
geschmälert. Giunia wird noch heute
 
 
meine Frau.
 
 
Celia
 
 
Giunia deine Frau?
 
 
Silla
 
 
Verlange nicht zu wissen, wie.
 
 
Dass ich zufrieden bin,
 
 
genüge dir.
 
 
Celia
 
 
Warum verbirgst du ein Geheimnis?
 
 
Weshalb erklärst du
 
 
deine dunklen Worte nicht?
 
 
Silla
 
 
(Weil ein Geheimnis wenig sicher ist bei einer Frau.)
 
 
Mein Schweigen wird dir nun nicht mehr missfallen. Hör zu!
 
 
Ich wünsche dich heute noch
 
 
als Cinnas Frau zu sehen.
 
 
Celia
 
 
(Ich Glückliche!)
 
 
Lass, ach lass mich Cinna, deinem
 
 
treuen Freund,
 
 
diese frohe Botschaft bringen. Endlich können meine Lippen
 
 
ihm enthüllen, dass er mein Liebster ist.
 
 
Und dass ich immer, so wie jetzt, ihn verehren werde.
 
 
(Ab.)
 
 
Silla
 
 
Auf zum Kapitol,
 
 
den wohldurchdachten Plan voranzutreiben.
 
 
Ränkekunst sei angewandt, dass meine Feindin
 
 
zum Traualtar mir folgt. Ich weiß,
 
 
dass ich um jeden Preis
 
 
ihre Hand besitzen muss.
 
 
Gewissensbisse, ihr erwacht vergeblich wieder.
 
 
(Er geht mit den Wachen ab.)
 
 
SZENE III
 
 
Cecilio, ohne Helm und Mantel, mit bloßem Schwert, will Silla verfolgen. Cinna hält ihn zurück.
 
 
Cinna
 
 
Welche Raserei bringt dich hierher?
 
 
Cecilio
 
 
(Im Abgehen.)
 
 
Halte meinen Arm
 
 
nicht auf! Den Schritten
 
 
des Tyrannen folge ich. Der blanke Stahl
 
 
soll seine Brust durchbohren…
 
 
Cinna
 
 
Halt ein!
 
 
Und woher rührt
 
 
dein jäher Zorn?
 
 
Cecilio
 
 
(Wie oben.)
 
 
Es genüge dir zu wissen,
 
 
dass ich nicht einen Augenblick
 
 
die Tat verschieben kann…
 
 
Cinna
 
 
Und die Gefahr für dich?
 
 
Cecilio
 
 
Die fürcht ich nicht und brauche keinen Rat.
 
 
Cinna
 
 
Um Himmels willen, höre mich…
 
 
Enthülle mir… Sag mir… O Himmel! Welch ein Stammeln…
 
 
und welch wutentbrannter Blick…
 
 
die Verzweiflung, diese Raserei… die Mühe,
 
 
dich mir zu entwinden… diesem unheilvollen Wagnis
 
 
mutig dich zu stellen… Tausendfältiger Verdacht
 
 
erwacht in meiner Brust. Gib Antwort. Sprich…
 
 
Cecilio
 
 
(Wie oben.)
 
 
Alles sollst du wissen…
 
 
Cinna
 
 
Niemals
 
 
lasse ich dich fort.
 
 
Cecilio
 
 
Warum hältst du
 
 
des Volkes Rache auf?
 
 
Cinna
 
 
Weil ich wünsche,
 
 
dass sie sicher sei.
 
 
Cecilio
 
 
(Wie oben.)
 
 
Ungewiss wird sie nicht sein…
 
 
Cinna
 
 
Durch unzeitiges Wagnis,
 
 
das vergeblich ist,
 
 
willst du den Faden meines wohldurchdachten Plans
 
 
durchtrennen? Giunia wirst du wiedersehen, und nun,
 
 
wo du um ihretwillen dein Leben mehr noch lieben solltest,
 
 
stürzt du dich in ein derart kühnes Unterfangen, unbedacht?
 
 
Brich nun dein Schweigen, offenbare mir,
 
 
was dich in solchem Maße wütend machte.
 
 
Cecilio
 
 
Die schaurige Erinnerung entfacht im Busen
 
 
neuen Zorn. Hör zu und staune.
 
 
Als die bedrückte Seele
 
 
an der Seite meiner Braut
 
 
süße Stärkung fand in ihrer Pein
 
 
und Giunia kaum ihren Schritt
 
 
vom düsteren Ort
 
 
entfernte, umfing die Augen
 
 
leichter Schlummer. O Himmel!
 
 
Ich erstarre noch vor Schauder! Da schien
 
 
das kalte Grab ich aufgetan zu sehen,
 
 
in dem des Marius bleiche Glieder
 
 
ruhen. Das hohle Auge
 
 
richtet er auch mich
 
 
und schüttelt dreimal
 
 
zornig, wild das Haupt.
 
