SZENE II
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Cecilio und Cinna.
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Rezitativ
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Cecilio
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Glaubst du etwa, Freund,
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dass Celia es vermag, mild zu stimmen dieses Herz,
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das gewöhnt ist an Vernichtung und das in ungerechtem Zorn,
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bisweilen trunken rasend,
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mit Bürgerblut den Tiber rötet?
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Cinna
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Ich weiß, was Celia vermag
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über diese unbeständige Seele. Auch Giunia
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könnte ihn vielleicht besänftigen
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mit ihren Tränen…
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Cecilio
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Welch bitterem Schimpf
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setzt sich meine Braut
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umsonst aus! So schnell wandelt sich
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ein Unmensch und ein Frevler nicht.
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Des Verbrechens Pfade zu verlassen,
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die zu benutzen ihm Gewohnheit ist seit langem,
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das bräuchte eines Gottes ganze Macht.
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Ach nein, mir bleibt
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kein Mitleid mehr und keine Hoffnung. Dir, Freund, empfehle ich
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die Braut in ihrem Kummer.
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Die Freundschaft soll zu ihrem Schutze wachen.
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Nein. − Meines Feindes Opfer sei sie nicht.
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Räche meinen Tod mit seinem Blute.
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Mein zorniger Geist
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hat dann erst Ruh im Reich der Toten.
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Cinna
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Der Gedanke an den Tod
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sei fern von dir. Wenn Silla
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weiter gegen die Vernunft und Pflicht handelt
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und auf seinem eigenen Ruin beharrt,
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dann soll der Gottlose in äußerster Gefahr
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nur zittern und erbleichen.
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Nr. 20 Arie
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Cinna
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Der Stolzen Herz
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füllt kalter Schreck,
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wenn Jupiter im Zorn die Blitze schleudert.
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Der Hirte aber, in des Lorbeers Schatten,
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bebet nicht.
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Fesseln und Vernichtung
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sollen die Tyrannen fürchten.
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Der lacht dem Tod ins Angesicht,
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dessen Herz frei ist von Schuld.
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(Ab.)
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SZENE III
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Cecilio, dann Giunia.
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Rezitativ
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Cecilio
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Ach, mein bitteres Los
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hat keinen Schrecken mehr für mich. Ich stöhne
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unter unverdienten Ketten
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um meiner Liebsten, nicht um meines Todes willen.
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Giunia
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Ach, geliebter Bräutigam!…
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Cecilio
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O Himmel!
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Wie? Du hier?
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Giunia
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Den Weg an diesen Schreckensort
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haben meine Treue, unsere Liebe, meine Tränen
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mir geöffnet.
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Cecilio
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Doch Silla… Sprich! Und Silla…
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Giunia
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Der Ruchlose… o Gott…
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lässt mich das letzte Lebewohl dir sagen.
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Cecilio
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So gibt es also für uns
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keine Hoffnung und kein Mitleid mehr?
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Giunia
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Mir bleibt nur noch, an deiner Seite zu sterben.
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Was hab ich nicht versucht bisher? Weinen, Klagen,
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Seufzer, Kummer, Bitten
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sind umsonst
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bei diesem unmenschlichen Herz,
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das deinen Tod will oder meine Hand.
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Cecilio
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Preis für mein Leben
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wäre also deine Hand? Und wie hat sich Giunia
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entschieden?
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Giunia
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An deiner Seite will ich sterben.
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Cecilio
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Deine Lebenstage möchtest du
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für mich beenden?…
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Giunia
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Mit dir sterben
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muss und will ich.
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Dazu verpflichten mich, o Liebster,
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die Gattenliebe und die Tochterpflicht.
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SZENE IV
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Aufidio mit Wachen und die Vorigen.
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Rezitativ
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Aufidio
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Cecilio, bald musst du
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meinen Schritten folgen.
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Giunia
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||
Vielleicht… zum Tod?…
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||
Sprich… Sag es mir…
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Aufidio
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Das weiß ich nicht.
