Kritische Edition des Librettos Prag 1773       Diplomatische Übertragung des Librettos Prag 1773 
Erster Aufzug
 
FErster Aufzug.
Der Schauplatz stellt das Innere des Sonnentempels zu Heliopolis vor. Im Grunde sieht man das goldene Bildnis der Sonne. Darhinter angebrachte Lampen erleuchten es. Auf dem vor dem Sonnenbildnisse stehenden Altar brennt ein Opferfeuer, in welches der Oberpriester, von zween andern Priestern umgeben, Weihrauch streut. Zur rechten Seite des Altars steht dasChor der Sonnenjungfrauen, und diesem gegenüber dasChor der Priester. Alle sind weiß gekleidet. Auf dem Schleier der Sonnenjungfrauen ist die Abbildung der Sonne eingestickt zu sehen. Bei Aufziehung des Vorhangs wird von beiden Chören eine Hymne zur Ehre der Gottheit wechselsweise gesungen.
 
(Der Schauplatz stellt das Innere des Sonnentem=
pels zu Heliopolis vor. Im Grunde sieht man
das goldene Bildniß der Sonne. Darhinter an=
gebrachte Lampen erleuchten es. Auf dem vor
dem Sonnenbildnisse stehenden Altar brennt ein
Opferfeuer, in welches der Oberpriester, von
zween andern Priestern umgeben, Weyhrauch
streut. Zur rechten Seite des Altars steht das
Chor der Sonnenjungfrauen, und diesem gegen
über das Chor der Priester. Alle sind weiß ge=
kleidet. Auf dem Schleyer der Sonnenjungfrauen
ist die Abbildung der Sonne eingestickt zu sehen.
Bey Aufziehung des Vorhangs wird von beyden
Chören eine Hymne, zur Ehre der Gottheit,
wechselsweise gesungen.)
Erster Auftritt
 
Erster Auftritt.
Der Oberpriester Sethos mit seinem Gefolge, worunter Hammon. Mirza mit den Sonnenjungfrauen.
 
Der Oberpriester Sethos mit seinem Gefolge,
worunter Hammon. Mirza mit den
Sonnenjungfrauen.
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Schon weichet dir, Sonne! des Lichtes Feindin, die Nacht;
 
    Schon weichet dir, Sonne! des Lichtes
Feindin, die Nacht;
schon wird von Ägypten dir neues Opfer gebracht.
 
Schon wird von Egypten dir neues Opfer ge=
bracht:
Erhöre die Wünsche! Dein ewig dauernder Lauf
 
FErhöre die Wünsche! dein ewig dauernder
Lauf
führ' heitere Tage zu Thamos' Völkern herauf!
 
Führ' heitere Tage zu Thamos Völkern her=
auf!
Chor der Priester
 
Chor der Priester.
    Der muntern Jugend
 
    Der muntern Jugend
gib Lenksamkeit, Tugend,
 
Gieb Lenksamkeit, Tugend,
den Männern Mut!
 
Den Männern Muth!
    Nach tapfern Taten
 
    Nach tapfern Thaten,
Weisheit zum Raten,
 
Weisheit zum Rathen,
allen gib Vaterlandsblut!
 
Allen gieb Vaterlandsblut!
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Erhöre die Wünsche! Dein ewig dauernder Lauf
 
    Erhöre die Wünsche! dein ewig dauernder
Lauf
führ' heitere Tage zu Thamos' Völkern herauf!
 
Führ' heitere Tage zu Thamos Völkern her=
auf!
Chor der Jungfrauen
 
Chor der Jungfrauen.
    Ägyptens Töchter
 
    Egyptens Töchter
sei'n ihrer Geschlechter,
 
Sey'n ihrer Geschlechter,
der Gatten Zier!
 
Der Gatten Zier!
    Vergnügt, im Stillen
 
    Vergnügt, im Stillen
Pflicht zu erfüllen,
 
Pflicht zu erfüllen;
blühend und jahrvoll, wie wir!
 
Blühend und jahrvoll, wie wir!
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Erhöre die Wünsche! Dein ewig dauernder Lauf
 
    Erhöre die Wünsche! dein ewig dauernder Lauf
führ' heitere Tage zu Thamos' Völkern herauf!
 
Führ' heitere Tage zu Thamos Völkern herauf!
Chor der Priester
 
FChor der Priester.
    Gekrönt vom Siege
 
    Gekrönt vom Siege,
schreck' Thamos im Kriege
 
Schreck' Thamos im Kriege
der Feinde Reich!
 
Der Feinde Reich!
Chor der Jungfrauen
 
Chor der Jungfrauen.
    Für uns durch Triebe
 
    Für uns durch Triebe
sorgender Liebe
 
Sorgender Liebe,
König und Vater zugleich!
 
König und Vater zugleich!
Beide Chöre
 
Beyde Chöre.
    Schon weichet dir, Sonne! des Lichtes Feindin, die Nacht;
 
    Schon weichet dir, Sonne! des Lichtes Feindin,
die Nacht;
schon wird von Ägypten dir neues Opfer gebracht.
 
Schon wird von Egypten dir neues Opfer ge=
bracht:
Erhöre die Wünsche! Dein ewig dauernder Lauf
 
Erhöre die Wünsche! dein ewig dauernder Lauf
führ' heitere Tage zu Thamos' Völkern herauf!
 
Führ' heitere Tage zu Thamos Völkern herauf!
(Nach Endigung der Hymne knien alle, jeder auf seinem Platz, vor dem Sonnenbilde nieder und verrichten in feierlicher Stille, die ohngefähr eine Minute dauert, ihre Anbetung. Der Oberpriester steht zuerst und nach ihm die andern auf. Er kehrt sich um und redet die Versammlung an.)
 
(Nach Endigung der Hymne knieen alle, jeder
auf seinem Platz, vor dem Sonnenbilde nie=
der, und verrichten in feyerlicher Stille, die
ohngefähr eine Minute dauert, ihre Anbe=
tung. Der Oberpriester steht zuerst, und
nach ihm die andern, auf. Er kehrt sich um,
und redet die Versammlung an.)
Sethos
 
Sethos.
Immer bedürfen Sterbliche des Beistands der Götter. Nie war er uns nötiger als an dem Tage, der Ägyptens Schicksal auf ferne Zeiten hinaus entscheidet. Thamos, ein junger König, setzt heute das heilige Diadem auf, tritt die Herrschaft über unzählbare Völker an. Sie erwarten von ihm Heil oder Verderben. Doch sie werden glücklich sein: Denn Thamos ehrt die Götter und liebt die Menschen. (zu den Priestern) Ihr Priester der Sonne! richtet alles zu der großen Feierlichkeit zu. Der Tempel bleibe geschlossen. Bloß dem Könige und denen, die von ihm kommen, stehe der Eingang offen. (zu den Sonnenjungfrauen) Ihr geheiligte Jungfrauen! verdoppelt an diesem Tage in dem Tempel und in euren stillen Wohnungen eure Gelübde für Ägyptens Wohl. Reiner Lippen Gebet dringt durch die Wolken und bringt Erhörung zurück.
 