 
Ich hör, wie er mit heiserer Stimme ruft:
 
 
"Wozu hältst du dich
 
 
auf an meinem Grab, Cecilio? Geh hin und treibe an
 
 
zur allgemeinen Rache,
 
 
zum ersehnten Augenblick. An deiner Seite
 
 
hänge müßig nicht das Schwert. Ach, wenn du
 
 
dieses Werk, das des Marius ungerächter Schatten
 
 
dir heute auferlegt und rät, zu vollbringen säumst,
 
 
dann wirst du die Braut verlieren, und ich die Tochter."
 
 
Accompagnato
 
 
Cecilio
 
 
Der stolze Klang der Drohungsworte
 
 
erschütterte die Seele.
 
 
Vom bestürzten Auge
 
 
wich der Schlaf. Raserei entflammt mich
 
 
jäh. Und da erfasste ich den Stahl.
 
 
Ich hielt den Fuß nicht ängstlich mehr zurück.
 
 
Den schuldbeladenen Tyrannen hinzustrecken, kam ich her.
 
 
Ach, halte mich nicht mehr zurück…
 
 
Cinna
 
 
Bleib
 
 
und zügle nur ein wenig das wilde Toben
 
 
deines Zorns. Wenn Silla kommt,
 
 
bist du verloren…
 
 
Cecilio
 
 
Des Tyrannen Blicke
 
 
soll ich fürchten? Töten soll ihn
 
 
eine andere Hand? Niemals! Ich fühle
 
 
stets den bleichen
 
 
Schatten des Marius, der Rache sucht, um mich.
 
 
Der Widerhall der stolzen Worte
 
 
klingt, auch jetzt an deiner Seite,
 
 
immer mir im Ohr.
 
 
Lass mich…
 
 
Cinna
 
 
Ach, wenn die eigene Gefahr
 
 
du schon so sehr missachtest, dann denke wenigstens daran,
 
 
wie das Leben deiner Braut
 
 
von dem deinen abhängt. O Himmel! Und wie
 
 
für ihre teuren Tage…
 
 
Cecilio
 
 
O Giunia!… O Name!…
 
 
Freund, nur der Gedanke,
 
 
dass ich sie verlieren könnte,
 
 
entwaffnet meinen ungestümen Zorn.
 
 
Ach, lauf für mich und fliege,
 
 
vergieße du an meiner Stelle des Tyrannen Blut… O Götter!
 
 
An der Seite meines Feindes
 
 
bleibt die Braut inzwischen… Ach!… Und wer verteidigt sie?…
 
 
Doch, wenn er kommt?… O Gott! Welch ein Widerstreit,
 
 
ihr ewigen Götter, welche Qual! Angst und Kummer,
 
 
Zorn und Hoffnung, Raserei fühle ich in meinem Herzen.
 
 
Was siegen wird, weiß ich noch nicht. Was soll ich denken?
 
 
Bin ich noch nicht entschlossen?
 
 
Giunia will ich retten oder sterben, ihr zur Seite.
 
 
Nr. 9 Arie
 
 
Cecilio
 
     
 
    Dieses Beben,
 
 
das meine Brust so jäh erfasst,
 
 
ich weiß nicht, ob es Hoffnung ist,
 
 
ich weiß nicht, ob es Raserei ist.
 
     
 
    Der Seele Aufruhr,
 
 
wildes Toben,
 
 
sei es Hoffnung oder Wut,
 
 
fürchten soll es der Verräter.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE IV
 
 
Cinna, dann Celia.
 
 
Rezitativ
 
 
Cinna
 
 
Ach ja, nun rasch zur Tat! Wenn der Himmel
 
 
weiterhin die Strafe für den Frevler aufschiebt, soll man dann warten,
 
 
bis sich die Übeltaten
 
 
der Tarquinier
 
 
in unseren Zeiten wiederholen?
 
 
Celia
 
 
Welcher Kummer, welche Sorgen
 
 
umwölken deine Stirn?
 
 
Cinna
 
 
Celia, anderswo
 
 
sollte ich schon sein.
 
 
Halte mich nicht auf…
 
 
Celia
 
 
Immer fliehst du mich?
 
 
Cinna
 
 
(Im Abgehen.)
 
 
Leb wohl!
 
 
Celia
 
 
Für einen Augenblick nur
 
 
hör mich an. Dann geh.
 
 
Cinna
 
 
Was begehrst du?
 
 
Celia
 
 
(O Götter,
 
 
reden möchte ich und kann es nicht.)
 
 
Wissen sollst du, dass mein Bruder…
 
 
Cinna
 
 
Sprich!
 
 
Celia
 
 
…wünscht…
 
 
(Ach, ich bin verwirrt und fürchte,
 
 
dass mich der Grausame nicht liebt.) Ja, wissen sollst du… (Himmel!
 
 
Wieso bin ich vor ihm, den ich verehre,
 
 
so verwirrt? Heute noch wird er mein Mann.
 
 
Und es ihm zu enthüllen, wag' ich nicht?…)
 
 
Cinna
 
 
Dein Stammeln
 
 
kann ich nicht verstehen.
 
 
Celia
 
 
(Angeblich, Undankbarer!)
 