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Cecilio
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Lass dich zum letzten Mal umarmen,
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meine Hoffnung…
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Giunia
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(Zu Aufidio.)
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Antworte doch… O Himmel!
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Aufidio
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Ich schweige und gehorche stets.
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Cecilio
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Lass uns den flüchtigen Augenblick,
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den uns das Schicksal gönnt,
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Geliebte, nicht verlieren. Ich gehe, lasse dich.
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Und in zärtlicher Umarmung
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nimm, meine Liebe, ganz mich hin.
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Giunia
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Ach, mein Liebster… O Götter!
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Wenn Marter töten kann,
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warum sterbe ich dann nicht jetzt in deiner Nähe?
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Cecilio
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Diese Tränen, o Gott! Ach ja,
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du weißt nicht, wie in meiner Brust die Tränen… Wissen sollst du, Liebste,
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dass in diesem Augenblick,
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mehr als der Tod,
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mir deine Tränen Kummer machen.
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Nr. 21 Arie
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Cecilio
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Geliebte Augen,
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weinet nicht;
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ihr tötet mich,
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bevor ich sterben muss.
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Um euch sein
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wird diese treue Seele;
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aufgelöst in Seufzern
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kehrt sie zurück.
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(Cecilio geht mit Aufidio und den Wachen.)
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SZENE V
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Giunia allein.
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Accompagnato
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Giunia
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Mein Bräutigam… mein Leben… Ach, wohin…
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wohin gehst du?
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Ich folge nicht? Und wer hält
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meinen Schritt zurück? Wer kann mir sagen?…
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Nichts ist um mich
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als Schreck und Stille hier! Der Himmel selbst
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hört mich nicht mehr, hat mich verlassen.
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Vielleicht entflieht die Seele meines Liebsten schon,
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fließt das Blut aus offenen Adern
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und verströmt sein Leben…
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Eh' er stirbt,
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will ich mein Leben aushauchen
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auf der bleichen Hülle… Was zögere ich?
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Warum bleib ich noch hier, verzweifelt?
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Ich höre − oder scheint es mir nur so? −
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den matten Klang der schwachen Stimme,
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die mich zu sich ruft. Ach, Liebster!
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Wenn dies die letzten Seufzer
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deiner Lippen sind,
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so laufe ich und fliege, dort zu fallen, wo du fielst.
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Nr. 22 Arie
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Giunia
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In den düstersten Gedanken an den Tod
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glaub ich den Gefährten schon entseelt zu sehen,
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wie er mit eisiger Hand auf seine Wunde weist,
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rauchend noch vom Blut,
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und zu mir sagt: "Was zögerst du zu sterben?"
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Ich wanke schon, verlösche, sterbe.
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Und eilig folge ich dem Schatten
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des angebeteten, dahingeschiedenen Bräutigams.
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(Ab.)
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Halle. |
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SZENE VI
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Silla, Cinna, Celia, Senatoren, Volk und Wachen.
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Rezitativ
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Silla
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Genug, Celia und Cinna. Rom und der Senat
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sollen Richter sein
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über meine Rechte und die Verbrechen anderer.
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Cinna
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Cecilios Leben
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kann dir nützlich sein,
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mehr als du denkst.
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Celia
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Deine Lebenstage…
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Giunia in Verzweiflung…
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ihr Gefährte tot geglaubt und ihren Armen nun gegeben…
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Silla
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Ich weiß, dass man mich immer mehr dem allgemeinen Hasse ausgeliefert hat.
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Doch ein Diktator, der betrogen wurde,
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will Rache, und er wird sie haben. Müde bin ich,
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stets zu fürchten und zu zittern.
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Das ungewisse und bewegte Leben,
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voll von bitteren Schrecken,
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ist ein Leben, um in jedem Augenblick zu sterben.
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||
Celia
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Ach, du hoffst vergeblich, wenn du hoffst,
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||
Sicherheit und Ruhe
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durch blutige Zerstörung zu finden.
