DRITTER AKT
 
 
Vorhalle zu den Kerkern.
 
 
SZENE I
 
 
Cecilio in Ketten, Cinna, dann Celia und Wachen.
 
 
Rezitativ
 
 
Cinna
 
 
Ach Freund, den großen Schlag,
 
 
hast du allein verhindert. Nicht weit
 
 
vom Kapitol versteckt waren
 
 
deine Freunde und die meinen. Gefolgt
 
 
von ihnen, wollt ich durch die Scharen
 
 
einen blutigen Weg mir bahnen. Doch die Vorsicht
 
 
mäßigte die Wut. So vielen gegenüber,
 
 
was konnte ich, von wenigen umgeben, tun? Der Himmel
 
 
spornte mich zu neuer Kühnheit an. Die Freunde lasse ich,
 
 
und schweigend fasse ich das Schwert. Ich nähere mich dem Kapitol.
 
 
Als ich zum Streich ausholen will,
 
 
da fällt mein Blick auf dich. Das Eisen
 
 
zitterte in meiner Hand, und die Gefahr, in der du warst,
 
 
ließ mir das Herz erstarren. Ich war verwirrt und halte inne,
 
 
und weiß nicht, was ich sagen soll. Beinahe hätte der Tyrann das wohlgehütete Geheimnis
 
 
aufgedeckt.
 
 
Dass er mich gehen hieß,
 
 
hat die Verwirrung und den Schmerz verdeckt.
 
 
Cecilio
 
 
Wenn ich schon sterben muss,
 
 
so sterbe ich denn endlich. Es erschreckt mich nur, o Götter,
 
 
meine Braut…
 
 
Cinna
 
 
Fürchte nicht für sie.
 
 
Euch beide rette ich.
 
 
Celia
 
 
Giunia anzuhören,
 
 
weniger aufgebracht und weniger stolz,
 
 
versprach mein Bruder.
 
 
Cecilio
 
 
Giunia zu seinen Füßen?
 
 
Und warum?
 
 
Celia
 
 
Seinen Zorn
 
 
will sie besänftigen.
 
 
Cecilio
 
 
Umsonst versucht sie das.
 
 
Cinna
 
 
Höre, Celia. Dies ist
 
 
vielleicht der Augenblick, wo du dein Leben krönen kannst
 
 
durch ein erhabenes Werk.
 
 
Celia
 
 
Was soll ich tun?
 
 
Cinna
 
 
Aus Erfahrung weiß ich,
 
 
welcher Macht du über Sillas Herz dich rühmen kannst.
 
 
Eile hin, um ihm zu sagen,
 
 
dass der Himmel ihn verabscheut, Rom ihn hasst
 
 
und ihm das Verhängnis nicht mehr fern ist,
 
 
wenn er nicht in sich geht,
 
 
um diese blinde, ungesunde Liebe zu vergessen.
 
 
Celia
 
 
Der Bruder also…
 
 
Cinna
 
 
Der Tod erwartet ihn,
 
 
wenn er dem Rat nicht folgt.
 
 
Cecilio
 
 
Ach, alles,
 
 
alles wird vergeblich sein.
 
 
Celia
 
 
Versuchen werde ich
 
 
das schwere Werk: Wenn meine Bitten
 
 
die ersehnte Wirkung haben werden?
 
 
Cinna
 
 
Verspreche ich dir zur Belohnung meine Hand.
 
 
Celia
 
 
Der süße Preis
 
 
hebt meinen Mut. Wie bin ich glücklich,
 
 
wenn den Bruder ich aus so schrecklicher Gefahr
 
 
erretten kann und so den Liebsten mir gewinne.
 
 
Nr. 19 Arie [Cavatina]
 
 
Celia
 
     
 
    Ich höre Sturmgebraus,
 
 
und es glänzt freundlich mir kein Stern;
 
 
bin ich von Entsetzen auch umgeben,
 
 
so bleiben Lieb und Hoffnung doch
 
 
im Innern meines Herzens fest.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE II
 
 
Cecilio und Cinna.
 
 
Rezitativ
 
 
Cecilio
 
 
Glaubst du etwa, Freund,
 
 
dass Celia es vermag, mild zu stimmen dieses Herz,
 
 
das gewöhnt ist an Vernichtung und das in ungerechtem Zorn,
 
 
bisweilen trunken rasend,
 
 
mit Bürgerblut den Tiber rötet?
 
