Kritische Edition des Librettos Prag 1773       Diplomatische Übertragung des Librettos Prag 1773 
Fünfter Aufzug
 
FFünfter Aufzug.
Der Schauplatz stellt wiederum das Innere des Sonnentempels vor, nunmehr prächtig erleuchtet.
 
(Der Schauplatz stellt wiederum das Innere des Son=
nentempels vor, nunmehr prächtig erleuchtet.)
Erster Auftritt
 
Erster Auftritt.
Thamos, Sethos, Pheron, Phanes, Hammon, Mirza, Sais, Myris, Chor der Priester, Chor der Sonnenjungfrauen, unter welchen die bei ihnen erzogenen edlen mit erscheinen. Große des Reichs. Kriegsleute.
 
Thamos, Sethos, Pheron, Phanes,
Hammon, Mirza, Sais, Myris, Chor
der Priester, Chor der Sonnenjung=
frauen, unter welchen die bey ihnen erzogenen
edlen Egyptierinnen mit erscheinen. Große
des Reichs. Kriegsleute.
Bei Aufziehung des Vorhangs sieht man auf gleiche Art wie bei dem ersten Aufzug zu beiden Seiten die Chöre der Priester und der Jungfrauen, hinter ihnen Kriegsleute. Mirza ist an der Spitze der Sonnenjungfrauen, neben ihr Sais, hernachMyris. Gegenüber an der Spitze der Priester Sethos, bei ihm Hammon. Thamos, Pheron, Phanes und die andern Fürsten und Großen des Reichs stehen neben dem Altar, das Gesicht gegen die Zuschauer gekehrt. Im Grunde des Theaters erblickt man Kriegsleute und andere . Eine Hymne, wechselsweise von beiden Chören gesungen, eröffnet den Aufzug.
 
(Bey Aufziehung des Vorhangs sieht man auf glei=
che Art, wie bey dem ersten Aufzug, zu beyden Sei=
ten die Chöre der Priester und der Jungfrauen, hin=
ter ihnen Kriegsleute. Mirza ist an der Spitze der
Sonnenjungfrauen; neben ihr Sais, hernach My=
ris. Gegenüber an der Spitze der Priester, Sethos,
bey ihm Hammon. Thamos, Pheron, Phanes, und
die andern Fürsten und Großen des Reichs, stehen
neben dem Altar, das Gesicht gegen die Zuschauer
gekehrt. Im Grunde des Theaters erblickt man
Kriegsleute und andere Egyptier. Eine Hymne,
wechselsweise von beyden Chören gesungen, eröffnet
den Aufzug.)
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Gottheit, über alle mächtig!
 
    Gottheit, über alle mächtig!
immer neu und immer prächtig!
 
Immer neu, und immer prächtig!
dich verehrt Ägyptens Reich.
 
Dich verehrt Egyptens Reich.
    Steigend, ohne je zu fallen,
 
F    Steigend, ohne je zu fallen,
sei's das erste Reich aus allen,
 
Sey's das erste Reich aus allen,
nur ihm selbst an Größe gleich!
 
Nur ihm selbst an Größe gleich!
Chor der Priester
 
Chor der Priester.
    Von des Mittags heißem Sande
 
    Von des Mittags heissem Sande,
bis zum fernen Meeresstrande
 
Bis zum fernen Meeresstrande,
wölkt sich Opferrauch empor.
 
Wölkt sich Opferrauch empor.
    Früh schon tönen unsre Lieder,
 
    Früh schon tönen unsre Lieder,
Hymnen bringt der Abend wieder,
 
Hymnen bringt der Abend wieder,
nie verstummet unser Chor.
 
Nie verstummet unser Chor.
Chor der Jungfrauen
 
Chor der Jungfrauen.
    Wie in weiter Tempel Hallen
 
    Wie in weiter Tempel Hallen,
unter der Trompeten Schallen
 
Unter der Trompeten Schallen,
sanfter Flöten Zauberklang:
 
Sanfter Flöten Zauberklang:
    So mengt sich, Osiris3Nach der allgemeinen wahrscheinlichen Mutmaßung wurden unter dem Namen Osiris und Isis Sonne und Mond verehrt. Söhne!
 
    So mengt sich, Osiris (*)Nach der allgemeinen wahrscheinlichen Muthmas=
sung wurden unter dem Namen Osiris und Isis,
Sonne und Mond verehrt.
Söhne!
unser Lied in eure Töne.
 
Unser Lied in eure Töne.
Sonne! dir ein Lobgesang.
 