 
Jetzt, wo ich in Zweifeln schweige,
 
 
spricht nicht mein Herz
 
 
zu dir, für mich? Was kann ich noch sagen?
 
 
Meine Blicke schmachten leider schon zu sehr,
 
 
und mein Schweigen sagt dir schon genug.
 
 
Nr. 10 Arie [Cavatina]
 
 
Celia
 
     
 
    Wenn diese Lippen, allzu schüchtern,
 
 
die Flammen im Verborgenen
 
 
nicht aufzudecken wagen,
 
 
sollen diese Augen
 
 
für sie sprechen,
 
 
enthüllen sollen sie
 
 
mein ganzes Herz.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE V
 
 
Cinna, dann Giunia.
 
 
Rezitativ
 
 
Cinna
 
 
Aus Liebe einer Schwäche nachzugeben,
 
 
fähig war Cinnas Seele
 
 
bisher nicht. Sollte sie sich jemals
 
 
so erniedrigen, dann habe nicht
 
 
die Schwester eines niederträchtigen Usurpators
 
 
dieses Herzens ersten Preis.
 
 
Giunia nähert sich. Ach, sie allein nur kann
 
 
das große Werk vollbringen, das ich im Sinne habe.
 
 
Erregt scheint sie, in Schmerz versunken
 
 
und in düsteren Gedanken.
 
 
Giunia
 
 
Silla will von mir,
 
 
dass ich dem Volk und dem Senat mich zeige.
 
 
Was will der Niederträchtige damit? Ist seine Absicht dir bekannt?
 
 
Cinna
 
 
Näher als du vielleicht denkst
 
 
ist heute Sillas Tod,
 
 
als Rache für die Freiheit Roms.
 
 
Giunia
 
 
So erhoffen wir denn alles
 
 
von der Barmherzigkeit des Himmels. Inzwischen
 
 
überlass ich deiner Sorge
 
 
den geliebten Bräutigam.
 
 
Als ich ihn tot geglaubt,
 
 
verdankte ich die Freude, ihn zu sehen, dir.
 
 
Nun wache über ihn, bemühe dich, ihn
 
 
vor den Blicken des Tyrannen zu verbergen.
 
 
Cinna
 
 
Vertraue mir
 
 
und fürchte nicht um seine Lebenstage. Hör zu.
 
 
Weißt du, was Silla vorhat, angesichts der Senatoren und des Volks von Rom?
 
 
Deine Hand will er,
 
 
und als Rechtfertigung für die Gewalt will er ihre Zustimmung.
 
 
O Giunia, den ganzen Plan
 
 
sehe ich voraus.
 
 
Giunia
 
 
Über mich
 
 
bestimme ich allein. Der feigen Angst
 
 
ergeben mag sich der Senat, nicht aber dieses Herz.
 
 
Cinna
 
 
Von dir, o Giunia, hängt, wenn du es willst,
 
 
ein Anschlag ab.
 
 
Giunia
 
 
Was kann ich tun?
 
 
Cinna
 
 
Ins Bett,
 
 
in welches er dich führt, folge dem Tyrannen.
 
 
Dort aber lasse er durch deine Hand sein Leben.
 
 
Giunia
 
 
O Himmel! Was sagst du?
 
 
Durch feige Täuschung sollte Giunia?…
 
 
Cinna
 
 
Unsinnige Angst!
 
 
Erinnere dich doch nur, dass immer schon,
 
 
das Blut von Frevlern zu vergießen,
 
 
den höchsten Göttern ein willkommenes Schauspiel war.
 
 
Giunia
 
 
Wenn ein Plebejerleben uns schon heilig ist,
 
 
wie sollte dann
 
 
nicht kalter Schauder aufsteigen in der Brust,
 
 
wenn ich den Diktator selbst durchbohren soll?
 
 
Ist er tyrannisch auch und ungerecht,
 
 
hat er doch den Vorsitz über Rom und den Senat.
 
 
Vergeblich nimmst du an,
 
 
dass ich mich seines Todes schuldig machen könnte.
 
 
Opfer sei er, aber von der Hand der Götter.
 
 
Cinna
 
 
Hätte Brutus sich an jenem Tag gefürchtet,
 
 
die Götter zu beleidigen,
 
 
verdankte Rom ihm seine Freiheit nicht.
 
 
Giunia
 
 
Doch Brutus brach
 
 
die Knechtesketten
 
 
der Freiheit Roms auf freiem Feld,
 
 
und nicht in Feigheit. Mein Name sei niemals
 
 
in künftigen Zeiten
 
 
befleckt
 
 
durch niedrigen Betrug. Bewahre mir, o Freund,
 
 
bewahre mir den Liebsten! Denke doch
 
 
an seine Rettung nur. Die Rache
 
 
überlass dem Himmel.
 
 
Geh, eile…
 
 
Der Liebste könnte, fern von dir,
 
 
durch übermäßigen Wagemut… Die ungestüme
 
 
Seele kennst du ja! Hab Mitleid,
 
 
hilf, dass er vor jedem Blick verborgen bleibe.
 