 
Cinna
 
 
Ich weiß, was Celia vermag
 
 
über diese unbeständige Seele. Auch Giunia
 
 
könnte ihn vielleicht besänftigen
 
 
mit ihren Tränen…
 
 
Cecilio
 
 
Welch bitterem Schimpf
 
 
setzt sich meine Braut
 
 
umsonst aus! So schnell wandelt sich
 
 
ein Unmensch und ein Frevler nicht.
 
 
Des Verbrechens Pfade zu verlassen,
 
 
die zu benutzen ihm Gewohnheit ist seit langem,
 
 
das bräuchte eines Gottes ganze Macht.
 
 
Ach nein, mir bleibt
 
 
kein Mitleid mehr und keine Hoffnung. Dir, Freund, empfehle ich
 
 
die Braut in ihrem Kummer.
 
 
Die Freundschaft soll zu ihrem Schutze wachen.
 
 
Nein. − Meines Feindes Opfer sei sie nicht.
 
 
Räche meinen Tod mit seinem Blute.
 
 
Mein zorniger Geist
 
 
hat dann erst Ruh im Reich der Toten.
 
 
Cinna
 
 
Der Gedanke an den Tod
 
 
sei fern von dir. Wenn Silla
 
 
weiter gegen die Vernunft und Pflicht handelt
 
 
und auf seinem eigenen Ruin beharrt,
 
 
dann soll der Gottlose in äußerster Gefahr
 
 
nur zittern und erbleichen.
 
 
Nr. 20 Arie
 
 
Cinna
 
     
 
    Der Stolzen Herz
 
 
füllt kalter Schreck,
 
 
wenn Jupiter im Zorn die Blitze schleudert.
 
 
Der Hirte aber, in des Lorbeers Schatten,
 
 
bebet nicht.
 
     
 
    Fesseln und Vernichtung
 
 
sollen die Tyrannen fürchten.
 
 
Der lacht dem Tod ins Angesicht,
 
 
dessen Herz frei ist von Schuld.
 
 
(Ab.)
 
 
SZENE III
 
 
Cecilio, dann Giunia.
 
 
Rezitativ
 
 
Cecilio
 
 
Ach, mein bitteres Los
 
 
hat keinen Schrecken mehr für mich. Ich stöhne
 
 
unter unverdienten Ketten
 
 
um meiner Liebsten, nicht um meines Todes willen.
 
 
Giunia
 
 
Ach, geliebter Bräutigam!…
 
 
Cecilio
 
 
O Himmel!
 
 
Wie? Du hier?
 
 
Giunia
 
 
Den Weg an diesen Schreckensort
 
 
haben meine Treue, unsere Liebe, meine Tränen
 
 
mir geöffnet.
 
 
Cecilio
 
 
Doch Silla… Sprich! Und Silla…
 
 
Giunia
 
 
Der Ruchlose… o Gott…
 
 
lässt mich das letzte Lebewohl dir sagen.
 
 
Cecilio
 
 
So gibt es also für uns
 
 
keine Hoffnung und kein Mitleid mehr?
 
 
Giunia
 
 
Mir bleibt nur noch, an deiner Seite zu sterben.
 
 
Was hab ich nicht versucht bisher? Weinen, Klagen,
 
 
Seufzer, Kummer, Bitten
 
 
sind umsonst
 
 
bei diesem unmenschlichen Herz,
 
 
das deinen Tod will oder meine Hand.
 
 
Cecilio
 
 
Preis für mein Leben
 
 
wäre also deine Hand? Und wie hat sich Giunia
 
 
entschieden?
 
 
Giunia
 
 
An deiner Seite will ich sterben.
 
 
Cecilio
 
 
Deine Lebenstage möchtest du
 
 
für mich beenden?…
 
 
Giunia
 
 
Mit dir sterben
 
 
muss und will ich.
 
 
Dazu verpflichten mich, o Liebster,
 
 
die Gattenliebe und die Tochterpflicht.
 
 
SZENE IV
 
 
Aufidio mit Wachen und die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Aufidio
 
 
Cecilio, bald musst du
 
 
meinen Schritten folgen.
 
 
Giunia
 
 
Vielleicht… zum Tod?…
 
 
Sprich… Sag es mir…
 
 
Aufidio
 
 
Das weiß ich nicht.
 
 
Cecilio
 
 
Lass dich zum letzten Mal umarmen,
 
 
meine Hoffnung…
 
 
Giunia
 
 
(Zu Aufidio.)
 
 
Antworte doch… O Himmel!
 
 
Aufidio
 
 
Ich schweige und gehorche stets.
 
 
Cecilio
 
 
Lass uns den flüchtigen Augenblick,
 
 
den uns das Schicksal gönnt,
 
 
Geliebte, nicht verlieren. Ich gehe, lasse dich.
 