Sonne! dir ein Lobgesang.
Ein Priester
 
Ein Priester.
    Was der Mund des Fürsten schwöret,
 
    Was der Mund des Fürsten schwöret,
Eine Jungfrau
 
Eine Jungfrau.
was von seinem Volk er höret,
 
Was von seinem Volk er höret,
Priester, Jungfrau
 
Zusammen.
sei zu beider Wohl der Grund!
 
Sey zu Beyder Wohl der Grund!
Priester
 
FDer Priester.
    Er uns hold,
 
    Er uns hold,
Jungfrau
 
Die Jungfrau:
treu wir dem Throne;
 
Treu wir dem Throne;
Priester
 
Der Priester.
Vatersorgen,
 
Vatersorgen,
Jungfrau
 
Die Jungfr.
Lieb' zum Lohne
 
Lieb' zum Lohne;
Priester, Jungfrau
 
Zusammen.
ist der wechselweise Bund.
 
Ist der wechselweise Bund.
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Gottheit, über alle mächtig!
 
    Gottheit, über alle mächtig!
immer neu und immer prächtig!
 
Immer neu und immer prächtig!
dich verehrt Ägyptens Reich.
 
Dich verehrt Egyptens Reich.
    Steigend, ohne je zu fallen,
 
    Steigend, ohne je zu fallen,
sei's das erste Reich aus allen,
 
Sey's das erste Reich aus allen,
nur ihm selbst an Größe gleich!
 
Nur ihm selbst an Größe gleich!
(Nach abgesungener Hymne dauert eine sanfte, wenig Laut machende Musik fort. Unter dieser tritt Sethos, von dem Hammon begleitet, hervor zu dem Altar. Nach Anbetung des Sonnenbildes zündet Sethos das Opferfeuer an und wirft zu drei Malen Weihrauch hinein. Die Musik schweigt und Sethos redet.)
 
(Nach abgesungener Hymne dauert eine sanfte, wenig
Laut machende Musick fort. Unter dieser tritt Se=
thos, von dem Hammon begleitet, hervor zu dem
Altar. Nach Anbetung des Sonnenbildes zündet
Sethos das Opferfeuer an, und wirft zu dreyma=
len Weyrauch hinein. Die Musick schweigt, und
Sethos redet.)
Sethos
 
Sethos.
Fürsten und Völker Ägyptens! Zwanzigmal haben nunmehr seit der Geburt des Thamos Winter und Sommer gewechselt; zwanzigmal des Nils fruchtbare Gewässer die Gefilde Ägyptens überströmet. Mit dem Anbruch des heutigen Tages hat unser junger König des Reichs Szepter selbst in seine Hände genommen. Doch zieret seine Stirne noch nicht das heilige Diadem. Dies erst drückt das unverletzliche Siegel auf den großen Bund, der zwischen ihm und seinen Völkern geschlossen wird. (zu dem Thamos) Thamos! Man hat dich in allen Pflichten des Thrones unterrichtet. Scheinen sie dir zu schwer, noch ist es Zeit, der Bürde dich zu entschlagen. Hast du sie einmal auf deine Schultern geladen, so kann kein Sterblicher dir sie abnehmen. Den Göttern selbst leistest du das Versprechen. Und ihr, Ägyptier! Habt ihr gegen die Rechte des Thamos Einwendungen, habt ihr Forderungen an ihn, bringt sie jetzt vor. Er wird antworten. Die Götter werden durch meinen Mund entscheiden.
 
Fürsten und Völker Egyptens!
Zwanzigmal haben nunmehr seit der Geburt des
Thamos, Winter und Sommer gewechselt;
zwanzigmal des Nils fruchtbare Gewässer die
Gefilde Egyptens überströhmet. Mit dem An=
bruch des heutigen Tages hat unser junger König
des Reichs Scepter selbst in seine Hände genom=
Fmen. Doch zieret seine Stirne noch nicht das
heilige Diadem. Dies erst drückt das unver=
letzliche Siegel auf den großen Bund, der zwi=
schen ihm und seinen Völkern geschlossen wird.
(zu dem Thamos) Thamos! Man hat dich in al=
len Pflichten des Thrones unterrichtet. Schei=
nen sie dir zu schwer, noch ist es Zeit, der Bür=
de dich zu entschlagen. Hast Du sie einmal auf
deine Schultern geladen, so kann kein Sterbli=
cher dir sie abnehmen. Den Göttern selbst lei=
stest Du das Versprechen. Und ihr Egyptier!
habt ihr gegen die Rechte des Thamos Einwen=
dungen, habt ihr Forderungen an ihn; bringt
sie jetzt vor. Er wird antworten: Die Götter
werden durch meinen Mund entscheiden.
 