Immer bedürfen Sterbliche des
Beystands der Götter. Nie war er uns nöthi=
ger, als an dem Tage, der Egyptens Schicksal
auf ferne Zeiten hinaus entscheidet. Thamos,
Fein junger König, setzt heute das heilige Diadem
auf, tritt die Herrschaft über unzählbare Völ=
ker an. Sie erwarten von ihm Heil oder Ver=
derben. Doch sie werden glücklich seyn: Denn
Thamos ehrt die Götter und liebt die Menschen.
(zu den Priestern) Ihr Priester der Sonne!
richtet alles zu der großen Feyerlichkeit zu. Der
Tempel bleibe geschlossen. Blos dem Könige
und denen, die von ihm kommen, stehe der Ein=
gang offen. (zu den Sonnenjungfrauen) Ihr ge=
heiligte Jungfrauen! verdoppelt an diesem Ta=
ge in dem Tempel und in euren stillen Wohnun=
gen, eure Gelübde für Egyptens Wohl. Rei=
ner Lippen Gebet dringt durch die Wolken, und
bringt Erhörung zurück.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
(Die Priester und die Sonnenjungfrauen gehen in ihre Wohnungen ab. Nur Sethos und mit ihm Hammon bleiben.)
 
(Die Priester und die Sonnenjungfrauen gehen
in ihre Wohnungen ab. Nur Sethos, und
mit ihm Hammon, bleiben.)
Zweiter Auftritt
 
Zweyter Auftritt.
Sethos. Hammon.
 
Sethos. Hammon.
Sethos
 
Sethos.
Jetzt sind wir allein. – Du weißt, Hammon! dass an mehr als einem Orte sich der Empörungsgeist regt. Vielleicht bricht noch heute das Feuer, das bisher unter der Asche glomm, in helle Flammen aus. (Er zieht Papiere aus seinem Busen.) Sieh hier diese Zettel! Man hat sie an den Türen des Tempels angeheftet gefunden.
 
Jetzt sind wir allein. – Du weißt,
Hammon! daß an mehr als einem Orte sich der
Empörungsgeist regt. Vielleicht bricht
noch heute das Feuer, das bisher unter der Asche
Fglomm, in helle Flammen aus. (er zieht Pappie=
re aus seinem Busen)
Sieh hier diese Zettel! Man
hat sie an den Thüren des Tempels angeheftet
gefunden.
 
 
 
Hammon
 
Hammon.
(liest)
 
(ließt)
„Tharsis, die Tochter unsers großen Menes, lebt. Ihr und ihrem künftigen Gemahl gehöret das Reich; Thamos, der Sohn des Rebellen Ramesses, ist ein unrechtmäßiger Besitzer.“
 
„Tharsis, die Tochter un=
sers großen Menes, lebt. Ihr und ihrem
künftigen Gemahl gehöret das Reich; Thamos,
der Sohn des Rebellen Ramesses, ist ein unrecht=
mäßiger Besitzer.“
Sethos
 
Sethos.
Du staunst! – Mit Recht. Wie künstlich ist der Plan der Aufrührer! Nur dieser Weg kann ihr herrschsüchtiges Haupt zum Ziele seines Unternehmens führen. – Ägypten liebt den Thamos. Des Sohnes Tugenden haben den Hass gegen des Vaters Andenken ausgelöschet. Ihm gebührt auch der Thron, als dem Nächsten an meinem Stamme. Nur mir, nur der Tharsis, wenn eines von uns wieder zum Vorschein käme, müsste er weichen. – Eine Betrügerin wird die Stelle meiner Tochter vertreten. (seufzend) Ach Hammon! du weißt am besten, welcher grausame Tod sie mir entriss.
 
Du staunst! – Mit Recht. Wie
künstlich ist der Plan der Aufrührer! Nur die=
ser Weg kann ihr herrschsüchtiges Haupt zum
Ziele seines Unternehmens führen. – Egypten
liebt den Thamos. Des Sohnes Tugenden haben
den Haß gegen des Vaters Andenken ausgelö=
schet. Ihm gebührt auch der Thron, als dem
Nächsten an meinem Stamme. Nur mir, nur
der Tharsis, wenn eines von uns wieder zum
Vorschein käme, müßte er weichen. – Eine
Betrügerin wird die Stelle meiner Tochter ver=
treten. (seufzend) Ach Hammon! du weißt am
besten, welcher grausame Todt sie mir entriß.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Hammon
 
Hammon.
Ja, Herr! Noch immer schwebt das Bild der schrecklichen Nacht vor meinen Augen, wo durch Verräterei der Feind in die Stadt drang, wo ein Teil der Besatzung, erkauft, sich zu ihm schlug, wo der Überrest seine Treue mit dem Leben bezahlte, wo das Feuer Tempel und Paläste, ja die alte Burg der Könige verzehrte, wo, schaudernvolle Erinnerung! dein einziges Kind ein Raub wütender Flammen ward, wo kaum du selbst, allein von mir begleitet, dem feindlichen Schwerte entrannest!
 
Ja, Herr! noch immer schwebt
das Bild der schrecklichen Nacht vor meinen Au=
gen, wo durch Verrätherey der Feind in die
Stadt drang; wo ein Theil der Besatzung, er=
kauft, sich zu ihm schlug; wo der Ueberrest seine
FTreue mit dem Leben bezahlte; wo das Feuer
Tempel und Palläste, ja die alte Burg der Kö=
nige verzehrte; wo, schaudernvolle Erinnerung!
dein einziges Kind ein Raub wütender Flam=
men ward; wo kaum Du selbst, allein von mir
begleitet, dem feindlichen Schwerdte entrannest!
Sethos
 
Sethos.
Lass uns nicht unsere Wunden aufreißen! – O möchten die Götter über die Völker des Nils keine neuen Strafen beschlossen haben! – Alles, was ihr wollt, unsterbliche Götter! Nur lasset nicht Bürger gegen Bürger wüten, Brüder, Väter das Eingeweide des Bruders, des Sohnes zerfleischen, nachbarliche Saaten von Nachbarn verheeret, durch Ägyptier die Altäre der Schutzgötter Ägyptens zertrümmert werden! – Ach Hammon! erlebt, gesehen haben wir sie, alle diese Gräuel. Um sie nicht länger zu sehen, ließ ich das Gerüchte von meinem Tode ausstreuen.
 