 
Und in zärtlicher Umarmung
 
 
nimm, meine Liebe, ganz mich hin.
 
 
Giunia
 
 
Ach, mein Liebster… O Götter!
 
 
Wenn Marter töten kann,
 
 
warum sterbe ich dann nicht jetzt in deiner Nähe?
 
 
Cecilio
 
 
Diese Tränen, o Gott! Ach ja,
 
 
du weißt nicht, wie in meiner Brust die Tränen… Wissen sollst du, Liebste,
 
 
dass in diesem Augenblick,
 
 
mehr als der Tod,
 
 
mir deine Tränen Kummer machen.
 
 
Nr. 21 Arie
 
 
Cecilio
 
     
 
    Geliebte Augen,
 
 
weinet nicht;
 
 
ihr tötet mich,
 
 
bevor ich sterben muss.
 
     
 
    Um euch sein
 
 
wird diese treue Seele;
 
 
aufgelöst in Seufzern
 
 
kehrt sie zurück.
 
 
(Cecilio geht mit Aufidio und den Wachen.)
 
 
SZENE V
 
 
Giunia allein.
 
 
Accompagnato
 
 
Giunia
 
 
Mein Bräutigam… mein Leben… Ach, wohin…
 
 
wohin gehst du?
 
 
Ich folge nicht? Und wer hält
 
 
meinen Schritt zurück? Wer kann mir sagen?…
 
 
Nichts ist um mich
 
 
als Schreck und Stille hier! Der Himmel selbst
 
 
hört mich nicht mehr, hat mich verlassen.
 
 
Vielleicht entflieht die Seele meines Liebsten schon,
 
 
fließt das Blut aus offenen Adern
 
 
und verströmt sein Leben…
 
 
Eh' er stirbt,
 
 
will ich mein Leben aushauchen
 
 
auf der bleichen Hülle… Was zögere ich?
 
 
Warum bleib ich noch hier, verzweifelt?
 
 
Ich höre − oder scheint es mir nur so? −
 
 
den matten Klang der schwachen Stimme,
 
 
die mich zu sich ruft. Ach, Liebster!
 
 
Wenn dies die letzten Seufzer
 
 
deiner Lippen sind,
 
 
so laufe ich und fliege, dort zu fallen, wo du fielst.
 
 
Nr. 22 Arie
 
 
Giunia
 
     
 
    In den düstersten Gedanken an den Tod
 
 
glaub ich den Gefährten schon entseelt zu sehen,
 
 
wie er mit eisiger Hand auf seine Wunde weist,
 
 
rauchend noch vom Blut,
 
 
und zu mir sagt: "Was zögerst du zu sterben?"
 
     
 
    Ich wanke schon, verlösche, sterbe.
 
 
Und eilig folge ich dem Schatten
 
 
des angebeteten, dahingeschiedenen Bräutigams.
 
 
(Ab.)
 
 

Halle.
 
 
SZENE VI
 
 
Silla, Cinna, Celia, Senatoren, Volk und Wachen.
 
 
Rezitativ
 
 
Silla
 
 
Genug, Celia und Cinna. Rom und der Senat
 
 
sollen Richter sein
 
 
über meine Rechte und die Verbrechen anderer.
 
 
Cinna
 
 
Cecilios Leben
 
 
kann dir nützlich sein,
 
 
mehr als du denkst.
 
 
Celia
 
 
Deine Lebenstage…
 
 
Giunia in Verzweiflung…
 
 
ihr Gefährte tot geglaubt und ihren Armen nun gegeben…
 
 
Silla
 
 
Ich weiß, dass man mich immer mehr dem allgemeinen Hasse ausgeliefert hat.
 
 
Doch ein Diktator, der betrogen wurde,
 
 
will Rache, und er wird sie haben. Müde bin ich,
 
 
stets zu fürchten und zu zittern.
 
 
Das ungewisse und bewegte Leben,
 
 
voll von bitteren Schrecken,
 
 
ist ein Leben, um in jedem Augenblick zu sterben.
 
 
Celia
 
 
Ach, du hoffst vergeblich, wenn du hoffst,
 
 
Sicherheit und Ruhe
 
 
durch blutige Zerstörung zu finden.
 
 
Cinna
 
 
Die wutentbrannte Giunia
 
 
wirst du mit ihren Tränen und Klagen
 
 
die Straßen füllen sehen.
 