 
 
 
 
 
Mirza
 
Mirza.
(tritt hervor, die Sais bei der Hand ergreifend)
 
(tritt hervor, die Sais bey der Hand er=
greifend)
Mirza widersetzt sich den Ansprüchen des Thamos. Ein Wort, und sie sind vernichtet! – Höret, Ägyptier! Tharsis, die Tochter eures Menes, lebt noch; hier steht sie als Sais vor euren Augen. (Sie zieht die Stücke, derer oben im dritten Aufzuge Meldung geschehen ist, aus ihrem Busen.) Da sind die Beweise ihrer Geburt. Sethos, der Oberpriester, weiß nun alles.
 
Mirza widersetzt sich den Ansprüchen
des Thamos. Ein Wort, und sie sind vernichtet!
– Höret, Egyptier! Tharsis, die Tochter eures
Menes, lebt noch; Hier steht sie als Sais vor
euren Augen. (sie zieht die Stücke, derer oben im
dritten Aufzuge Meldung geschehen ist, aus ihrem Bu=
sen)
Da sind die Beweise ihrer Geburt. Se=
thos, der Oberpriester, weiß nun alles.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
(Alle bis auf jene, so die Tharsis schon kennen, erstaunen.)
 
(alle, bis auf jene, so die Tharsis schon kennen,
erstaunen)
Pheron
 
Pheron.
Auch ich bekräftige es. Ich – verteidige die Rechte der Tochter des Menes.
 
Auch ich bekräftige es. Ich – ver=
theidige die Rechte der Tochter des Menes.
Myris
 
FMyris.
(für sich)
 
(für sich)
Boshafte! wie habt ihr meiner gespottet!
 
Boshafte! wie habt ihr mei=
ner gespottet!
Sethos
 
Sethos.
Man sagt euch die Wahrheit, Ägyptier! Ihr sehet die Tochter des Menes. Tharsis ward den Flammen entrissen. Ramesses ließ sie unter dem Namen Sais, der Tochter eines Kriegsobristen, bei den heiligen Jungfrauen erziehen. Mirza allein wusste um das Geheimnis. Mir und der Tharsis selbst ward es erst heute kund. Die Beweise sind unwidersprechlich. Briefe des Ramesses! Beschworne Zeugenaussagen! Kleinodien, die Tharsis bei ihrer Rettung am Halse trug! – (zu dem Thamos) Was sagt Thamos dazu?
 
Man sagt euch die Wahrheit, Egy=
ptier! Ihr sehet die Tochter des Menes. Thar=
sis ward den Flammen entrissen. Ramesses
ließ sie unter dem Namen: Sais, der Tochter ei=
nes Kriegsobristen, bey den heiligen Jungfrau=
en erziehen. Mirza allein wußte um das Ge=
heimnis. Mir und der Tharsis selbst ward es
erst heute kund. Die Beweise sind unwidersprech=
lich. Briefe des Ramesses! beschworne Zeugen=
aussagen! Kleinodien, die Tharsis bey ihrer Ret=
tung am Halse trug! – (zu dem Thamos) Was
sagt Thamos dazu?
 
 
 
 
 
 
Thamos
 
Thamos.
Er glaubt deinen Worten, er gehorcht der Pflicht, er erkennt des Menes Tochter für seine Königin. (vor der Prinzessin sich auf ein Knie niederlassend) Ja, Tharsis! Thamos ist der erste, der dir huldiget. Du brauchst keinen Verteidiger.
 
Er glaubt deinen Worten, er ge=
horcht der Pflicht, er erkennt des Menes Toch=
ter für seine Königin. (vor der Prinzeßin sich auf ein
Knie niederlassend)
Ja, Tharsis! Thamos ist der
erste, der dir huldiget. Du brauchst keinen
Vertheidiger.
 
 
 
 
 
 
(Alles bezeigt der erkannten Tharsis seine Ehrerbietung.)
 
(alles bezeigt der erkannten Tharsis
seine Ehrerbietung.)
Sais, nunmehro Tharsis
 
Sais, nunmehro Tharsis.
(richtet ihn auf)
 
(richtet ihn auf)
Tharsis würde auch gegen den Thamos keinen anrufen.
 
Tharsis würde auch gegen den Thamos keinen
anrufen.
Pheron
 
Pheron.
(zu dem Thamos)
 
(zu dem Thamos)
Schwaches Verdienst, sich zu unterwerfen, wenn der Widerstand vergeblich sein würde! Was du siehst, das Kriegsheer, ganz Ägypten, ist für die Tochter des Menes bewaffnet. Pheron setzt sie auf den Thron, stürzt den Sohn des Rebellen herab.
 
