SZENE XII
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Silla und Aufidio treten auf, gefolgt von Senatoren, Volk und Bewaffneten unter dem freudigen Singen des nun folgenden Chores.
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Nr. 17 Chor
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Chor
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Wie Ruhm dein Haupt umkränzt,
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tausend Heeren gegenüber,
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so kröne jetzt die Liebe
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deine Stirn, die Furcht gebietet.
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Teil des Chors
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Der unbesiegte Arm umfange
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sie, die du verehrst.
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Der ganze Chor
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Und Myrthe sei geflochten
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in den Lorbeerkranz des Kriegers.
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Giunia tritt auf zwischen den Senatoren.
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Rezitativ
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Silla
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Patrizier und Senatoren! Ich, der sich für Rom geschlagen hat,
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ich, der für Rom gesiegt,
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ich, der des Bürgerzwistes Fackel
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durch seinen Ruhm erstickte, ich, der durch sein Verdienst den Frieden
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nun regieren sieht am Tiber,
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verlange einen Preis für meine Mühen.
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Giunia
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(Ewige Götter, steht mir bei!)
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Silla
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Nicht vergessen ist
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der alte, unheilvolle Hass
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zwischen Marius und Silla. An diesem Tage
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streiche ich ihn ganz aus der Erinnerung. Ein heiliges Band
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vereine mich mit seiner Tochter. Das süße Band
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besänftige des Vaters Schatten. Ein Herrscher
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und ein Bürger sucht keinen andern Preis für seine Mühen,
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trotz des Lorbeers und des Ruhms.
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Giunia
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(Der Senat, er schweigt und stimmt mit seinem Schweigen
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dem Willen des Tyrannen zu.)
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Silla
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Senatoren,
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das allgemeine Einverständnis
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sehe ich schon in den Gesichtern ausgedrückt.
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Die frohen Rufe, die ich ringsum schallen höre,
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sind ein sicheres Zeichen für die öffentliche Meinung.
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Folge mir nun zum Traualtar…
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Giunia
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Nichtswürdiger! Hinweg!
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Zu solcher Feigheit lässt sich
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Rom und der Senat herbei? Törichte, beleidigende
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Angst zwingt ihn, der schändlichen Gewalt
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des Frevlers zu willfahren? Dass hier
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auch nicht einer ist, dessen Brust
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ein Römerherz umschließt…
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Silla
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Schweig. Sei klüger, reich mir deine Hand.
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Aufidio
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Durch meinen Mund
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verlangt es so das ganze Volk von dir.
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Silla
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Also folge mir…
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Giunia
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(Sie will sich erdolchen.)
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Komm mir nicht zu nahe!
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Sonst stoße ich mir dieses Eisen in die Brust.
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Silla
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Der Stolzen
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nehme man den Stahl. Und meinem Willen soll sie folgen.
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SZENE XIII
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Cecilio, mit bloßem Schwert, und die Vorigen.
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Rezitativ
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Cecilio
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Liebste, fürchte nichts.
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Silla
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(Wen sehe ich?)
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Giunia
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(O Gott!)
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Aufidio
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(Cecilio?)
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Silla
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Auf diese Weise
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wurde ich von euch betrogen? Gegen mein Verbot
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und dem Gesetz zum Trotz
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kehrt Cecilio zurück und wagt es nun, mit Giunia vereint,
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zu trachten nach dem Leben des Diktators?
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Man binde den Verwegenen!
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Giunia
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(Unbesonnener!)
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Herr…
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Silla
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Schweig! Nichtswürdige!
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Ich fühle nur noch meinen Zorn.
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(Zu Cecilio.)
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Mit der neuen Sonne,
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o Verräter, wirst du sterben.
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SZENE XIV
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Cinna, mit bloßem Schwert, und die Vorigen.
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Rezitativ
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Silla
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Wie? Bewaffnet mit dem Schwert,
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verwirrt und unentschlossen,
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Cinna, du?…
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Cinna
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(O Himmel! Alles ist verloren.
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Irgendeinen Ausweg muss ich suchen
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aus der verhängnisvollen Lage.) Zu meiner Überraschung
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habe ich gesehen, wie Cecilio, mit bloßem Schwerte,
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durch die Scharen
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einen Weg sich bahnte. Die drohenden
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und stolzen Augen, seine Wut
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ließen mich Verrat befürchten.
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Dich vor dieser Mörderhand zu schützen und zu retten,
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kam ich her.
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Silla
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Ach geh, mein Freund, um aufzudecken,
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ob auch noch andere Verräter…
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Cinna
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Verlass dich nur auf meine Treue,
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Herr, und fürchte nichts.
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(Fast habe ich die Fassung bei dem Aufeinanderprall verloren.)
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(Ab.)
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Silla
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Den Verräter hier
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entwaffne man, Aufidio!
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Giunia
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Haltet ein, o Gott!
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Cecilio
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Solang der Stahl mir bleibt,
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weiß ich, wie ich dich zittern lassen kann.
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Silla
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So weit reicht
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dein Übermut?
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Giunia
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(O Götter!)
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Silla
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Übergib die Waffe,
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oder ich…
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Cecilio
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Vergeblich hoffst du das.
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Giunia
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Übergib sie, Teurer.
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Cecilio
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Feig zu sein lehrt mich
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meine Braut?
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Giunia
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Widersetze dich doch nicht!
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Cecilio
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Und das willst du?…
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Giunia
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||
Die Beweise für dein zartes Fühlen
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will ich.
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Cecilio
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Muss ich?…
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Giunia
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Du musst dich
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meiner Treue und der Gunst des Himmels
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anvertrauen und hoffen. Wenn du Zweifel zeigst, mein Liebster,
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beleidigst du die Braut
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und die gerechten Götter.
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Cecilio
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(Ich zittere vor Wut.)
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(Zu Giunia.)
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Du sollst zufrieden sein.
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(Er wirft das Schwert weg.)
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Nimm! − Barbar!
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Silla
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In das finsterste Gefängnis
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werfe man den Schuldigen.
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Ein wenig noch
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werde ich die verbotene Luft
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dich atmen lassen.
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In Fesseln
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wirst auch du, lügnerische Frau,
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den Betrug bereuen.
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Nr. 18 Terzett
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Silla
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Demütigen kann ich heute
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diesen wilden Stolz.
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Cecilio
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Hoffe das nicht, Nichtswürdiger!
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Ich werde stets derselbe sein.
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Giunia
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Hier, mein Bräutigam, ein Pfand,
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dass ich an deiner Seite sterben werde.
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Silla
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Eure frevlerische Hand
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verdient nur Ketten.
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Giunia, Cecilio
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Wenn mich der|die Geliebte liebt,
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geh ich froh ans Sterben.
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Silla
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Diese unerschrockene Beständigkeit,
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diese treue Liebe
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zerreißen und verbrennen
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mir das Herz.
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Giunia, Cecilio,
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Meine unerschrockene Beständigkeit,
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meine treue Liebe
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trösten süß das Herz,
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lassen mich nichts fürchten.
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Ende des zweiten Aktes.
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