Kritische Edition des Librettos Prag 1773       Diplomatische Übertragung des Librettos Prag 1773 
Siebenter Auftritt
 
Siebenter Auftritt.
Pheron. Mirza.
 
Pheron. Mirza.
Mirza
 
Mirza.
(aus dem Hause der Sonnenjungfrauen)
 
(aus dem Hause der Sonnenjungfrauen)
So spät, Pheron?
 
So spät, Pheron?
Pheron
 
Pheron.
Ich konnte den Thamos nicht früher verlassen. – Höre, Mirza! Ich hin heut Befehlshaber über die Stadt. Der Bürger, der Soldat gehorcht mir.
 
Ich konnte den Thamos nicht frü=
her verlassen. – Höre Mirza! ich hin heut Be=
fehlshaber über die Stadt. Der Bürger, der
Soldat, gehorcht mir.
Mirza
 
Mirza.
(freudig
 
(freudig
Welch unerwartetes Glück! Thamos liefert sich dir selbst in die Hände!
 
Welch unerwartetes Glück!
Thamos liefert sich dir selbst in die Hände!
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Du weißt, wie leicht er durch verstellte Offenherzigkeit zu gewinnen ist. Wir redeten von den angeschlagenen Zetteln. Phanes und Sethos waren dabei. Ihr Auge ist scharfsichtig. Ob sie schon die Nachricht von Menes' Tochter für eine Erdichtung hielten, so errieten sie doch die Absicht des Erfinders. Natürlich fiel ihr Argwohn auf einen der Fürsten. Vielleicht traf er mich. Thamos hätte ebenso denken können. – Was tat ich? Ich bat ihn, sich unserer Personen, meiner am ersten, zu versichern. – Der Leichtgläubige! Zur Strafe, dass ich so von ihm dächte, trug er mir die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf.
 
Du weißt, wie leicht er durch ver=
stellte Offenherzigkeit zu gewinnen ist. Wir re=
Fdeten von den angeschlagenen Zetteln. Pha=
nes und Sethos waren dabey. Ihr Auge ist
scharfsichtig. Ob sie schon die Nachricht von
Menes Tochter für eine Erdichtung hielten,
so erriethen sie doch die Absicht des Erfinders.
Natürlich fiel ihr Argwohn auf einen der Für=
sten. Vielleicht traf er mich. Thamos hätte
eben so denken können. – Was that ich? Ich
bat ihn, sich unserer Personen, meiner am er=
sten, zu versichern. – Der Leichtgläubige! Zur
Strafe, daß ich so von ihm dächte, trug er mir
die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf.
Mirza
 
Mirza.
Die Götter sind auf unserer Seite! – Stehen aber auch deine Anhänger bereit?
 
Die Götter sind auf unserer Seite!
– Stehen aber auch deine Anhänger bereit?
Pheron
 
Pheron.
Sie erwarten meinen Wink. Diesen Abend, in dem Augenblicke, wenn Thamos das Diadem aufsetzt, soll die Tochter des Menes erscheinen.
 
Sie erwarten meinen Wink. Die=
sen Abend, in dem Augenblicke, wenn Thamos
das Diadem aufsetzt, soll die Tochter des Menes
erscheinen.
Mirza
 
Mirza.
Versuche noch den Feldherrn und den Oberpriester zu gewinnen.
 
Versuche noch den Feldherrn und
den Oberpriester zu gewinnen.
Pheron
 
Pheron.
Mit dem Sethos darf ich es wagen. Beide zwar, Sethos und Phanes, sind eifrige Anhänger des Menes; beide, ich weiß es, erklären sich für die Sais, sobald sie in ihr die Tochter ihres geliebten Königs erkennen. Allein Phanes, der Feldherr, ist nicht mein Freund. Er wird zu verhindern suchen, dass Sais mir ihre Hand reiche.
 