Laß uns nicht unsere Wunden auf=
reissen! – O möchten die Götter über die Völ=
ker des Nils keine neuen Strafen beschlossen ha=
ben! – Alles, was ihr wollt, unsterbliche Göt=
ter! Nur lasset nicht Bürger gegen Bürger wü=
ten; Brüder, Väter, das Eingeweide des Bru=
ders, des Sohnes zerfleischen; nachbarliche
Saaten von Nachbarn verheeret; durch Egy=
ptier die Altäre der Schutzgötter Egyptens zer=
trümmert werden! – Ach Hammon! erlebt,
gesehen haben wir sie, alle diese Greuel. Um sie
nicht länger zu sehen, ließ ich das Gerüchte von
meinem Todte ausstreuen.
Hammon
 
Hammon.
Ja, Sethos! So nenne ich dich, weil du es befiehlst; nur du, nur Menes war dieser großen Entschließung fähig. Nubien und Äthiopien boten dir ihre Hülfe an.
 
Ja, Sethos! So nenne ich dich,
weil du es befiehlst; nur du, nur Menes, war
dieser großen Entschließung fähig. Nubien und
Aethiopien bothen dir ihre Hülfe an.
Sethos
 
Sethos.
Fremde hätte ich in mein Reich führen, Ägyptier, zwar ein verführtes Volk, doch immer mein Volk, ihrer Wut preisgeben sollen? – Nein, Hammon! Tausendmal eher würde ich dem Ramesses meine entblößte Brust dargeboten, zu ihm gesagt haben: "Hieher führe den Stoß! Nur diesen ermorde, der deinen Absichten im Wege steht! Regiere, aber schone derer, die du beherrschen willst!" – Und wozu hätte ich den Bürgerkrieg verlängern sollen! Ramesses war, seinen Ehrgeiz ausgenommen, des Thrones nicht unwürdig, nach Erlöschung meines Stamms der nächste Erbe.
 
Fremde hätte ich in mein Reich
führen, Egyptier, zwar ein verführtes Volk,
doch immer mein Volk, ihrer Wuth Preis ge=
ben sollen? – Nein, Hammon! Tausendmal
Feher würde ich dem Ramesses meine entblößte
Brust dargebothen, zu ihm gesagt haben: Hie=
her führe den Stoß! Nur diesen ermorde,
der deinen Absichten im Wege steht! Regiere,
aber schone derer, die du beherrschen willst! –
Und wozu hätte ich den Bürgerkrieg verlängern
sollen! Ramesses war, seinen Ehrgeitz ausge=
nommen, des Thrones nicht unwürdig, nach
Erlöschung meines Stamms der nächste Erbe.
Hammon
 
Hammon.
Ich leugne es nicht, Ramesses besaß Eigenschaften eines Regenten. Er war tapfer, vorsichtig, sogar gerecht, wenn es nicht auf Herrschen ankam. – Doch immer ein eingedrungener Besitzer! Dies Bewusstsein machte ihn hart, misstrauisch, oft grausam. Seinetwegen wurde das Reich mit mancherlei Drangsalen heimgesucht.
 
Ich läugne es nicht, Ramesses
besaß Eigenschaften eines Regenten. Er war
tapfer, vorsichtig, sogar gerecht, wenn es nicht
auf Herrschen ankam. – Doch immer ein ein=
gedrungener Besitzer! Dies Bewustseyn machte
ihn hart, mißtrauisch, oft grausam. Seinet=
wegen wurde das Reich mit mancherley Drang=
salen heimgesucht.
Sethos
 
Sethos.
Hast du in den Ratschlüssen der Götter gelesen? Würden diese Drangsalen unter mir Ägypten weniger getroffen haben! Mehr als einmal war die Regierung der besten Fürsten unglücklich. Hätte ich dieser ungewissen Hoffnung halber das Blut auch nur eines einzigen Bürgers wagen sollen? – Du selbst, Hammon! als du nach verlorner Schlacht meinen Entschluss bestrittest, gabst mir zuletzt Recht und ließest dich mit mir unter die Sonnenpriester der entfernten Elefantenstadt einweihen.
 
Hast du in den Rathschlüssen der
Götter gelesen? Würden diese Drangsalen un=
ter mir Egypten weniger getroffen haben! Mehr
als einmal war die Regierung der besten Für=
sten unglücklich. Hätte ich dieser ungewissen
Hoffnung halber das Blut auch nur eines einzi=
gen Bürgers wagen sollen? – Du selbst, Ham=
mon! als du nach verlohrner Schlacht meinen
Entschluß bestrittest, gabst mir zuletzt Recht,
Fund ließest dich mit mir unter die Sonnenprie=
ster der entfernten Elephantenstadt einweihen.
Hammon
 
Hammon.
Dich, meinen König, hätte ich verlassen sollen? Nein! solange Hammon atmet, geschieht das nicht. Darum folgte ich dir auch hieher, nachdem uns Alter und veränderte Gestalt unerkenntlich gemacht hatten.
 
Dich, meinen König, hätte ich
verlassen sollen? Nein! so lange Hammon ath=
met, geschieht das nicht. Darum folgte ich Dir
auch hieher, nachdem uns Alter und veränder=
te Gestalt unerkenntlich gemacht hatten.
Sethos
 
Sethos.
Überbring jetzt dem Feldherrn Phanes die abgenommenen Zettel. Sag ihm, ich verlangte eine Unterredung mit ihm, ehe er noch den König sieht.
 
Ueberbring jetzt dem Feldherrn
Phanes die abgenommenen Zettel. Sag ihm,
ich verlangte eine Unterredung mit ihm, ehe er
noch den König sieht.
(Hammon geht von der Seite ab, wo vorher die Priester.)
 
(Hammon geht von der Seite ab, wo vorher
die Priester.)
Dritter Auftritt
 
Dritter Auftritt.
Sethos allein.
 
Sethos allein.
 
 
 
Welches Andenken erneuert die listige Ausstreuung der Aufrührer! – Tharsis! Ach, Tharsis! du einziges hinterlassenes Pfand meiner Nikoris! Nicht einmal dich gönnte mir das grausame Verhängnis! Möchtest du noch leben! (zu dem Sonnenbildnis sich wendend) Gottheit! der ich diene! stelle du sie mir zurück! Nimm mein Leben dafür! – Verkürze meine Tage! Lass mich nur Tharsis, in ihr meine Nikoris noch einmal sehen! – Doch was rede ich! Wohin reißt mich die Phantasey?
 
Welches Andenken erneuert die listige Aus=
streuung der Aufrührer! – Tharsis! Ach,
Tharsis! du einziges hinterlassenes Pfand mei=
ner Nikoris! Nicht einmal dich gönnte mir das
grausame Verhängniß! Möchtest du noch leben!
(zu dem Sonnenbildniß sich wendend) Gottheit!
der ich diene! stelle du sie mir zurück! nimm
mein Leben dafür! – Verkürze meine Tage! Laß
Fmich nur Tharsis, in ihr meine Nikoris noch
einmal sehen! – Doch was rede ich! wohin
reißt mich die Phantasey?
 