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Cinna
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Die wutentbrannte Giunia
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wirst du mit ihren Tränen und Klagen
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die Straßen füllen sehen.
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In der Brust der Feinde,
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könnten diese Tränen,
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die an ihren Wimpern hängen, wecken…
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||
Silla
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Besser, als du denkst, erkenn ich die Gefahr.
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Wie Liebe, Rache, Ruhm,
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Zorn und Furcht mein Herz bestürmen, fühle ich.
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Sie kämpfen
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um die Vorherrschaft. Liebe lockt
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und schadet meinem Ruhm. Zorn entflammt mich,
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eisig fasst mich kalte Furcht.
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Die Rache spornt mich an und droht mir auch.
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Wilden Empfindungen zur Beute
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und zur Verteidigung bereit,
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ist Sillas Herz besiegt nun oder Sieger?
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||
Entscheiden möge
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die erhabene Tat am Ende,
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ob des Ruhmes Lorbeer ich verdiene,
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der meine Stirn umkränzt.
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Rom und die Welt will ich als Richter.
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SZENE VII
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Giunia mit Wachen und die Vorigen.
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||
Rezitativ
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||
Giunia
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Feige Seele, was forderst du von Giunia?
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Was willst du? Dulden Rom und der Senat
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einen nichtswürdigen Verräter,
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fühllos, stumpf in solchem Maße?
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Patrizier und Senatoren,
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Rache und Mitleid verlange ich von euch! Um Mitleid fleht
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die unglückselige Braut, und Rache will sie
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für den entseelten Schatten eines Bürgers, des Gefährten,
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der noch in seinem Blute liegt.
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Silla
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Beruhige den Zorn und trockne deine schöne Wimper.
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Unnütz sind die Tränen
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und umsonst die Raserei. Zeugin meiner Grausamkeit,
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meiner Verbrechen
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sollst du sein, und Sillas Herz
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wirst du an dieser Stätte kennenlernen.
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LETZTE SZENE
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Cecilio, Aufidio, Wachen und die Vorigen.
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Rezitativ
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Giunia
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(Mein Bräutigam?)
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Cinna
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(Was sehe ich?)
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Celia
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(Was für ein Geheimnis?)
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Cecilio
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||
(Was ist?)
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Silla
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Rom, Volk und Senat,
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so hört mich an. Ich führe einen Bürger vor,
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der geächtet ist
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und der es heimlich wagte, das Gesetz zu brechen.
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Er, der bewaffnet mit dem Schwert,
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versucht hat, neben meinen Wachen am Kapitol
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den Herrscher zu ermorden,
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sucht keine Gnade, vielmehr fürchtet er mich nicht,
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beschimpft mich und verachtet mich. Dies ist der Augenblick,
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der über ihn entscheidet. Silla übt
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die Macht hier aus, die Rom
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seinen Armen anvertraute. Giunia, höre
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und beschimpfe mich, wenn sie es kann. Der verruchte Silla,
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der hochmütige Tyrann, den alle hassen,
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will, dass Cecilio lebe und dein Gatte sei.
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(Er zeigt ihn Giunia.)
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Giunia
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Und das ist wahr?… Mein Leben…
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Cecilio
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Treue Braut… welch eine Freude…
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welch ein Wandel ist das?
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Aufidio
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(Was ist geschehen?)
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Celia
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(Lob den Göttern!)
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Cinna
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(Voll Staunen steh ich da.)
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Silla
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Patrizier und Senatoren. Ich will, dass alle,
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deren Namen dieses Blatt enthält −
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(Er zeigt einem Senator das Blatt.)
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es sind die Namen
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der verbannten Bürger −
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zur heimatlichen Schwelle wiederkehren.
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Cecilio
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Wie bist du nun des hohen Glanzes würdig,
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der dich umgibt.
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Giunia
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Dich zu bewundern, siehst du endlich mich gezwungen.
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Aufidio
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(Ach, meinen sicheren Untergang
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sehe ich voraus.)