Mit dem Sethos darf ich es wa=
gen. Beyde zwar, Sethos und Phanes, sind
eifrige Anhänger des Menes; beyde, ich weiß
es, erklären sich für die Sais, sobald sie in ihr
die Tochter ihres geliebten Königs erkennen: al=
lein Phanes, der Feldherr, ist nicht mein Freund.
FEr wird zu verhindern suchen, daß Sais mir
ihre Hand reiche.
Mirza
 
Mirza.
Sei unbesorgt! Einen aus den Fürsten muss sie wählen. Wen sonst als dich? – Den schon vermählten Amosis? – Den Horus, den Athos? – Beide an Jahren ihre Väter! – Etwa den Thamos, den Feind ihres Hauses? der auch schon, wie er dir gestand, andere Fesseln trägt! – Erhebst du sie nicht auf den Thron? Wagst du nicht alles für sie?
 
Sey unbesorgt! Einen aus den Für=
sten muß sie wählen. Wen sonst, als dich? –
Den schon vermählten Amosis? – Den Ho=
rus, den Athos? – Beyde an Jahren ihre
Väter! – Etwa den Thamos, den Feind ihres
Hauses? der auch schon, wie er dir gestand, an=
dere Fesseln trägt! – Erhebst Du sie nicht auf
den Thron? wagst Du nicht alles für sie?
Pheron
 
Pheron.
Und ich, Mirza! habe dir alles zu danken.
 
Und ich, Mirza! habe dir alles zu
danken.
Mirza
 
Mirza.
Den Sohn meiner Schwester über Ägypten herrschen zu sehen, war mein Plan von dem Tage an, als Ramesses mir die Geburt der Sais und seine Absicht, sie mit dem Thamos zu vermählen, entdeckte. Diese Verbindung sollte das Reich seinem Stamme versichern. Zum Glücke starb er plötzlich.
 
Den Sohn meiner Schwester über
Egypten herrschen zu sehen, war mein Plan,
von dem Tage an, als Ramesses mir die Ge=
burt der Sais und seine Absicht, sie mit dem
Thamos zu vermählen, entdeckte. Diese Ver=
bindung sollte das Reich seinem Stamme versi=
chern. Zum Glücke starb er plötzlich.
Pheron
 
Pheron.
Wenn Thamos die Sais gesehen, wenn er sie geliebt, wenn er ihre Gegenliebe gewonnen hätte!
 
Wenn Thamos die Sais gesehen,
wenn er sie geliebt, wenn er ihre Gegenliebe ge=
wonnen hätte!
Mirza
 
Mirza.
Beider Jugend hat es verhindert, solange Ramesses lebte. Als König besuchte Thamos das Haus der geheiligten Jungfrauen anfangs nur selten. Auch alsdann verlangte er nicht allzeit, die edlen Töchter Ägyptens, die bei uns erzogen werden, zu sehen. Ich stellte es dabei so an, dass Sais nicht zum Vorschein kam. Noch jetzt würde sie ihm unbekannt sein, wenn ich nicht sie dir hätte zeigen wollen. Dies konnte nicht geschehen, ohne dass auch Thamos sie sah, weil selbst den Fürsten nur im Gefolge des Königs unsere Wohnungen offenstehen. Er schien die Sais kaum zu bemerken. Und ob er schon jetzt fleißiger kömmt, so redet er doch wenig mit ihr; weit mehr mit ihrer Gespielin Myris. – Fast mutmaße ich, dass ihn diese eingenommen habe. – Ließ Thamos sich gegen dich nicht heraus?
 