 
In der Brust der Feinde,
 
 
könnten diese Tränen,
 
 
die an ihren Wimpern hängen, wecken…
 
 
Silla
 
 
Besser, als du denkst, erkenn ich die Gefahr.
 
 
Wie Liebe, Rache, Ruhm,
 
 
Zorn und Furcht mein Herz bestürmen, fühle ich.
 
 
Sie kämpfen
 
 
um die Vorherrschaft. Liebe lockt
 
 
und schadet meinem Ruhm. Zorn entflammt mich,
 
 
eisig fasst mich kalte Furcht.
 
 
Die Rache spornt mich an und droht mir auch.
 
 
Wilden Empfindungen zur Beute
 
 
und zur Verteidigung bereit,
 
 
ist Sillas Herz besiegt nun oder Sieger?
 
 
Entscheiden möge
 
 
die erhabene Tat am Ende,
 
 
ob des Ruhmes Lorbeer ich verdiene,
 
 
der meine Stirn umkränzt.
 
 
Rom und die Welt will ich als Richter.
 
 
SZENE VII
 
 
Giunia mit Wachen und die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Giunia
 
 
Feige Seele, was forderst du von Giunia?
 
 
Was willst du? Dulden Rom und der Senat
 
 
einen nichtswürdigen Verräter,
 
 
fühllos, stumpf in solchem Maße?
 
 
Patrizier und Senatoren,
 
 
Rache und Mitleid verlange ich von euch! Um Mitleid fleht
 
 
die unglückselige Braut, und Rache will sie
 
 
für den entseelten Schatten eines Bürgers, des Gefährten,
 
 
der noch in seinem Blute liegt.
 
 
Silla
 
 
Beruhige den Zorn und trockne deine schöne Wimper.
 
 
Unnütz sind die Tränen
 
 
und umsonst die Raserei. Zeugin meiner Grausamkeit,
 
 
meiner Verbrechen
 
 
sollst du sein, und Sillas Herz
 
 
wirst du an dieser Stätte kennenlernen.
 
 
LETZTE SZENE
 
 
Cecilio, Aufidio, Wachen und die Vorigen.
 
 
Rezitativ
 
 
Giunia
 
 
(Mein Bräutigam?)
 
 
Cinna
 
 
(Was sehe ich?)
 
 
Celia
 
 
(Was für ein Geheimnis?)
 
 
Cecilio
 
 
(Was ist?)
 
 
Silla
 
 
Rom, Volk und Senat,
 
 
so hört mich an. Ich führe einen Bürger vor,
 
 
der geächtet ist
 
 
und der es heimlich wagte, das Gesetz zu brechen.
 
 
Er, der bewaffnet mit dem Schwert,
 
 
versucht hat, neben meinen Wachen am Kapitol
 
 
den Herrscher zu ermorden,
 
 
sucht keine Gnade, vielmehr fürchtet er mich nicht,
 
 
beschimpft mich und verachtet mich. Dies ist der Augenblick,
 
 
der über ihn entscheidet. Silla übt
 
 
die Macht hier aus, die Rom
 
 
seinen Armen anvertraute. Giunia, höre
 
 
und beschimpfe mich, wenn sie es kann. Der verruchte Silla,
 
 
der hochmütige Tyrann, den alle hassen,
 
 
will, dass Cecilio lebe und dein Gatte sei.
 
 
(Er zeigt ihn Giunia.)
 
 
Giunia
 
 
Und das ist wahr?… Mein Leben…
 
 
Cecilio
 
 
Treue Braut… welch eine Freude…
 
 
welch ein Wandel ist das?
 
 
Aufidio
 
 
(Was ist geschehen?)
 
 
Celia
 
 
(Lob den Göttern!)
 
 
Cinna
 
 
(Voll Staunen steh ich da.)
 
 
Silla
 
 
Patrizier und Senatoren. Ich will, dass alle,
 
 
deren Namen dieses Blatt enthält −
 
 
(Er zeigt einem Senator das Blatt.)
 
 
es sind die Namen
 
 
der verbannten Bürger −
 
 
zur heimatlichen Schwelle wiederkehren.
 
 
Cecilio
 
 
Wie bist du nun des hohen Glanzes würdig,
 
 
der dich umgibt.
 
 
Giunia
 
 
Dich zu bewundern, siehst du endlich mich gezwungen.
 
 
Aufidio
 
 
(Ach, meinen sicheren Untergang
 
 
sehe ich voraus.)
 
 
Silla
 
 
Mitten
 
 
in der allgemeinen Freude und bei so viel Lob,
 
 
das alle Silla ehrlich spenden,
 
 
weshalb ist Cinna nur von mir getrennt?
 