Schwaches Ver=
dienst, sich zu unterwerfen, wenn der Wider=
stand vergeblich sein würde! Was Du siehst,
Fdas Kriegsheer, ganz Egypten, ist für die Toch=
ter des Menes bewafnet. Pheron setzt sie auf
den Thron, stürzt den Sohn des Rebellen
herab.
Mirza
 
Mirza.
(zu der Tharsis)
 
(zu der Tharsis)
Von dir erwartet er den Lohn seiner Treue. Einen der Fürsten des Reichs musst du zum Gemahle wählen. Welchem aus ihnen reichst du die Hand?
 
Von dir erwartet er
den Lohn seiner Treue. Einen der Fürsten des
Reichs must Du zum Gemahle wählen. Wel=
chem aus ihnen reichst Du die Hand?
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Höre die Stimme des Volks! (ohne ihre Antwort zu erwarten, sich des allgemeinen Zurufs versichert haltend) Fürsten, Priester, Kriegsleute Ägyptens! wer soll mit eurer Königin den Thron besteigen?
 
Höre die Stimme des Volks! (ohne
ihre Antwort zu erwarten, sich des allgemeinen Zu=
rufs versichert haltend)
Fürsten, Priester, Kriegs=
leute Egyptens! wer soll mit eurer Königin den
Thron besteigen?
 
 
 
 
 
 
Ein Teil der Anwesenden
 
Ein Theil der Anwesenden.
Pheron!
 
Pheron!
Die Übrigen
 
Die Uebrigen.
Thamos!
 
Thamos!
(In diesen letzten Namen stimmen alle Priester, auch die Fürsten und meisten Großen ein. Beide Parteien wiederholen ihren Zuruf. Jener der Anhänger des Pherons, besonders der gewonnenen Kriegsleute, wird immer wilder. Pheron und Mirza geben ihre Wut zu erkennen. Das Kriegsvolk zieht die Schwerter, doch bleibt jeder an seinem Orte. Die Sonnenjungfrauen und die übrigen Jungfrauen, bis auf die Mirza, Tharsis und Myris, ingleichen der größte Teil der Priester, bis auf den Sethos und Hammon, flüchten sich hinter die sie umringenden Kriegsleute. Tharsis gibt einige Mal mit der Hand ein Zeichen, dass sie reden will. Endlich erhält sie, dass es stille wird.)
 
(In diesen letzten Namen stimmen alle Priester, auch
die Fürsten und meisten Großen ein. Beyde Par=
theyen wiederholen ihren Zuruf. Jener, der An=
hänger des Pherons, besonders der gewonnenen
Kriegsleute, wird immer wilder. Pheron und
Mirza geben ihre Wuth zu erkennen. Das Kriegs=
volk zieht die Schwerdter, doch bleibt jeder an sei=
nem Orte. Die Sonnenjungfrauen und die übrigen
Jungfrauen, bis auf die Mirza, Tharsis und My=
ris, ingleichen der größte Theil der Priester, bis
auf den Sethos und Hammon, flüchten sich hinter
die sie umringenden Kriegsleute. Tharsis giebt ei=
nigemal mit der Hand ein Zeichen, daß sie reden
will. Endlich erhält sie, daß es stille wird.)
Tharsis  
 
Tharsis.  
Hört eure Königin! zum ersten Mal und dann nicht mehr. (Alles wird aufmerksam.) Wer gibt euch das Recht, meine Wahl zu bestimmen? derjenigen zu gebieten, von der ihr Befehle erwartet? Waffen gegeneinander zu zücken, die ihr zur gemeinschaftlichen Beschützung traget? – Tharsis liebt das Volk des Menes, aber sie fürchtet seine Drohungen nicht. – Vernehmet ihren Entschluss! Wäre sie noch frei, so wählte sie keinen andern (auf den Thamos zeigend) als den Würdigsten. Allein Tharsis kann weder des Thamos noch desjenigen werden, (auf den Pheron hinblickend) den sie verabscheuet. Der schändlichste Betrug, (hiebei sieht sie auf die Mirza) die Gefahr des Thamos, der Mangel aller anderer Mittel zur Zernichtung des verräterischen Plans brachten sie dahin, dass sie sich Ägyptens Gottheit durch ein Gelübde weihte. Thamos weiß es. Er kam dazu, eben als ich die unwiderruflichen Worte aussprach.
 