 
 
 
 
 
Vierter Auftritt
 
Vierter Auftritt.
Phanes. Sethos.
 
Phanes. Sethos.
Phanes
 
Phanes.
(aus den Wohnungen der Priester)
 
(aus den Wohnungen der Priester)
Ich war auf dem Wege zu dir, als Hammon mir begegnete. Herr! die Gefahr wächst. Doch mit einem Worte kannst du der Aufrührer Anschläge zernichten. Stelle dich dem Volke als Menes dar, so beugt sich alles zu deinen Füßen. Thamos selbst, der seinem Vater so unähnliche Thamos, wird mit Freuden dein erster Untertan.
 
Ich war auf dem Wege zu dir, als Hammon
mir begegnete. Herr! die Gefahr wächst. Doch
mit einem Worte kannst du der Aufrührer An=
schläge zernichten. Stelle dich dem Volke als
Menes dar, so beugt sich alles zu deinen Füssen.
Thamos selbst, der seinem Vater so unähnliche
Thamos, wird mit Freuden dein erster Unter=
than.
Sethos
 
Sethos.
Phanes mir diesen Rat? Phanes, der mein Innerstes kennt? Der Freund, dem meine Seele nie einen Gedanken verhehlte? – Hast du vergessen, wie ungern ich schon das erste Mal das Szepter in die Hände nahm, als des Bruders Tod mich unerwartet zum Throne führte? Nicht, weil ich die Ruhe liebte, weil ich die Bürde scheuete, nein! weil ich fürchtete, so schwere Pflichten nicht erfüllen zu können.
 
Phanes mir diesen Rath? Pha=
nes, der mein Innerstes kennt? Der Freund,
dem meine Seele nie einen Gedanken verheelte?
– Hast du vergessen, wie ungern ich schon das
erstemal das Scepter in die Hände nahm, als des
Bruders Todt mich unerwartet zum Throne
führte? Nicht, weil ich die Ruhe liebte, weil ich
die Bürde scheuete, nein! weil ich fürchtete, so
schwere Pflichten nicht erfüllen zu können.
Phanes
 
Phanes.
Eben weil du sie kanntest, hast du sie erfüllet. Frage Ägypten, frage die Nachbarn, frage die Geschichte. Einem vertriebenen und für tot gehaltenen Könige schmeichelt sie nicht. Nur eine Stimme erschallt: Menes war ein weiser, ein großer König, der Vater seines Volks.
 
Eben weil du sie kanntest, hast du
Fsie erfüllet. Frage Egypten, frage die Nach=
barn, frage die Geschichte. Einem vertriebenen
und für todt gehaltenen Könige schmeichelt sie
nicht. Nur eine Stimme erschallt: Me=
nes war ein weiser, ein großer König, der Va=
ter seines Volks.
Sethos
 
Sethos.
Und dennoch fand ein ehrgeiziger Ramesses Anhang?
 
Und dennoch fand ein ehrgeiziger
Ramesses Anhang?
Phanes
 
Phanes.
Durch Ränke, durch Bestechungen. Hätte es auch unter deinen Untertanen Missvergnügte gegeben, wo sind deren nicht? Selbst gegen die Götter murren undankbare Sterbliche.
 
Durch Ränke, durch Bestechun=
gen. Hätte es auch unter deinen Unterthanen
Mißvergnügte gegeben, wo sind deren nicht?
Selbst gegen die Götter murren undankbare
Sterbliche.
Sethos
 
Sethos.
Alles, was du sagst, Phanes! bewegt mich nicht, meine Schultern aufs Neue mit einer Bürde zu beladen, deren die Götter mich entlediget haben. Nur den Fall der äußersten Not, wenn durch kein anderes Mittel das Reich gerettet werden könnte, wenn sonst Bürgerblut fließen müsste, würde ich als einen Wink von ihnen ansehen. Doch hierzu wird es nicht kommen. Thamos und Phanes werden die Anschläge der Boshaften in ihrer Geburt ersticken. – Hat man noch gar nichts entdeckt?
 
Alles, was du sagst, Phanes! be=
wegt mich nicht, meine Schultern aufs neue
mit einer Bürde zu beladen, deren die Götter
mich entlediget haben. Nur den Fall der äus=
sersten Noth, wenn durch kein anderes Mittel
das Reich gerettet werden könnte, wenn sonst
Bürgerblut fließen müßte, würde ich als einen
Wink von ihnen ansehen. Doch hierzu wird
es nicht kommen. Thamos und Phanes wer=
den die Anschläge der Boßhaften in ihrer Geburt
ersticken. – Hat man noch gar nichts entdeckt?
Phanes
 
Phanes.
Alles Nachforschen war bisher vergeblich. Erst jetzt, durch die Ausstreuung des Gerüchts von dem Leben deiner Tochter, entwickelt sich der Plan der Aufrührer. Man strebt nach dem Szepter. Einer unserer Fürsten streckt die Hand darnach aus. – Welcher aus ihnen? – Wird er wohl die Betrügerin, die er als Tharsis auftreten lässt, zur Gemahlin nehmen?
 
Alles Nachforschen war bisher ver=
geblich. Erst jetzt, durch die Ausstreuung des
Gerüchts von dem Leben deiner Tochter, entwi=
Fckelt sich der Plan der Aufrührer. Man strebt
nach dem Scepter. Einer unserer Fürsten streckt
die Hand darnach aus. – Welcher aus ihnen? –
Wird er wohl die Betrügerin, die er als Tharsis
auftreten läßt, zur Gemahlin nehmen?
Sethos
 
Sethos.
Oh! nach erreichter Absicht schafft man das Werkzeug auf die Seite. (nachdenkend) Unsere Fürsten! – Amosis? – Horus? – Athos? – Keiner aus den dreien. – Pheron? – Noch weniger, der Liebling des Thamos!
 
O! nach erreichter Absicht schafft
man das Werkzeug auf die Seite. (nachdenkend)
Unsere Fürsten! – Amosis? – Horus? –
Athos? – Keiner aus den dreyen. – Phe=
ron? – Noch weniger, der Liebling des Tha=
mos!
 
 
 
 
 
 
Phanes
 
Phanes.
Pheron hat einen unersättlichen Ehrgeiz. In dem letzten Feldzuge gab er Beweise hievon.
 
Pheron hat einen unersättlichen
Ehrgeitz. In dem letzten Feldzuge gab er Be=
weiße hievon.
Sethos
 
Sethos.
Unter einem jungen mutigen Könige strebt alles nach Ehre.
 