Beyder Jugend hat es verhindert,
so lange Ramesses lebte. Als König, besuchte
Thamos das Haus der geheiligten Jungfrauen
Anfangs nur selten. Auch alsdann verlangte er
Fnicht allzeit die edlen Töchter Egyptens, die bey
uns erzogen werden, zu sehen. Ich stellte es
dabey so an, daß Sais nicht zum Vorschein
kam. Noch jetzt würde sie ihm unbekannt seyn,
wenn ich nicht sie dir hätte zeigen wollen. Dies
konnte nicht geschehen, ohne daß auch Thamos
sie sah: weil selbst den Fürsten nur im Gefolge
des Königs unsere Wohnungen offen stehen.
Er schien die Sais kaum zu bemerken. Und ob
er schon jetzt fleißiger kömmt, so redet er doch
wenig mit ihr; weit mehr mit ihrer Gespielin
Myris. – Fast muthmasse ich, daß ihn diese
eingenommen habe. – Ließ Thamos sich gegen
dich nicht heraus?
Pheron
 
Pheron.
Ich wagte es, ihn zu befragen. Er versprach, meine Neugierde zu befriedigen. Zuvor müsse er die Gesinnung derjenigen erforschen, von der er als Thamos, nicht als König, geliebt sein wolle.
 
Ich wagte es, ihn zu befragen. Er
versprach meine Neugierde zu befriedigen. Zu=
vor müsse er die Gesinnung derjenigen erforschen,
von der er, als Thamos, nicht als König, geliebt
seyn wolle.
Mirza
 
Mirza.
Und ich werde ihn ausforschen. Er besucht uns diesen Morgen.
 
Und ich werde ihn ausforschen. Er
besucht uns diesen Morgen.
Pheron
 
Pheron.
Wenn wirst du der Sais ihre Geburt entdecken?
 
Wenn wirst Du der Sais ihre Ge=
burt entdecken?
Mirza
 
Mirza.
Nicht eher, als kurz vor dem Anfange der feierlichen Handlung. Dann soll sie zugleich von mir hören, was du für sie unternimmst. Dir selbst verschaffe ich Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Der entscheidende Augenblick naht heran: Alles sei jetzt gewagt!
 
Nicht eher, als kurz vor dem An=
fange der feyerlichen Handlung. Dann soll sie
zugleich von mir hören, was Du für sie unter=
nimmst. Dir selbst verschaffe ich Gelegenheit,
Fmit ihr zu sprechen. Der entscheidende Augen=
blick naht heran: Alles sey jetzt gewagt!
Pheron
 
Pheron.
Ich bekenne dir es, Mirza! Nicht ganz ohne Furcht sehe ich diesem Augenblicke entgegen. Ein Schritt, der entweder zum Throne oder zum Untergang führt! …
 
Ich bekenne dir es, Mirza! Nicht
ganz ohne Furcht sehe ich diesem Augenblicke ent=
gegen. Ein Schritt, der entweder zum Thro=
ne oder zum Untergang führt! …
Mirza
 
Mirza.
(fällt ihm in die Rede)
 
(fällt ihm in die Rede)
Nun aber geschehen ist! – Schon glimmst du den Felsen hinan, bald hast du die Spitze erreicht. Vor dir schweben Szepter und Diadem; unter deinen Füßen ist Abgrund. Aufwärts wende deinen Blick, nicht mehr hinab; sonst bist du verloren. Mirza ist ein Weib und zittert nicht. Du ein Mann: Herrsche oder stirb!
 
Nun aber ge=
schehen ist! – Schon glimmst Du den Felsen
hinan, bald hast Du die Spitze erreicht. Vor
dir schweben Scepter und Diadem; unter dei=
nen Füssen ist Abgrund. Aufwärts wende deinen
Blick, nicht mehr hinab; sonst bist Du verlohren.
Mirza ist ein Weib, und zittert nicht. Du ein
Mann: Herrsche, oder stirb!
(Mirza geht in das Haus der Sonnenjungfrauen zurück und Pheron in die Burg ab.)
 
(Mirza geht in das Haus der Sonnenjung=
frauen zurück, und Pheron in die Burg
ab.)
Ende des ersten Aufzugs
 
Ende des ersten Aufzugs.