 
Sag du ihm, dass er, wenn er mich liebt
 
 
und mir ergeben ist,
 
 
seine und auch meine Lebenstage hüten soll.
 
 
Dir vertraue ich ihn an.
 
 
Nr. 11 Arie
 
 
Giunia
 
     
 
    Wenn ich die schrecklichen Gefahren
 
 
meines Liebsten mir in Erinnerung rufe,
 
 
lässt alles mich erschaudern,
 
 
lässt alles mich erstarren.
 
     
 
    Wenn über seinem teuren Leben
 
 
nicht die Freundschaft wacht,
 
 
von wem ist Hilfe zu erhoffen,
 
 
von wem Barmherzigkeit?
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE VI
 
 
Cinna allein.
 
 
Accompagnato
 
 
Cinna
 
 
Ach, das unwürdige Joch
 
 
sei nun abgeschüttelt. Lang genug
 
 
war Rom der Knechtschaft unterworfen.
 
 
Wenn Giunia es ablehnt,
 
 
das Blut der Frevlers zu vergießen, wird ein Arm
 
 
nicht fehlen, der den mörderischen Stahl
 
 
ihm, nicht so ängstlich, in den Busen taucht.
 
 
Nr. 12 Arie
 
 
Cinna
 
     
 
    Im Augenblick des Glücks,
 
 
den er herbeibeschwört in seinen Wünschen,
 
 
soll er sein Leben lassen, mir zu Füßen
 
 
und zur Rache aller.
 
     
 
    Schon holt die stolze Rechte
 
 
glücklich aus zum Schlag,
 
 
und diese Rächerhand
 
 
ist ihm nicht mehr fern.
 
 
(Ab.)
 
 

Hängende Gärten.
 
 
SZENE VII
 
 
Silla, Aufidio und Wachen.
 
 
Rezitativ
 
 
Aufidio
 
 
Herr, auf dein Zeichen hin
 
 
ist der Senat bereit. Schon bald
 
 
hört er dich an.
 
 
Mit einem Kranz erlesener Scharen
 
 
hab ich indessen listig ihn umstellt.
 
 
Silla
 
 
Das Geheimnis verhehle dem Freund Cinna nicht.
 
 
Zum Werk ist seine Unterstützung nötig.
 
 
Ach, dass ich mich
 
 
in mir nicht wiederfinde! Wohin ich mich auch wende,
 
 
haben immer die Gedanken
 
 
lieblich das Bild der Grausamen vor sich.
 
 
Ihr lieber Name klingt mir immer auf den Lippen,
 
 
und das Herz spricht nur von ihr.
 
 
Aufidio
 
 
Auf dem Höhepunkt des Glücks
 
 
sehe ich dich schon. Benütze deine Macht,
 
 
die der Himmel dir gegeben hat. Rom und der Senat
 
 
und jede stolze Seele
 
 
sollen nun vor deiner Macht die Stirn zu deinen Füßen beugen.
 
 
(Ab.)
 
 
Silla
 
 
Ja, mit Bürgerblut
 
 
werde ich die Straßen überschwemmen, wenn sich Rom in Hochmut
 
 
heute gegen Sillas Wünsche stellt.
 
 
Das Recht dazu hab ich im Herzen und im Arm.
 
 
Giunia?… Welcher Anblick! Ein so schönes Angesicht entschuldigt
 
 
meine Schwäche… Doch die Beleidigungen?…
 
 
Ach Götter, sehe ich sie,
 
 
dann bin ich nicht mehr der gekränkte Herrscher,
 
 
vergesse die Missachtung und verzeihe sie.
 
 
SZENE VIII
 
 
Giunia, Silla und Wachen.
 
 
Rezitativ
 
 
Giunia
 
 
(Silla? Der verhasste Anblick
 
 
ist mir eine Qual. Ich fliehe.)
 
 
Silla
 
 
Verweile doch.
 
 
Hab Mitleid, höre mich. Du machst aus mir
 
 
den Unglücklichsten der Sterblichen,
 
 
wenn du als Feindin vor mir fliehst…
 
 
Giunia
 
 
Was forderst du?
 
 
Geh, Verräter! (Ich zittere und habe Angst
 
 
um meinen Liebsten.)
 
 
Silla
 
 
Ach nein, ich bin nicht so tyrannisch,
 
 
wie du glaubst! Sillas Seele ist
 
 
der Tugend fähig. Ich kann dein schönes Auge
 
 
nicht so ernst ertragen…
 
 
Giunia
 
 
(Im Abgehen.)
 
 
Der Tugend fähig? Lügner.
 
 
Silla
 
 
Höre mich…
 
 
Giunia
 
 
Ich höre dich nicht an.
 
 
Silla
 
 
Willst du…
 
 
Giunia
 
 
Ja, ich will
 
 
verachten dich und sterben.
 
 
Silla
 
 
Sterben?
 
 
Giunia
 
 
Ein Römerherz
 
 
fürchtet keinen Tod.
 
 
Silla
 
 
Und du könntest?…
 
 
Giunia
 
 
Ja, ich kann,
 
 
eher als dich lieben, sterben. Geh!
 