Unter einem jungen muthigen Kö=
nige strebt alles nach Ehre.
Phanes
 
Phanes.
Aber ohne andere zu unterdrücken, ohne sich fremden Ruhm zuzueignen. Tat nicht Pheron beides? Suchte er nicht auch durch Liebkosungen, durch Freigebigkeit die Zuneigung des Kriegsheers zu gewinnen?
 
Aber ohne andere zu unterdrücken,
ohne sich fremden Ruhm zuzueignen. That
nicht Pheron beydes? Suchte er nicht auch
durch Liebkosungen, durch Freygebigkeit, die
Zuneigung des Kriegsheers zu gewinnen.
Sethos
 
Sethos.
Weil er es dereinst nach dir anzuführen hofft. – Zwar auch mir gefällt Pherons Gemütsart nicht. Unter einer scheinbaren Offenherzigkeit, die ihm das redliche Herz des Thamos gewinnet, steckt unergründliche Verstellung verborgen. Nur geübte Augen wie deine dringen zuweilen in sein Inneres. – Doch, Phanes! dies alles ist nicht genug, um ihm Verbrechen aufzubürden. Mit Recht hütet man sich vor dem Falschen, setzt der List Gegenlist entgegen: Aber ohne Beweise ihn anzuklagen, überschreitet die Grenzen der Verteidigung.
 
Weil er es dereinst nach dir anzu=
führen hoft. – Zwar auch mir gefällt Phe=
rons Gemüthsart nicht. Unter einer scheinba=
ren Offenherzigkeit, die ihm das redliche Herz
des Thamos gewinnet, steckt unergründliche
FVerstellung verborgen. Nur geübte Augen,
wie deine, dringen zuweilen in sein Inneres. –
Doch, Phanes! dies alles ist nicht genug, um
ihm Verbrechen aufzubürden. Mit Recht hü=
tet man sich vor dem Falschen, setzt der List Ge=
genlist entgegen: aber ohne Beweise ihn anzu=
klagen, überschreitet die Gränzen der Verthei=
digung.
Phanes
 
Phanes.
Ich werde dennoch auf alle Schritte des Pheron wachen.
 
Ich werde dennoch auf alle Schrit=
te des Pheron wachen.
Sethos
 
Sethos.
Das tue. Nur verbirg dem Thamos deine Mutmaßungen. Sein der Verstellung unfähiges Herz würde in Vorwürfe gegen den untreuen Freund ausbrechen. Hat Pheron keinen Teil an der Empörung, so kränkest du einen Unschuldigen. Ist er der geheime Anstifter, so machst du ihn vorsichtig und vergrößerst die Gefahr.
 
Das thue. Nur verbirg dem Tha=
mos deine Muthmaßungen. Sein der Ver=
stellung unfähiges Herz würde in Vorwürfe ge=
gen den untreuen Freund ausbrechen. Hat
Pheron keinen Theil an der Empörung, so krän=
kest Du einen Unschuldigen. Ist er der gehei=
me Anstifter, so machst Du ihn vorsichtig, und
vergrößerst die Gefahr.
Phanes
 
Phanes.
Aber Herr! wenn du dich den Fürsten, dem Volke zu erkennen gäbest! – Der bloße Name Menes!
 
Aber Herr! wenn Du dich den Für=
sten, dem Volke, zu erkennen gäbest! – Der
bloße Name Menes!
Sethos
 
Sethos.
Ich habe dir die Ursachen gesagt.
 
Ich habe dir die Ursachen gesagt.
Phanes
 
Phanes.
Warum ließest du mich wegen deines Todes so lange im Irrtum? Warum entdecktest du dich mir nicht eher, als bis wir beide nach des Ramesses Tod den Reichsregenten zugesellet wurden?
 
Warum ließest Du mich wegen dei=
nes Todtes so lange im Irrthum? Warum ent=
decktest Du dich mir nicht eher, als bis wir bey=
de nach des Ramesses Tod den Reichsregenten
zugesellet wurden?
Sethos
 
FSethos.
Weil ich deinen Eifer kannte. Hättest du nicht mit dem ganzen Reiche geglaubt, dass ich in der Schlacht geblieben sei, nie hättest du dich dem Ramesses unterworfen; der Bürgerkrieg hätte noch Ströme Bluts gekostet. (ernsthaft) Erwarte, Phanes! die Zeit, die dein König, du erkennst mich ja noch dafür, zu seiner Entdeckung bestimmt hat. Begnüge dich indessen, dass ihr beide, du und Hammon, die einzigen seid, denen er sich anvertrauet.
 
Weil ich deinen Eifer kannte. Hät=
test Du nicht mit dem ganzen Reiche geglaubt,
daß ich in der Schlacht geblieben sey: nie hät=
test du dich dem Ramesses unterworfen; der
Bürgerkrieg hätte noch Ströhme Bluts geko=
stet. (ernsthaft) Erwarte, Phanes! die Zeit, die
dein König, Du erkennst mich ja noch dafür, zu
seiner Entdeckung bestimmt hat. Begnüge dich
indessen, daß ihr beyde, Du und Hammon, die
einzigen seyd, denen er sich anvertrauet.
 
 
 
 
 
 
Fünfter Auftritt
 
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Thamos. Pheron.
 
Die Vorigen. Thamos. Pheron.
(Der König und Pheron kommen aus der königlichen Burg.)
 
(Der König und Pheron kommen aus der Kö=
niglichen Burg.
Thamos
 
Thamos.
(zu dem Phanes)
 
(zu dem Phanes)
Es ist mir lieb, dass ich dich antreffe. Ich hatte nach dir geschickt! – Phanes, Sethos, Pheron, alle meine Freunde beisammen! – (zu dem Sethos) Was sagst du, ehrwürdiges Oberhaupt der Diener der Gottheit! zu dem Kunstgriffe der Aufrührer? Ohne Zweifel hast du von den Zetteln gehört, die diese Nacht angeheftet worden sind?
 
Es ist mir lieb, daß ich dich antreffe. Ich hatte nach dir ge=
schickt! – Phanes, Sethos, Pheron, alle
meine Freunde beysammen! – (zu dem Sethos)
Was sagst du, ehrwürdiges Oberhaupt der Die=
ner der Gottheit! zu dem Kunstgriffe der Auf=
rührer? Ohne Zweifel hast du von den Zetteln
gehört, die diese Nacht angeheftet worden sind?
 
 
 
Sethos
 
Sethos.
Ja, Herr! – Auch die Türen des Tempels haben die Boshaften damit zu entheiligen keine Scheu getragen.
 