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Silla
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||
Mitten
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in der allgemeinen Freude und bei so viel Lob,
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das alle Silla ehrlich spenden,
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||
weshalb ist Cinna nur von mir getrennt?
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Er seufzt und schweigt,
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verstrickt in düstere Gedanken?
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(Will ihn umarmen.)
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Treuer Freund…
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Cinna
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Ach, lass es doch,
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||
mich so zu nennen. Du sollst wissen, dass ich allzeit
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den wildesten Hass gegen dich
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||
in meinem Herzen verborgen habe. Durch mein Werk
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ist Cecilio zurückgekehrt nach Rom. Ich lief zum Kapitol,
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dich zu durchbohren, und bewaffnete, nicht fern,
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die Hand von hundert Wagemutigen.
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||
Den Zwist entfachte ich allein.
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Ich war die Gefahr für dich…
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||
Silla
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||
Genug hast du gesagt, und alles habe ich verstanden.
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||
Celia
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(Süße Hoffnung, lebe wohl.)
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||
Silla
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||
Nun fühlst du die Strafe
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jedes versteckten Ränkespiels:
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Celia, meine Schwester, werde deine Frau.
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Giunia
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(Welche Tugend!)
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Cecilio
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(Welch großmütiges Herz!)
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Cinna
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Gerechter Himmel,
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Schamröte brennt auf meinem Angesicht.
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Wie kann ich…
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Silla
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||
Die Gewissensqual ist mir genug. Ich vergesse alles.
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||
Celia
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(Wie froh bin ich!)
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(Zu Cinna.)
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Ach, belohne nun
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meine beständige Liebe. Zeige dich
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der Gnade, der Tugend
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und seines menschlichen Herzens würdig…
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Cinna
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Meine Hand.
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Silla
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Welcher meiner Siege
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könnte diesem gleichen, ewige Götter?
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Aufidio
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Lass mich zu deinen Füßen
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Gnade von dir erflehen. Meinen Rat,
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||
das schmeichlerische Lob
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bereue ich nun…
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Silla
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Erhebe dich, Aufidio. Ich verzeihe dir.
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||
So werde nun das hohe Werk
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von mir gekrönt. Freunde, Römer!
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||
Von meinem Haupte nehme ich
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den sieggewohnten, ehrenvollen Lorbeer:
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Nicht Herrscher bin ich mehr, ich bin euresgleichen.
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(Er legt den Lorbeerkranz nieder.)
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Die Freiheit sei dem Vaterlande
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hier gegeben. Der Bürger Tränen
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sollen nun getrocknet sein. Ach nein. Das höchste Gut
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ist nicht die irdische Größe. Mutter ist sie nur
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von Kummer, Angst,
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Betrug, Verrat. Führt sie doch
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den blinden Sterblichen eher ab vom Weg
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des Mitleids und des Rechts.
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Aus eigener Erfahrung weiß ich es,
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dass Unschuld und des Herzens Tugend
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der Seele willkommener sind
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als trügerischer Glanz.
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Nr. 23 Finale mit Chor [Ciaccona]
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Chor
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Der große Silla.
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Rom schöpft neuen Atem nun durch ihn.
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Jeden Ruhm und jedes Lob
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hat er heute übertroffen.
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Giunia, Cecilio
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Was für ihn ein herbes Los,
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ist für mich Glückseligkeit.
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Cinna, Silla
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Die Freiheit Roms
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zerreißt die Fesseln.
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Chor
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Der große Silla.
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Jeden Ruhm und jedes Lob hat er heute übertroffen.
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||
Giunia, Cecilio, [Celia], Cinna, Silla, [Aufidio]
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||
Tugend und Barmherzigkeit
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siegten über niedere Triebe.
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||
Silla, [Aufidio]
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||
Das eigene Herz zu überwinden,
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||
welcher Sieg kommt diesem gleich?
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||
Chor
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||
Es jubelt Rom am Kapitol
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froh und freudig Silla zu.
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||
Jeden Ruhm und jedes Lob
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||
hat er heute übertroffen.
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Ende der Oper.
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