Hört eure Königin! zum erstenmal,
Fund dann nicht mehr. (alles wird aufmerksam) Wer
giebt euch das Recht, meine Wahl zu bestimmen?
Derjenigen zu gebieten, von der ihr Befehle er=
wartet? Waffen gegeneinander zu zücken, die ihr
zur gemeinschaftlichen Beschützung traget? –
Tharsis liebt das Volk des Menes, aber sie fürch=
tet seine Drohungen nicht. – Vernehmet ih=
ren Entschluß! Wäre sie noch frey, so wählte
sie keinen andern, (auf den Thamos zeigend) als
den Würdigsten. Allein Tharsis kann weder
des Thamos, noch desjenigen werden, (auf den
Pheron hinblickend)
den sie verabscheuet. Der
schändlichste Betrug, (hiebey sieht sie auf die Mirza)
die Gefahr des Thamos, der Mangel aller ande=
rer Mittel, zur Zernichtung des verrätherischen
Plans, brachten sie dahin, daß sie sich Egyptens
Gottheit durch ein Gelübde weihte. Thamos
weiß es. Er kam dazu, eben als ich die unwi=
derruflichen Worte aussprach.
(Alles erstaunt. Selbst die Mirza und den Pheron lassen Wut und Bestürzung nicht gleich reden.)
 
(Alles erstaunt. Selbst die Mirza und den Pheron
lassen Wuth und Bestürzung nicht gleich reden)
Mirza
 
Mirza.
Ein Gelübde! Du nicht mehr Gattin, nicht mehr Königin!
 
Ein Gelübde! Du nicht mehr Gat=
tin, nicht mehr Königin!
Tharsis  
 
Tharsis.  
Nein! keines aus beiden. Tharsis hat zugleich dem Diadem entsagt. Sie konnte es für den nächsten Erben des Thrones tun. – Ägyptier! verehret in dem Thamos den würdigsten der Könige, das Ebenbild eures Menes!
 
Nein! keines aus beyden. Tharsis
hat zugleich dem Diadem entsagt. Sie konnte
es für den nächsten Erben des Thrones thun. –
Egyptier! verehret in dem Thamos den würdig=
sten der Könige, das Ebenbild eures Menes!
Pheron
 
FPheron.
(wütend)
 
(wütend)
Ha! man erdichtet Gelübde, um den Thamos auf dem Throne zu schützen, um hernach ihm die Hand zu reichen! – Betrug! Verrat! – Freunde! greift zu den Waffen! Pheron König oder tot!
 
Ha! Man erdichtet Ge=
lübde, um den Thamos auf dem Throne zu schü=
tzen, um hernach ihm die Hand zu reichen! –
Betrug! Verrath! – Freunde! greift zu den
Waffen! Pheron König oder todt!
(Er zieht sein Schwert. Die Umstehenden fallen ihm in den Arm. Alles kömmt in Bewegung. Pherons Anhänger treten zu ihm und der Mirza. Alles droht schon ein blutiges Gefecht. Sethos stellt sich in die Mitte und reißt seinen Priesterrock auf. Man sieht darunter ein goldenes Gewand, die ehemalige Kriegskleidung des Menes. Die ganze Versammlung erstaunt. Der schon bejahrte Teil der Anwesenden erkennt die Kleidung und fängt an, die Wahrheit zu vermuten. Sethos oder nunmehro Menes bringt durch sein Winken eine allgemeine Stille zuwege.)
 
(Er zieht sein Schwerdt. Die Umstehenden fallen ihm
in den Arm. Alles kömmt in Bewegung. Phe=
rons Anhänger treten zu ihm und der Mirza.
Alles droht schon ein blutiges Gefecht. Sethos
stellt sich in die Mitte, und reißt seinen Priester=
rock auf. Man sieht darunter ein goldenes Ge=
wand, die ehemalige Kriegskleidung des Menes.
Die ganze Versammlung erstaunt. Der schon
bejahrte Theil der Anwesenden erkennt die Klei=
dung, und fängt an die Wahrheit zu vermuthen.
Sethos, oder nunmehro Menes, bringt durch sein
Winken eine allgemeine Stille zuwege.)
Sethos, nunmehro Menes
 
Sethos, nunmehro Menes.
(majestätisch)
 
(majestätisch)
Ägyptier! kennt ihr noch diese Kleidung? Kennt ihr nach achtzehn Jahren noch den, der sie trug? Verehrt ihr noch euren vormals so geliebten König Menes? – Hier seht ihr ihn vor euch. Bisher nur dem Phanes und dem Hammon, seinen vertrautesten Freunden, bekannt. Jetzt, damit nicht Bürgerblut vergossen werde, zeigt er sich auch seinen Völkern wieder.
 