 
Silla
 
 
Sterben wirst du, Stolze, aber nicht allein.
 
 
Nr. 13 Arie
 
 
Silla
 
     
 
    Jedes Mitleid leg ich ab,
 
 
kühnes, freches Weib.
 
 
Wenn es dir gefällt zu sterben,
 
 
werde ich den starren Stolz
 
 
bald zittern sehen.
 
     
 
    (Doch schlägt mein Herz…
 
 
Verlieren, die ich liebe?…
 
 
Durchbohren als Barbar
 
 
das teure Wesen?…)
 
     
 
    Was sage ich?
 
 
Ist meine Seele
 
 
feig in solchem Maße?
 
 
Zorn und Raserei erfassen mich.
 
 
Zu sterben sehnst du dich?
 
 
Grausam nennst du mich?
 
 
Zittre davor, o Falsche,
 
 
ich werde grausam sein.
 
 
(Sulla geht mit den Wachen ab.)
 
 
SZENE IX
 
 
Giunia, dann Cecilio.
 
 
Rezitativ
 
 
Giunia
 
 
Was habe ich vernommen, ewige Götter? Welch dunkles,
 
 
schreckliches Geheimnis
 
 
war in seinen Worten? Allein soll ich nicht sterben?
 
 
Barbar, was willst du damit sagen?… Ach, was sehe ich?…
 
 
Mein Bräutigam?… Was ist geschehen?…
 
 
Ach, Unbesonnener, wo willst du hin?
 
 
Du weißt wohl, dass in diesen Mauern
 
 
dein Leben niemals sicher ist. Hast du nicht Angst,
 
 
dieselbe Luft zu atmen
 
 
wie die Feinde? In diesem Augenblick
 
 
ist der Tyrann gegangen. Ich zittere… So fliehe doch…
 
 
Ach, wenn die Blicke des Tyrannen…
 
 
Cecilio
 
 
Die Gefahr für dich, o Giunia, ist meine größte Angst.
 
 
Giunia
 
 
Um Himmels willen, kehre um,
 
 
wenn du mich liebst, mein Teurer. Kehre zurück
 
 
an deinen finsteren Zufluchtsort.
 
 
Welche Marter ist es doch für mich, dich hier zu sehen!
 
 
Cecilio
 
 
Deine Angst, o Liebste,
 
 
soll meine Freude
 
 
nicht verbittern.
 
 
Giunia
 
 
Eine Freude, die düster ist,
 
 
da sie meinem Herzen einen eisigen Schrecken
 
 
einjagt und über dein weiteres Leben
 
 
entscheiden kann. Verstecke dich! Ach, seit ich lebe,
 
 
nein… welch ähnliche Bedrängnis…
 
 
Cecilio
 
 
Du willst, dass ich dem Feigling dich allein zum Raube lasse?
 
 
Dass der gottlose Tyrann dich
 
 
mit Gewalt und widerrechtlich
 
 
zum Traualtare schleppen will vor dem Senat, ist mir bekannt. Und ich, der ich die liebe,
 
 
könnte fern von deiner Seite sein
 
 
und nicht vor Kummer sterben? Wenn man vergebens einen Arm
 
 
sucht, einen Stahl,
 
 
der das Blut des Grausamen vergießt, den ich hasse und verachte,
 
 
hier ist der Stahl und hier der Arm!
 
 
Giunia
 
 
Ach! Woran denkst du?… Aussetzen dich?…
 
 
Allein der äußersten Gefahr entgegengehen?…
 
 
Cecilio
 
 
Du hast Angst vor allem, ich fürchte mich vor nichts.
 
 
Bezähme deine Angst, du meine Hoffnung, und erinnere dich daran,
 
 
dass man übermäßige Furcht in einem Römerherzen
 
 
Feigheit nennen kann.
 
 
Giunia
 
 
Allzu große Kühnheit
 
 
nennt man Verwegenheit. Ach, verbirg dich,
 
 
o Geliebter! Diesen Augen gib in der Gefahr
 
 
nicht zum Weinen neuen Grund.
 
 
Cecilio
 
 
Ewige Götter! Dich verlassen?
 
 
Fliehen? Dich
 
 
der verruchten Hinterlist, dem Zorne
 
 
des Verräters überlassen, der sich mit dir vermählen will?
 
 
Giunia
 
 
Was kannst du fürchten, wenn
 
 
Beständigkeit und Liebe bei mir bleiben? Lauf doch,
 
 
lauf dorthin, von wo du flohst!
 
 
Befreie das Herz, das dich verehrt,
 
 
von seinem Schmerz und seiner Angst.
 
 
Genügt das nicht, so muss ich es befehlen!
 
 
Cecilio
 
 
An diesem Schreckenstag, o Giunia,
 
 
wenn ich vor dem Tyrannen mich verberge,
 
 
wer wacht, dich zu verteidigen?
 
 
Giunia
 
 
Der Himmel.
 