Ja, Herr! – Auch die Thüren
Fdes Tempels haben die Boshaften damit zu ent=
heiligen keine Scheu getragen.
Phanes
 
Phanes.
Finsternis bedeckt noch ihr schwarzes Gewebe. Doch oft zündet ein Funken Licht an. Die Erdichtung von des Menes Tochter verrät den Plan des Aufruhrs, vielleicht auch bald den Aufrührer.
 
Finsterniß bedeckt noch ihr schwar=
zes Gewebe. Doch oft zündet ein Funken Licht
an. Die Erdichtung von des Menes Tochter
verräth den Plan des Aufruhrs; vielleicht auch
bald den Aufrührer.
Thamos
 
Thamos.
Wohl sagst du: die Erdichtung. Denn lebte sie wirklich, die Erbin des Reichs, ganz Ägypten würde ihr zurufen: "Gegen den Thamos braucht die Tochter des Menes keine andern Waffen als die Beweise ihrer Geburt." Bekannte ich nicht freimütig bei der Verteidigung meines Vaters vor dem schrecklichen Totengerichte2Wem ist unbekannt, was Diodor von der Anklage und Verteidigung der Verstorbenen bei ihrer Beerdigung erzählet. das dem Menes zugefügte Unrecht? Unverstellte Tränen begleiteten den Wunsch, seiner Nachkommenschaft Ägyptens Szepter zurückstellen zu können. – Noch jetzt denkt Thamos so. Seine Gesinnung wird sich nie ändern, solange ihm die Götter ihr kostbarstes Geschenk, ein edles Herz, lassen. (lebhaft) Doch, meine Freunde! beschuldiget mich darum nicht einer Zaghaftigkeit. Nein! Thamos wird das Recht, das ihm nach Erlöschung des Stammes des Menes Geburt und Einstimmung des Volkes gab, bis auf den letzten Blutstropfen zu behaupten wissen.
 
Wohl sagst Du: die Erdichtung.
Denn lebte sie wirklich, die Erbin des Reichs,
ganz Egypten würde ihr zurufen: Gegen den
Thamos braucht die Tochter des Menes keine
andern Waffen, als die Beweise ihrer Geburt.
Bekannte ich nicht freymüthig, bey der Verthei=
digung meines Vaters vor dem schrecklichen
Todtengerichte, (*)Wem ist unbekannt, was Diodor von der An=
klage und Vertheidigung der Verstorbenen bey
ihrer Beerdigung erzählet.
das dem Menes zugefügte
Unrecht? Unverstellte Thränen begleiteten den
Wunsch, seiner Nachkommenschaft Egyptens
Scepter zurückstellen zu können. – Noch jetzt
denkt Thamos so. Seine Gesinnung wird sich
nie ändern, so lange ihm die Götter ihr kostbar=
stes Geschenk, ein edles Herz, lassen. (lebhaft)
Doch, meine Freunde! beschuldiget mich dar=
um nicht einer Zaghaftigkeit. Nein! Tha=
mos wird das Recht, das ihm, nach Erlöschung
Fdes Stammes des Menes, Geburt und Ein=
stimmung des Volkes gab, bis auf den letzten
Blutstropfen zu behaupten wissen.
 
 
 
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Und deine Freunde werden dir ebenso beistehen. – Lebte auch Tharsis noch, nie gäben wir zu, dass du den Thron verließest. Besteigen sollte sie ihn, aber als Gemahlin des Thamos.
 
Und deine Freunde werden dir eben
so beystehen. – Lebte auch Tharsis noch, nie
gäben wir zu, daß du den Thron verließest.
Besteigen sollte sie ihn, aber als Gemahlin des
Thamos.
Thamos
 
Thamos.
Kann es sein, Pheron? Ist dir schon entfallen, was ich dir vertraute? – Nein! Tharsis, wenn sie lebt, wähle dich, wähle einen andern, ist es nur einer aus unsern Fürsten. Thamos wird ebenso wenig ihrer Wahl als ihrem Rechte sich widersetzen.
 
Kann es seyn, Pheron? Ist dir
schon entfallen, was ich dir vertraute? – Nein!
Tharsis, wenn sie lebt, wähle dich, wähle ei=
nen andern, ist es nur einer aus unsern Für=
sten. Thamos wird eben so wenig ihrer Wahl
als ihrem Rechte sich widersetzen.
Sethos
 
Sethos.
Vergeblicher Streit! Nur zu gewiss ist Tharsis tot. Ich werde den Priestern auftragen, das Volk vor dem Betruge zu warnen, es zur Treue gegen dich anzuweisen.
 
Vergeblicher Streit! Nur zu ge=
wiß ist Tharsis todt. Ich werde den Priestern
auftragen, das Volk vor dem Betruge zu war=
nen, es zur Treue gegen dich anzuweisen.
Phanes
 
Phanes.
Und von mir haben schon die Kriegsobersten Befehl erhalten, mit ihren Völkern auf den ersten Wink fertig zu stehen.
 
Und von mir haben schon die
Kriegsobersten Befehl erhalten, mit ihren Völ=
kern auf den ersten Wink fertig zu stehen.
Thamos
 
Thamos.
Ich und die Fürsten eilen augenblicklich dorthin, wo sich Gefahr zeigt.
 
Ich und die Fürsten eilen augen=
blicklich dorthin, wo sich Gefahr zeigt.
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Herr! setzest du Misstrauen in uns, so versichere dich unserer Personen. Meiner am ersten, weil ich nach dir der Nächste zum Throne bin. Mit Freuden opfert Pheron der Ruhe seines Königs auch die Freiheit auf.
 
Herr! setzest du Mißtrauen in uns,
so versichere dich unserer Personen. Meiner
am ersten, weil ich nach dir der Nächste zum
FThrone bin. Mit Freuden opfert Pheron der
Ruhe seines Königs auch die Freyheit auf.
Thamos
 
Thamos.
Ich – einer eingebildeten Gefahr durch Ungerechtigkeit vorkommen? – Nein, Pheron! Dem Könige, der es nicht wagen darf, in jedes Untertanen Schoß sein Haupt zu legen, verschaffen auch zehnfache Mauern keine Sicherheit. Sieh! Eben dir trage ich heut, an dem Tage, den vielleicht die Aufrührer sich ausersehen haben, die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf. Phanes wird die Hauptleute des Kriegsvolks an dich weisen.
 
Ich – einer eingebildeten Gefahr
durch Ungerechtigkeit vorkommen? – Nein,
Pheron! Dem Könige, der es nicht wagen darf,
in jedes Unterthanen Schoos sein Haupt zu le=
gen, verschaffen auch zehnfache Mauern keine
Sicherheit. Sieh! eben dir trage ich heut,
an dem Tage, den vielleicht die Aufrührer sich
ausersehen haben, die Anstalten zur Erhaltung
der Ruhe auf. Phanes wird die Hauptleute
des Kriegsvolks an dich weisen.
Pheron
 
Pheron.
(betroffen)
 
(betroffen)
Herr! ich erstaune! –
 
Herr! ich erstaune! –
Thamos
 
Thamos.
(unterbricht ihn)
 
(unterbricht ihn)
Dies sei deine Strafe, dass du von mir anders denken konntest. (zu dem Sethos und Phanes) Ihr, Freunde! folget mir.
 