Egyptier! kennt ihr noch diese Kleidung? kennt
ihr nach achtzehn Jahren noch den, der sie trug?
Verehrt ihr noch euren vormals so geliebten Kö=
nig Menes? – Hier seht ihr ihn vor euch.
Bisher nur dem Phanes und dem Hammon,
seinen vertrautesten Freunden, bekannt. Jetzt,
damit nicht Bürgerblut vergossen werde, zeigt er
sich auch seinen Völkern wieder.
(Phanes und Hammon treten hinzu. Hammon zieht das Diadem heraus.)
 
(Phanes und Hammon treten hinzu. Hammon
zieht das Diadem heraus)
Phanes
 
Phanes.
Ja, glückliche Ägyptier! Ihr seht den Vater seines Volks!
 
Ja, glückliche Egyptier! Ihr seht
den Vater seines Volks!
Hammon
 
FHammon.
Und hier das uralte Diadem unserer ersten Könige, das Menes auf der Flucht mit sich nahm.
 
Und hier das uralte Diadem un=
serer ersten Könige, das Menes auf der Flucht
mit sich nahm.
Tharsis
 
Tharsis.
(die, wie alle Übrigen erstaunt, außer sich dagestanden ist)
 
(die, wie alle übrigen erstaunt, außer
sich da gestanden ist)
Lebe ich? Wandle ich schon unter den Unsterblichen? – Menes! Menes! – (Sie fällt ihm zu Füßen.) Mein Vater! mein Vater!
 
Lebe ich? wandle ich schon
unter den Unsterblichen? – Menes! Menes! –
(sie fällt ihm zu Füssen) Mein Vater! mein Vater!
 
 
 
 
 
 
Thamos
 
Thamos.
(ebenfalls kniend neben ihr)
 
(ebenfalls knieend neben ihr)
Größter der Sterblichen! dich, dich sehen meine Augen!
 
Größter
der Sterblichen! dich, dich sehen meine Augen!
(Alles, Fürsten, Priester, Kriegsleute, die Mirza und den Pheron allein ausgenommen, huldiget dem von Ägypten fast angebeteten Menes. Mirza und Pheron zeigen die äußerste Verzweiflung.)
 
(Alles, Fürsten, Priester, Kriegsleute, die Mirza
und den Pheron allein ausgenommen, huldiget
dem von Egypten fast angebeteten Menes. Mirza
und Pheron zeigen die äußerste Verzweiflung.)
Mirza
 
Mirza.
Ha! grausame Götter! so zertrümmert ein Augenblick das Gebäude langer Jahre! So kühlt sich euer ganzer Zorn an einem Weibe! – Doch auch eure Lieblinge sollen nicht glücklich sein! Mit mir sollen sie sterben.
 
Ha! grausame Götter! so zertrüm=
mert ein Augenblick das Gebäude langer Jahre!
so kühlt sich euer ganzer Zorn an einem Weibe!
– Doch auch eure Lieblinge sollen nicht glück=
lich seyn! Mit mir sollen sie sterben.
(Sie ergreift ein Soldatenschwert, Pheron zückt auch das seinige. Beide werden zurückgehalten. Darüber kommt alles in Bewegung.)
 
(sie ergreift ein Soldatenschwerdt, Pheron zückt
auch das seinige. Beyde werden zurückgehalten.
Darüber kommt alles in Bewegung.)
Ha! auch nicht diese Rache! (äußerst wütend) So treffen michIn allen späteren Textausgaben ist "mich" durch "euch" ersetzt. wenigstens alle meine Flüche! Flüche, schwärzer als sie der Schlund der Hölle ausspeien kann. – Deinen Vater, Thamos! habe ich durch Gift ermordet! Warum kann ich nicht auch dich und deine Tharsis, dich, Menes selbst, mit diesen Händen erwürgen. – (Sie windet den rechten Arm los und ersticht sich.) Geschehen – TodAlternative Lesart: tot – soll – noch – meine – Wut –
 
Ha! auch nicht diese Rache! (äußerst wütend)
So treffen mich wenigstens alle meine Flüche!
Flüche, schwärzer, als sie der Schlund der Höl=
le ausspeyen kann. – Deinen Vater, Tha=
mos! habe ich durch Gift ermordet! Warum
kann ich nicht auch dich und deine Tharsis, dich,
FMenes selbst, mit diesen Händen erwürgen. –
(sie windet den rechten Arm los, und ersticht sich)
Geschehen – Todt – soll – noch – meine –
Wuth –
 
 
 
 
 
 
(Sie stirbt. Man trägt den Körper sogleich hinweg in das Haus der Sonnenjungfrauen.)
 
(sie stirbt. Man trägt den Körper sogleich hin=
weg in das Haus der Sonnenjungfrauen.)
Menes
 
Menes.
Mirza! Entsetzlich!
 