 
Cecilio
 
 
Ach, nur dass die Götter manches Mal…
 
 
Giunia
 
 
Wozu bringt dich
 
 
blinde Wut? Trotz
 
 
meiner Ängste bleibst du noch an meiner Seite.
 
 
Willst nicht gehen? Undankbarer! Sterben werd' ich noch!
 
 
Cecilio
 
 
Bleibe… Höre mich… O Götter!
 
 
So willst du mich verlassen? Ist das dein Wunsch?…
 
 
Giunia
 
 
Meinen Schritten
 
 
hüte dich zu folgen.
 
 
Cecilio
 
 
Zu sterben werd ich wissen,
 
 
nicht aber, dich zu lassen.
 
 
Giunia
 
 
(O Himmel!
 
 
Ich verliere ihn! Was tu ich nur?)
 
 
Cecilio
 
 
Du weinst, o Liebste…
 
 
Ach, dass deine Tränen…
 
 
Giunia
 
 
Ach, um dieser Tränen willen,
 
 
dieser Augen, ohne Hoffnung,
 
 
geh von mir! Verbirg dich! Lebe!
 
 
Cecilio
 
 
Wozu zwingst du mich!
 
 
Giunia
 
 
Nun,
 
 
kann ich also dieses Zeichen deuten
 
 
als Beweis für deine zärtliche Liebe?
 
 
Was sagst du mir, mein Leben?
 
 
Cecilio
 
 
Ja, ich verspreche es.
 
 
Giunia
 
 
Fliehe denn, mein Teurer. Du ängstigst dich vergebens,
 
 
wenn um mich du bangst. Denk,
 
 
dass der Himmel die Gerechten schützt und dass ich
 
 
zu den anderen nie gehören werde. Hier meine Hand zum Pfand
 
 
für das Versprechen
 
 
und die beständige Liebe,
 
 
die den nichtswürdigen Verräter auf den Tod verachtet.
 
 
Accompagnato
 
 
Cecilio
 
 
Wer weiß, ob dieses nicht
 
 
das letzte Mal ist, dass, o Gott, ich
 
 
meiner Liebsten teure Hand
 
 
zum Beweis der wahren Treue an den Busen drücke…
 
 
Giunia
 
 
Nein, fürchte nicht.
 
 
Liebe mich.
 
 
Flieh und hoffe.
 
 
Nr. 14 Arie
 
 
Cecilio
 
     
 
    Ach, wenn das grausame Geschick
 
 
mich zum Sterben ruft,
 
 
folg ich dir als treuer Schatten,
 
 
werde immer bei dir sein.
 
     
 
    Standhaft möchte ich mich zeigen,
 
 
sag ich dir Lebewohl, Geliebte,
 
 
doch fühl ich, wie der Fuß mir zittert,
 
 
o Gott, wenn ich dich lassen muss.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE X
 
 
Giunia, dann Celia.
 
 
Rezitativ
 
 
Giunia
 
 
Warum schlägst du im Busen,
 
 
mein kummervolles Herz?
 
 
Warum rinnen Tränen über mein Gesicht,
 
 
nun, wo ich den Bräutigam nicht mehr an meiner Seite sehe?
 
 
Celia
 
 
O Himmel! So in Tränen,
 
 
so leidend treff ich dich? Die starrsinnige Seele
 
 
schicke sich doch endlich in ihr Los.
 
 
Und Rom soll dich als Frau des Herrschers sehen.
 
 
Giunia
 
 
Lass mich in Ruhe, bitte.
 
 
Celia
 
 
Wenn in der Härte der Verbannung
 
 
Cecilio von uns geschieden ist, warum hegst du für ihn
 
 
unnützeTreue noch?
 
 
Giunia
 
 
(Ach, dieser Name
 
 
lässt mein Herz erstarren.)
 
 
Celia
 
 
Du blickst nicht auf,
 
 
und unter Schluchzen, Seufzen schweigst du mit bleichen Lippen?
 
 
Folge meinem Rat.
 
 
Giunia
 
 
Lass mich in Frieden.
 
 
Celia
 
 
Ich wünsche mir, dich froh zu sehen. Mein Bruder
 
 
wird auch mich heut glücklich
 
 
machen: Cinnas Hand
 
 
versprach er mir. Du weißt,
 
 
wie ich ihn treu verehre. Des Leidens und des Kummers
 
 
gedenke ich nicht mehr,
 
 
wenn mein Schicksal unter andern Sternen steht.
 
 
Nr. 15 Arie
 
 
Celia
 
     
 
    Wenn auf die dürren Felder
 
 
der Sommerregen fällt,
 
 
beleben Blätter sich und Blumen,
 
 
verschönern Wald
 
 
und Wiesen sich
 
 
und grünen wieder neu.
 
     
 
    So fängt auch diese Seele
 
 
in süßer Hoffnung und in Liebe
 
 
neu zu atmen an
 
 
nach langer Pein.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE XI
 
 
Giunia allein.
 
 
Accompagnato
 
 
Giunia
 
 
Oh, wie ist die Angst gewachsen
 
 
in einem Augenblick!
 