 
Er seufzt und schweigt,
 
 
verstrickt in düstere Gedanken?
 
 
(Will ihn umarmen.)
 
 
Treuer Freund…
 
 
Cinna
 
 
Ach, lass es doch,
 
 
mich so zu nennen. Du sollst wissen, dass ich allzeit
 
 
den wildesten Hass gegen dich
 
 
in meinem Herzen verborgen habe. Durch mein Werk
 
 
ist Cecilio zurückgekehrt nach Rom. Ich lief zum Kapitol,
 
 
dich zu durchbohren, und bewaffnete, nicht fern,
 
 
die Hand von hundert Wagemutigen.
 
 
Den Zwist entfachte ich allein.
 
 
Ich war die Gefahr für dich…
 
 
Silla
 
 
Genug hast du gesagt, und alles habe ich verstanden.
 
 
Celia
 
 
(Süße Hoffnung, lebe wohl.)
 
 
Silla
 
 
Nun fühlst du die Strafe
 
 
jedes versteckten Ränkespiels:
 
 
Celia, meine Schwester, werde deine Frau.
 
 
Giunia
 
 
(Welche Tugend!)
 
 
Cecilio
 
 
(Welch großmütiges Herz!)
 
 
Cinna
 
 
Gerechter Himmel,
 
 
Schamröte brennt auf meinem Angesicht.
 
 
Wie kann ich…
 
 
Silla
 
 
Die Gewissensqual ist mir genug. Ich vergesse alles.
 
 
Celia
 
 
(Wie froh bin ich!)
 
 
(Zu Cinna.)
 
 
Ach, belohne nun
 
 
meine beständige Liebe. Zeige dich
 
 
der Gnade, der Tugend
 
 
und seines menschlichen Herzens würdig…
 
 
Cinna
 
 
Meine Hand.
 
 
Silla
 
 
Welcher meiner Siege
 
 
könnte diesem gleichen, ewige Götter?
 
 
Aufidio
 
 
Lass mich zu deinen Füßen
 
 
Gnade von dir erflehen. Meinen Rat,
 
 
das schmeichlerische Lob
 
 
bereue ich nun…
 
 
Silla
 
 
Erhebe dich, Aufidio. Ich verzeihe dir.
 
 
So werde nun das hohe Werk
 
 
von mir gekrönt. Freunde, Römer!
 
 
Von meinem Haupte nehme ich
 
 
den sieggewohnten, ehrenvollen Lorbeer:
 
 
Nicht Herrscher bin ich mehr, ich bin euresgleichen.
 
 
(Er legt den Lorbeerkranz nieder.)
 
 
Die Freiheit sei dem Vaterlande
 
 
hier gegeben. Der Bürger Tränen
 
 
sollen nun getrocknet sein. Ach nein. Das höchste Gut
 
 
ist nicht die irdische Größe. Mutter ist sie nur
 
 
von Kummer, Angst,
 
 
Betrug, Verrat. Führt sie doch
 
 
den blinden Sterblichen eher ab vom Weg
 
 
des Mitleids und des Rechts.
 
 
Aus eigener Erfahrung weiß ich es,
 
 
dass Unschuld und des Herzens Tugend
 
 
der Seele willkommener sind
 
 
als trügerischer Glanz.
 
 
Nr. 23 Finale mit Chor [Ciaccona]
 
 
Chor
 
     
 
    Der große Silla.
 
 
Rom schöpft neuen Atem nun durch ihn.
 
 
Jeden Ruhm und jedes Lob
 
 
hat er heute übertroffen.
 
 
Giunia, Cecilio
 
     
 
    Was für ihn ein herbes Los,
 
 
ist für mich Glückseligkeit.
 
 
Cinna, Silla
 
     
 
    Die Freiheit Roms
 
 
zerreißt die Fesseln.
 
 
Chor
 
     
 
    Der große Silla.
 
 
Jeden Ruhm und jedes Lob hat er heute übertroffen.
 
 
Giunia, Cecilio, [Celia], Cinna, Silla, [Aufidio]
 
     
 
    Tugend und Barmherzigkeit
 
 
siegten über niedere Triebe.
 
 
Silla, [Aufidio]
 
     
 
    Das eigene Herz zu überwinden,
 
 
welcher Sieg kommt diesem gleich?
 
 
Chor
 
     
 
    Es jubelt Rom am Kapitol
 
 
froh und freudig Silla zu.
 
 
Jeden Ruhm und jedes Lob
 
 
hat er heute übertroffen.
 
 
Ende der Oper.