Mirza! Entsetzlich!
Pheron
 
Pheron.
(sucht ebenfalls den Arm loszuwinden)
 
(sucht ebenfalls den Arm loszuwinden)
Auch ich folge nach. (da er sich entwaffnet und gehalten sieht) Ha! man verhindert mich. Umsonst! Götter! seid ihr nicht ein leerer Name, habt ihr Blitze, so treffen sie diese Brust. Was zaudert ihr? Pheron fürchtet euch nicht.
 
Auch ich folge nach. (da er sich entwaffnet und gehal=
ten sieht)
Ha! man verhindert mich. Umsonst!
Götter! seyd ihr nicht ein leerer Name, habt
ihr Blitze, so treffen sie diese Brust. Was zau=
dert ihr? Pheron fürchtet euch nicht.
 
 
 
 
 
 
Menes
 
Menes.
Man führe den Rasenden hinaus! Seine Lästerungen entweihen den Tempel.
 
Man führe den Rasenden hinaus!
Seine Lästerungen entweihen den Tempel.
Pheron
 
Pheron.
(im Abgehen)
 
(im Abgehen)
Möchte er mich samt euch zerschmettern.
 
Möchte er mich sammt
euch zerschmettern.
(Man führt ihn gegen die königliche Burg ab, Hammon geht mit.)
 
(Man führt ihn gegen die Königliche Burg ab,
Hammon geht mit.)
Zweiter Auftritt
 
FZweyter Auftritt.
(Alle Vorigen, außer der Mirza, dem Pheron und dem Hammon.)
 
(Alle Vorigen, außer der Mirza, dem Phe=
ron, und dem Hammon.)
Thamos
 
Thamos.
Verzeih ihm, Herr! Er wird in sich gehen. Myris werde ihm alsdann noch zuteil.
 
Verzeih ihm, Herr! Er wird in
sich gehen. Myris werde ihm alsdann noch zu
Theil.
Myris
 
Myris.
Nein! eher den Tod, als einem Betrüger, als einem Verräter!
 
Nein! eher den Todt, als einem
Betrüger, als einem Verräther!
Tharsis
 
Tharsis.
(wieder des Menes Hand ergreifend)
 
(wieder des Menes Hand ergreifend)
O mein Vater! lass mich von Neuem die Hand küssen, von der ich oft, aber noch nie als Tochter Segen empfing.
 
O mein Vater! Laß mich von neuem die Hand
küssen, von der ich oft, aber noch nie als Toch=
ter, Segen empfieng.
Menes
 
Menes.
(umarmt sie)
 
(umarmt sie)
Teures Ebenbild meiner Nikoris! mit welcher Regung drückt dich Menes an seine Brust! – O meine Tochter! o meine Tharsis! – so schließen noch einst deine Hände diese erlöschenden Augen! So sterbe ich noch in deinen Armen!
 
Theures Ebenbild mei=
ner Nikoris! Mit welcher Regung drückt dich
Menes an seine Brust! – O meine Tochter!
O meine Tharsis! – so schliessen noch einst dei=
ne Hände diese erlöschenden Augen! so sterbe
ich noch in deinen Armen!
Tharsis
 
Tharsis.
Ach erst nach der längsten Reihe von Jahren! Ach! Tharsis vor dir!
 
Ach erst nach der längsten Reihe
von Jahren! Ach! Tharsis vor dir!
Thamos
 
Thamos.
Auch Thamos!
 
Auch Thamos!
Menes
 
Menes.
Wollt ihr mir Unglück wünschen? Euer Wunsch kann nicht in Erfüllung gehen. Doch noch lange ihr Götter! wenn es euch gefällt, noch lange lasst mich das Glück meiner Kinder sehen.
 
Wollt ihr mir Unglück wünschen?
Euer Wunsch kann nicht in Erfüllung gehen.
FDoch noch lange ihr Götter! wenn es euch ge=
fällt, noch lange laßt mich das Glück meiner Kin=
der sehen.
Thamos
 
Thamos.
Ach Menes! du gabst uns Hoffnung, dass das traurige Gelübde –
 
Ach Menes! Du gabst uns Hoff=
nung, daß das traurige Gelübde –
Menes
 
Menes.
Beruhiget euch! Es ist ungültig. Kann die Tochter ohne Einwilligung ihres Vaters, ihres Königs, sich verbinden?
 
Beruhiget euch! Es ist ungültig.
Kann die Tochter ohne Einwilligung ihres Va=
ters, ihres Königs, sich verbinden?
Thamos
 
Thamos.
O mein Vater! dieser Ausspruch! – Ich bin der glücklichste der Sterblichen. (Er ergreift der Tharsis Hand.) Endlich, endlich erhören die Götter unsere Wünsche.
 