 
Ist es meines Unglücks
 
 
düstere Ahnung? Der Bräutigam ist, unbedacht,
 
 
dem Blick des niederträchtigen Tyrannen
 
 
vielleicht nicht mehr verborgen.
 
 
Zum Tod
 
 
hat er ihn schon verurteilt. Was soll ich tun in meiner Angst,
 
 
in meinem Schmerz?
 
 
Was denke ich?… Ich Elende! Ich zittere.
 
 
Ach nein, kein Zögern mehr.
 
 
Ich will vor den Senat. Zu seinen Füßen
 
 
will ich für den Liebsten
 
 
um Gnade und um Mitleid flehen. Verweigert er sie,
 
 
dann muss man den Himmel anrufen. Wenn der Himmel heute
 
 
das Ende des Geliebten vorgezeichnet hat,
 
 
so soll, wer ihn durchbohrt, auch mich durchbohren.
 
 
Nr. 16 Arie
 
 
Giunia
 
     
 
    Ich gehe, ich eile;
 
 
doch bricht mein Herz dabei, die Seele schwindet hin.
 
 
Nah fühl ich den Tod und kann nicht sterben;
 
 
ich tobe und erstarre, weine und quäle mich.
 
 
Ach, wenn ich doch
 
 
in solcher Qual nur sterben könnte!
 
     
 
    Doch mein tiefer Schmerz,
 
 
der um den Liebsten mich bedrückt,
 
 
macht an einem solchen Tag
 
 
barmherzig selbst den Tod.
 
 
(Ab.)
 
 

Kapitol.
 
 
SZENE XII
 
 
Silla und Aufidio treten auf, gefolgt von Senatoren, Volk und Bewaffneten unter dem freudigen Singen des nun folgenden Chores.
 
 
Nr. 17 Chor
 
 
Chor
 
     
 
    Wie Ruhm dein Haupt umkränzt,
 
 
tausend Heeren gegenüber,
 
 
so kröne jetzt die Liebe
 
 
deine Stirn, die Furcht gebietet.
 
 
Teil des Chors
 
     
 
    Der unbesiegte Arm umfange
 
 
sie, die du verehrst.
 
 
Der ganze Chor
 
     
 
    Und Myrthe sei geflochten
 
 
in den Lorbeerkranz des Kriegers.
 
 
Giunia tritt auf zwischen den Senatoren.
 
 
Rezitativ
 
 
Silla
 
 
Patrizier und Senatoren! Ich, der sich für Rom geschlagen hat,
 
 
ich, der für Rom gesiegt,
 
 
ich, der des Bürgerzwistes Fackel
 
 
durch seinen Ruhm erstickte, ich, der durch sein Verdienst den Frieden
 
 
nun regieren sieht am Tiber,
 
 
verlange einen Preis für meine Mühen.
 
 
Giunia
 
 
(Ewige Götter, steht mir bei!)
 
 
Silla
 
 
Nicht vergessen ist
 
 
der alte, unheilvolle Hass
 
 
zwischen Marius und Silla. An diesem Tage
 
 
streiche ich ihn ganz aus der Erinnerung. Ein heiliges Band
 
 
vereine mich mit seiner Tochter. Das süße Band
 
 
besänftige des Vaters Schatten. Ein Herrscher
 
 
und ein Bürger sucht keinen andern Preis für seine Mühen,
 
 
trotz des Lorbeers und des Ruhms.
 
 
Giunia
 
 
(Der Senat, er schweigt und stimmt mit seinem Schweigen
 
 
dem Willen des Tyrannen zu.)
 
 
Silla
 
 
Senatoren,
 
 
das allgemeine Einverständnis
 
 
sehe ich schon in den Gesichtern ausgedrückt.
 
 
Die frohen Rufe, die ich ringsum schallen höre,
 
 
sind ein sicheres Zeichen für die öffentliche Meinung.
 
 
Folge mir nun zum Traualtar…
 
 
Giunia
 
 
Nichtswürdiger! Hinweg!
 
 
Zu solcher Feigheit lässt sich
 
 
Rom und der Senat herbei? Törichte, beleidigende
 
 
Angst zwingt ihn, der schändlichen Gewalt
 
 
des Frevlers zu willfahren? Dass hier
 
 
auch nicht einer ist, dessen Brust
 
 
ein Römerherz umschließt…
 
 
Silla
 
 
Schweig. Sei klüger, reich mir deine Hand.
 
 
Aufidio
 
 
Durch meinen Mund
 
 
verlangt es so das ganze Volk von dir.
 
 
Silla
 
 
Also folge mir…
 
 
Giunia
 
 
(Sie will sich erdolchen.)
 
 
Komm mir nicht zu nahe!
 
 
Sonst stoße ich mir dieses Eisen in die Brust.
 
 
Silla
 
 
Der Stolzen
 
 
nehme man den Stahl. Und meinem Willen soll sie folgen.
 
 
SZENE XIII
 
 
Cecilio, mit bloßem Schwert, und die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Cecilio
 
 
Liebste, fürchte nichts.
 
 
Silla
 
 
(Wen sehe ich?)
 