Dies sey deine
Strafe, daß Du von mir anders denken konn=
test. (zu dem Sethos und Phanes) Ihr, Freunde!
folget mir.
 
 
 
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Ich bleibe noch in dem Tempel, um die Gottheit für das Wohl des besten Königs anzurufen.
 
Ich bleibe noch in dem Tempel, um
die Gottheit für das Wohl des besten Königs
anzurufen.
(Der König geht mit dem Sethos und Phanes in die königliche Burg zurück.)
 
(Der König geht mit dem Sethos und Pha=
nes in die Königliche Burg zurück.
Sechster Auftritt
 
FSechster Auftritt.
Pheron allein.
 
Pheron allein.
(sieht sich um, ob noch jemand im Tempel ist; geht hernach zu der Türe, welche in das Haus der Sonnenjungfrauen führt, und klopft dreimal an)
 
(Sieht sich um, ob noch jemand im Tempel ist, geht
hernach zu der Thüre, welche in das Haus der Son=
nenjungfrauen führt, und klopft dreymal an.)
 
 
 
Mirza wird auf das Zeichen gewartet haben. (nachdenkend) Doch Thamos ist mein Freund! Er vertraut sich mir an! – War nicht auch sein Vater, Ramesses, der Freund des Menes? Stieß er diesen darum weniger vom Throne?
 
Mirza wird auf das Zeichen gewartet haben.
(nachdenkend) Doch Thamos ist mein Freund!
er vertraut sich mir an! – War nicht auch
sein Vater, Ramesses, der Freund des Menes?
Stieß er diesen darum weniger vom Throne?
 
 
 
 
 
 
Siebenter Auftritt
 
Siebenter Auftritt.
Pheron. Mirza.
 
Pheron. Mirza.
Mirza
 
Mirza.
(aus dem Hause der Sonnenjungfrauen)
 
(aus dem Hause der Sonnenjungfrauen)
So spät, Pheron?
 
So spät, Pheron?
Pheron
 
Pheron.
Ich konnte den Thamos nicht früher verlassen. – Höre, Mirza! Ich hin heut Befehlshaber über die Stadt. Der Bürger, der Soldat gehorcht mir.
 
Ich konnte den Thamos nicht frü=
her verlassen. – Höre Mirza! ich hin heut Be=
fehlshaber über die Stadt. Der Bürger, der
Soldat, gehorcht mir.
Mirza
 
Mirza.
(freudig
 
(freudig
Welch unerwartetes Glück! Thamos liefert sich dir selbst in die Hände!
 
Welch unerwartetes Glück!
Thamos liefert sich dir selbst in die Hände!
 
 
 
Pheron
 
Pheron.
Du weißt, wie leicht er durch verstellte Offenherzigkeit zu gewinnen ist. Wir redeten von den angeschlagenen Zetteln. Phanes und Sethos waren dabei. Ihr Auge ist scharfsichtig. Ob sie schon die Nachricht von Menes' Tochter für eine Erdichtung hielten, so errieten sie doch die Absicht des Erfinders. Natürlich fiel ihr Argwohn auf einen der Fürsten. Vielleicht traf er mich. Thamos hätte ebenso denken können. – Was tat ich? Ich bat ihn, sich unserer Personen, meiner am ersten, zu versichern. – Der Leichtgläubige! Zur Strafe, dass ich so von ihm dächte, trug er mir die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf.
 
Du weißt, wie leicht er durch ver=
stellte Offenherzigkeit zu gewinnen ist. Wir re=
Fdeten von den angeschlagenen Zetteln. Pha=
nes und Sethos waren dabey. Ihr Auge ist
scharfsichtig. Ob sie schon die Nachricht von
Menes Tochter für eine Erdichtung hielten,
so erriethen sie doch die Absicht des Erfinders.
Natürlich fiel ihr Argwohn auf einen der Für=
sten. Vielleicht traf er mich. Thamos hätte
eben so denken können. – Was that ich? Ich
bat ihn, sich unserer Personen, meiner am er=
sten, zu versichern. – Der Leichtgläubige! Zur
Strafe, daß ich so von ihm dächte, trug er mir
die Anstalten zur Erhaltung der Ruhe auf.
Mirza
 
Mirza.
Die Götter sind auf unserer Seite! – Stehen aber auch deine Anhänger bereit?
 
Die Götter sind auf unserer Seite!
– Stehen aber auch deine Anhänger bereit?
Pheron
 
Pheron.
Sie erwarten meinen Wink. Diesen Abend, in dem Augenblicke, wenn Thamos das Diadem aufsetzt, soll die Tochter des Menes erscheinen.
 
Sie erwarten meinen Wink. Die=
sen Abend, in dem Augenblicke, wenn Thamos
das Diadem aufsetzt, soll die Tochter des Menes
erscheinen.
Mirza
 
Mirza.
Versuche noch den Feldherrn und den Oberpriester zu gewinnen.
 
Versuche noch den Feldherrn und
den Oberpriester zu gewinnen.
Pheron
 
Pheron.
Mit dem Sethos darf ich es wagen. Beide zwar, Sethos und Phanes, sind eifrige Anhänger des Menes; beide, ich weiß es, erklären sich für die Sais, sobald sie in ihr die Tochter ihres geliebten Königs erkennen. Allein Phanes, der Feldherr, ist nicht mein Freund. Er wird zu verhindern suchen, dass Sais mir ihre Hand reiche.
 
Mit dem Sethos darf ich es wa=
gen. Beyde zwar, Sethos und Phanes, sind
eifrige Anhänger des Menes; beyde, ich weiß
es, erklären sich für die Sais, sobald sie in ihr
die Tochter ihres geliebten Königs erkennen: al=
lein Phanes, der Feldherr, ist nicht mein Freund.
FEr wird zu verhindern suchen, daß Sais mir
ihre Hand reiche.
Mirza
 
Mirza.
Sei unbesorgt! Einen aus den Fürsten muss sie wählen. Wen sonst als dich? – Den schon vermählten Amosis? – Den Horus, den Athos? – Beide an Jahren ihre Väter! – Etwa den Thamos, den Feind ihres Hauses? der auch schon, wie er dir gestand, andere Fesseln trägt! – Erhebst du sie nicht auf den Thron? Wagst du nicht alles für sie?
 