O mein Vater! Dieser Aus=
spruch! – Ich bin der glücklichste der Sterb=
lichen. (er ergreift der Tharsis Hand) Endlich,
endlich erhören die Götter unsere Wünsche.
 
 
 
 
 
 
Menes
 
Menes.
(umfasst beide)
 
(umfaßt beyde)
Ja, meine Kinder! sie vereinigen das würdigste Paar. Ihr Segen komme auf euch, und durch euch auf Ägypten herab! Herrschet zusammen über ein Reich, das euch anbeten wird. Menes beschließt seine Tage in dem Dienste der Gottheit, um ihr täglich für euch, für Ägypten Opfer zu bringen.
 
Ja, meine Kinder!
sie vereinigen das würdigste Paar. Ihr Se=
gen komme auf euch, und durch euch auf Egy=
pten herab! Herrschet zusammen über ein Reich,
das euch anbeten wird. Menes beschließt sei=
ne Tage in dem Dienste der Gottheit, um ihr
täglich für euch, für Egypten, Opfer zu brin=
gen.
Tharsis
 
Tharsis.
O mein Vater! warum sollen wir nicht unter deinem Schutze leben?
 
O mein Vater! warum sollen wir
nicht unter deinem Schutze leben?
Thamos
 
Thamos.
Warum soll ich nicht von dir die schwere Kunst, Völker zu regieren, lernen?
 
Warum soll ich nicht von dir die
schwere Kunst, Völker zu regieren, lernen.
Menes
 
FMenes.
Die Götter werden sie dich lehren, wenn du sie anrufst. Mein Rat wird dir beistehen. – Heute hat der blutige Auftritt die Feier gestört. Der morgende Tag sei dazu bestimmet, euch durch meine Hand das alte Diadem der Könige zu umwinden. (Man sieht blitzen und hört hinter der Szene einen heftigen Donnerstreich.) Welcher schreckliche Donner! Die Götter reden. Ist es ein Zeichen ihrer Einstimmung oder ihres Zorns? – Ach, Pheron! Ich fürchte – –
 
Die Götter werden sie dich lehren,
wenn Du sie anrufst. Mein Rath wird dir bey=
stehen. – Heute hat der blutige Auftritt die
Feyer gestört. Der morgende Tag sey dazu
bestimmet, euch durch meine Hand das alte Dia=
dem der Könige zu umwinden.
(Man sieht blitzen, und hört hinter der Scene
einen heftigen Donnerstreich.)

Welcher schreckliche Donner! Die Götter re=
den. Ist es ein Zeichen ihrer Einstimmung,
oder ihres Zorns? – Ach, Pheron! ich
fürchte – –
Dritter Auftritt
 
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Hammon.
 
Die Vorigen. Hammon.
Hammon
 
Hammon.
(eilt erschrocken herein)
 
(eilt erschrocken herein)
Herr! ich zittere noch. Pheron, der unglückliche Pheron!
 
Herr! ich
zittere noch. Pheron, der unglückliche Phe=
ron!
Thamos
 
Thamos.
Was ist geschehen?
 
Was ist geschehen!
Hammon
 
Hammon.
Wir führen ihn in den kleinen Hof der königlichen Burg. Schwarzes Gewölke bedeckt den Himmel; es blitzt. Der Elende bricht in neue Lästerungen aus. Er bietet den Göttern Trotz. Ein Donnerstrahl, wie ich noch keinen sah, trifft ihn, indem er redet, indem er seine Hand emporhebt!
 
Wir führen ihn in den kleinen
Hof der Königlichen Burg. Schwarzes Ge=
wölke bedeckt den Himmel; es blitzt. Der
Elende bricht in neue Lästerungen aus. Er
Fbiethet den Göttern Trotz. Ein Donnerstrahl,
wie ich noch keinen sah, trift ihn, indem er re=
det, indem er seine Hand empor hebt!
(Alle geben Zeichen des Erstaunens.)
 
(alle geben Zeichen des Erstaunens.)
Menes
 
Menes.
So strafen die Götter, wenn man sich gegen sie empört. Merkt es, Sterbliche! und reizet nicht ihren Zorn!
 
So strafen die Götter, wenn man
sich gegen sie empört. Merkt es, Sterbliche!
und reizet nicht ihren Zorn!
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Der Vorhang fällt zu.
 
(der Vorhang fällt zu.)
Ende der ganzen Handlung
 
Ende der ganzen Handlung.