 
Giunia
 
 
(O Gott!)
 
 
Aufidio
 
 
(Cecilio?)
 
 
Silla
 
 
Auf diese Weise
 
 
wurde ich von euch betrogen? Gegen mein Verbot
 
 
und dem Gesetz zum Trotz
 
 
kehrt Cecilio zurück und wagt es nun, mit Giunia vereint,
 
 
zu trachten nach dem Leben des Diktators?
 
 
Man binde den Verwegenen!
 
 
Giunia
 
 
(Unbesonnener!)
 
 
Herr…
 
 
Silla
 
 
Schweig! Nichtswürdige!
 
 
Ich fühle nur noch meinen Zorn.
 
 
(Zu Cecilio.)
 
 
Mit der neuen Sonne,
 
 
o Verräter, wirst du sterben.
 
 
SZENE XIV
 
 
Cinna, mit bloßem Schwert, und die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Silla
 
 
Wie? Bewaffnet mit dem Schwert,
 
 
verwirrt und unentschlossen,
 
 
Cinna, du?…
 
 
Cinna
 
 
(O Himmel! Alles ist verloren.
 
 
Irgendeinen Ausweg muss ich suchen
 
 
aus der verhängnisvollen Lage.) Zu meiner Überraschung
 
 
habe ich gesehen, wie Cecilio, mit bloßem Schwerte,
 
 
durch die Scharen
 
 
einen Weg sich bahnte. Die drohenden
 
 
und stolzen Augen, seine Wut
 
 
ließen mich Verrat befürchten.
 
 
Dich vor dieser Mörderhand zu schützen und zu retten,
 
 
kam ich her.
 
 
Silla
 
 
Ach geh, mein Freund, um aufzudecken,
 
 
ob auch noch andere Verräter…
 
 
Cinna
 
 
Verlass dich nur auf meine Treue,
 
 
Herr, und fürchte nichts.
 
 
(Fast habe ich die Fassung bei dem Aufeinanderprall verloren.)
 
 
(Ab.)
 
 
Silla
 
 
Den Verräter hier
 
 
entwaffne man, Aufidio!
 
 
Giunia
 
 
Haltet ein, o Gott!
 
 
Cecilio
 
 
Solang der Stahl mir bleibt,
 
 
weiß ich, wie ich dich zittern lassen kann.
 
 
Silla
 
 
So weit reicht
 
 
dein Übermut?
 
 
Giunia
 
 
(O Götter!)
 
 
Silla
 
 
Übergib die Waffe,
 
 
oder ich…
 
 
Cecilio
 
 
Vergeblich hoffst du das.
 
 
Giunia
 
 
Übergib sie, Teurer.
 
 
Cecilio
 
 
Feig zu sein lehrt mich
 
 
meine Braut?
 
 
Giunia
 
 
Widersetze dich doch nicht!
 
 
Cecilio
 
 
Und das willst du?…
 
 
Giunia
 
 
Die Beweise für dein zartes Fühlen
 
 
will ich.
 
 
Cecilio
 
 
Muss ich?…
 
 
Giunia
 
 
Du musst dich
 
 
meiner Treue und der Gunst des Himmels
 
 
anvertrauen und hoffen. Wenn du Zweifel zeigst, mein Liebster,
 
 
beleidigst du die Braut
 
 
und die gerechten Götter.
 
 
Cecilio
 
 
(Ich zittere vor Wut.)
 
 
(Zu Giunia.)
 
 
Du sollst zufrieden sein.
 
 
(Er wirft das Schwert weg.)
 
 
Nimm! − Barbar!
 
 
Silla
 
 
In das finsterste Gefängnis
 
 
werfe man den Schuldigen.
 
 
Ein wenig noch
 
 
werde ich die verbotene Luft
 
 
dich atmen lassen.
 
 
In Fesseln
 
 
wirst auch du, lügnerische Frau,
 
 
den Betrug bereuen.
 
 
Nr. 18 Terzett
 
 
Silla
 
     
 
    Demütigen kann ich heute
 
 
diesen wilden Stolz.
 
 
Cecilio
 
     
 
    Hoffe das nicht, Nichtswürdiger!
 
 
Ich werde stets derselbe sein.
 
 
Giunia
 
     
 
    Hier, mein Bräutigam, ein Pfand,
 
 
dass ich an deiner Seite sterben werde.
 
 
Silla
 
     
 
    Eure frevlerische Hand
 
 
verdient nur Ketten.
 
 
Giunia, Cecilio
 
     
 
    Wenn mich der|die Geliebte liebt,
 
 
geh ich froh ans Sterben.
 
 
a tre
 
 
Silla
 
     
 
    Diese unerschrockene Beständigkeit,
 
 
diese treue Liebe
 
 
zerreißen und verbrennen
 
 
mir das Herz.
 
 
Giunia, Cecilio,
 
     
 
    Meine unerschrockene Beständigkeit,
 
 
meine treue Liebe
 
 
trösten süß das Herz,
 
 
lassen mich nichts fürchten.
 
 
 
 
Ende des zweiten Aktes.