Sey unbesorgt! Einen aus den Für=
sten muß sie wählen. Wen sonst, als dich? –
Den schon vermählten Amosis? – Den Ho=
rus, den Athos? – Beyde an Jahren ihre
Väter! – Etwa den Thamos, den Feind ihres
Hauses? der auch schon, wie er dir gestand, an=
dere Fesseln trägt! – Erhebst Du sie nicht auf
den Thron? wagst Du nicht alles für sie?
Pheron
 
Pheron.
Und ich, Mirza! habe dir alles zu danken.
 
Und ich, Mirza! habe dir alles zu
danken.
Mirza
 
Mirza.
Den Sohn meiner Schwester über Ägypten herrschen zu sehen, war mein Plan von dem Tage an, als Ramesses mir die Geburt der Sais und seine Absicht, sie mit dem Thamos zu vermählen, entdeckte. Diese Verbindung sollte das Reich seinem Stamme versichern. Zum Glücke starb er plötzlich.
 
Den Sohn meiner Schwester über
Egypten herrschen zu sehen, war mein Plan,
von dem Tage an, als Ramesses mir die Ge=
burt der Sais und seine Absicht, sie mit dem
Thamos zu vermählen, entdeckte. Diese Ver=
bindung sollte das Reich seinem Stamme versi=
chern. Zum Glücke starb er plötzlich.
Pheron
 
Pheron.
Wenn Thamos die Sais gesehen, wenn er sie geliebt, wenn er ihre Gegenliebe gewonnen hätte!
 
Wenn Thamos die Sais gesehen,
wenn er sie geliebt, wenn er ihre Gegenliebe ge=
wonnen hätte!
Mirza
 
Mirza.
Beider Jugend hat es verhindert, solange Ramesses lebte. Als König besuchte Thamos das Haus der geheiligten Jungfrauen anfangs nur selten. Auch alsdann verlangte er nicht allzeit, die edlen Töchter Ägyptens, die bei uns erzogen werden, zu sehen. Ich stellte es dabei so an, dass Sais nicht zum Vorschein kam. Noch jetzt würde sie ihm unbekannt sein, wenn ich nicht sie dir hätte zeigen wollen. Dies konnte nicht geschehen, ohne dass auch Thamos sie sah, weil selbst den Fürsten nur im Gefolge des Königs unsere Wohnungen offenstehen. Er schien die Sais kaum zu bemerken. Und ob er schon jetzt fleißiger kömmt, so redet er doch wenig mit ihr; weit mehr mit ihrer Gespielin Myris. – Fast mutmaße ich, dass ihn diese eingenommen habe. – Ließ Thamos sich gegen dich nicht heraus?
 
Beyder Jugend hat es verhindert,
so lange Ramesses lebte. Als König, besuchte
Thamos das Haus der geheiligten Jungfrauen
Anfangs nur selten. Auch alsdann verlangte er
Fnicht allzeit die edlen Töchter Egyptens, die bey
uns erzogen werden, zu sehen. Ich stellte es
dabey so an, daß Sais nicht zum Vorschein
kam. Noch jetzt würde sie ihm unbekannt seyn,
wenn ich nicht sie dir hätte zeigen wollen. Dies
konnte nicht geschehen, ohne daß auch Thamos
sie sah: weil selbst den Fürsten nur im Gefolge
des Königs unsere Wohnungen offen stehen.
Er schien die Sais kaum zu bemerken. Und ob
er schon jetzt fleißiger kömmt, so redet er doch
wenig mit ihr; weit mehr mit ihrer Gespielin
Myris. – Fast muthmasse ich, daß ihn diese
eingenommen habe. – Ließ Thamos sich gegen
dich nicht heraus?
Pheron
 
Pheron.
Ich wagte es, ihn zu befragen. Er versprach, meine Neugierde zu befriedigen. Zuvor müsse er die Gesinnung derjenigen erforschen, von der er als Thamos, nicht als König, geliebt sein wolle.
 
Ich wagte es, ihn zu befragen. Er
versprach meine Neugierde zu befriedigen. Zu=
vor müsse er die Gesinnung derjenigen erforschen,
von der er, als Thamos, nicht als König, geliebt
seyn wolle.
Mirza
 
Mirza.
Und ich werde ihn ausforschen. Er besucht uns diesen Morgen.
 
Und ich werde ihn ausforschen. Er
besucht uns diesen Morgen.
Pheron
 
Pheron.
Wenn wirst du der Sais ihre Geburt entdecken?
 
Wenn wirst Du der Sais ihre Ge=
burt entdecken?
Mirza
 
Mirza.
Nicht eher, als kurz vor dem Anfange der feierlichen Handlung. Dann soll sie zugleich von mir hören, was du für sie unternimmst. Dir selbst verschaffe ich Gelegenheit, mit ihr zu sprechen. Der entscheidende Augenblick naht heran: Alles sei jetzt gewagt!
 
Nicht eher, als kurz vor dem An=
fange der feyerlichen Handlung. Dann soll sie
zugleich von mir hören, was Du für sie unter=
nimmst. Dir selbst verschaffe ich Gelegenheit,
Fmit ihr zu sprechen. Der entscheidende Augen=
blick naht heran: Alles sey jetzt gewagt!
Pheron
 
Pheron.
Ich bekenne dir es, Mirza! Nicht ganz ohne Furcht sehe ich diesem Augenblicke entgegen. Ein Schritt, der entweder zum Throne oder zum Untergang führt! …
 
Ich bekenne dir es, Mirza! Nicht
ganz ohne Furcht sehe ich diesem Augenblicke ent=
gegen. Ein Schritt, der entweder zum Thro=
ne oder zum Untergang führt! …
Mirza
 
Mirza.
(fällt ihm in die Rede)
 
(fällt ihm in die Rede)
Nun aber geschehen ist! – Schon glimmst du den Felsen hinan, bald hast du die Spitze erreicht. Vor dir schweben Szepter und Diadem; unter deinen Füßen ist Abgrund. Aufwärts wende deinen Blick, nicht mehr hinab; sonst bist du verloren. Mirza ist ein Weib und zittert nicht. Du ein Mann: Herrsche oder stirb!
 
Nun aber ge=
schehen ist! – Schon glimmst Du den Felsen
hinan, bald hast Du die Spitze erreicht. Vor
dir schweben Scepter und Diadem; unter dei=
nen Füssen ist Abgrund. Aufwärts wende deinen
Blick, nicht mehr hinab; sonst bist Du verlohren.
Mirza ist ein Weib, und zittert nicht. Du ein
Mann: Herrsche, oder stirb!
(Mirza geht in das Haus der Sonnenjungfrauen zurück und Pheron in die Burg ab.)
 
(Mirza geht in das Haus der Sonnenjung=
frauen zurück, und Pheron in die Burg
ab.)
Ende des ersten Aufzugs
 
Ende des ersten Aufzugs.